Kanzle­rin Merkel will nach zwei Wochen Teil-Lockdown mit den Minis­ter­prä­si­den­ten Zwischen­bi­lanz ziehen. Die Infek­ti­ons­wel­le scheint noch nicht gebro­chen. Drohen neue Maßnahmen?

Für die an diesem Montag (14.00 Uhr) von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) und den Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder geplan­te Zwischen­bi­lanz des Teil-Lockdowns im Novem­ber waren eine Verschär­fung der Kontakt­be­schrän­kun­gen, eine Art «Knigge» mit Verhal­tens­hin­wei­sen sowie weite­re Schrit­te zum Schutz von Risiko­grup­pen im Gespräch. Größter Streit­punkt könnten weite­re Maßnah­men im Schul­be­reich sein.

Mehre­re Länder plädier­ten nach Infor­ma­tio­nen der Deutschen Presse-Agentur bei einer Vorbe­spre­chung mit dem Kanzler­amt am Sonntag dafür, vor weitrei­chen­den Entschei­dun­gen die Entwick­lung bei den zuletzt auf hohem Niveau stagnie­ren­den Corona-Infek­ti­ons­zah­len eine weite­re Woche lang abzuwar­ten. Zuerst hatte der «Spiegel» über das Datum berichtet.

Streit­punkt Schulen

Zwar sei man im Grund­satz einig, dass die Schulen für Präsenz­un­ter­richt geöff­net bleiben sollten, hieß es aus Vorbe­ra­tun­gen. Eine Mehrheit der Länder wolle jedoch aktuell nichts an den Regelun­gen ändern. Das Kanzler­amt wolle dagegen über Verän­de­run­gen etwa bei den in den Schulen gelten­den Abstands­re­geln, der Gruppen­grö­ße oder die Einfüh­rung von Wechsel­mo­del­len im Unter­richt sprechen. Hier seien die Fronten verhär­tet, war zu hören.

Nach weite­ren Infor­ma­tio­nen galt es als wahrschein­lich, dass es in der Runde am Montag eine Verschär­fung der bestehen­den Kontakt­be­schrän­kun­gen geben könnte. Seit dem 2. Novem­ber gilt, dass sich nur Angehö­ri­ge des eigenen und eines weite­ren Hausstands in der Öffent­lich­keit aufhal­ten dürfen, maximal jedoch 10 Perso­nen. Als denkbar wurde nun bezeich­net, dass man sich hier auf weite­re Beschrän­kun­gen einigt — beispiels­wei­se darauf, dass nur noch ein Hausstand und eine weite­re Person zusam­men­kom­men dürften.

Kommt ein Corona-Knigge?

Nicht unwahr­schein­lich sei, dass sich die Bund-Länder-Runde an diesem Montag auf Maßnah­men im Bereich der Kommu­ni­ka­ti­on einigen werde, hieß es weiter. So sei eine Art «Knigge» denkbar, in dem Verhal­tens­re­geln etwa für Kinder und Famili­en enthal­ten sein könnten. Darüber berich­te­te auch die «Bild»-Zeitung. Zudem werde auch der Schutz von Risiko­grup­pen erneut eine Rolle spielen — diesmal aber von jenen alten und kranken Menschen, die nicht inner­halb eines Heimes lebten.

Bei einer Vorbe­spre­chung der Chefs der Staats­kanz­lei­en mit dem Chef des Bundes­kanz­ler­amts, Helge Braun (CDU), habe dieser darauf hinge­wie­sen, dass man in der ersten Corona-Welle von Febru­ar bis Ende Oktober insge­samt rund 500 000 Infek­tio­nen in Deutsch­land regis­triert habe, erfuhr die dpa. Nun sei abseh­bar, dass im Novem­ber weite­re 500 000 Fälle hinzu­kä­men — und sich damit diese Zahl inner­halb eines Monats verdoppele.

Dies sei drama­tisch, auch wenn mit dem Teil-Lockdown erreicht worden sei, dass es derzeit keinen exponen­ti­el­len Anstieg der Infek­ti­ons­zah­len mehr gebe, wurde gewarnt. Wenn man auf einem derart hohen Niveau von aktuell täglich 20 000 neuen Fällen bleibe, könne dies nicht hinge­nom­men werden.

Das Treffen an diesem Montag — zwei Wochen nach Inkraft­tre­ten der Novem­ber-Kontakt­be­schrän­kun­gen — war von vorne­her­ein angesetzt worden, um eine Zwischen­bi­lanz zu ziehen. Größe­re Entschei­dun­gen waren von Anfang an nicht geplant. Aus der Bundes­re­gie­rung hieß es schon vorher, Locke­run­gen könne es noch nicht geben.

Merkel hatte die Bürge­rin­nen und Bürger schon am Samstag erneut auf schwie­ri­ge Monate einge­stimmt. «Der vor uns liegen­de Winter wird uns allen noch viel abver­lan­gen», sagte die Kanzle­rin in ihrem Video-Podcast. «Das Virus wird noch eine ganze Weile unser Leben bestim­men. Das bedeu­tet auch, dass wir uns nicht unbeschwert direkt begeg­nen können.» Derzeit sind Freizeit­ein­rich­tun­gen und Restau­rants geschlos­sen, Hotels dürfen keine Touris­ten beherbergen.

Die aktuel­len Corona-Zahlen

Inner­halb eines Tages hatten die Gesund­heits­äm­ter nach Angaben des Robert Koch-Insti­tuts (RKI) vom Sonntag in Deutsch­land 16 947 neue Corona-Infek­tio­nen gemel­det. Das sind 5514 Fälle weniger als am Tag zuvor mit 22 461 neu gemel­de­ten Fällen inner­halb von 24 Stunden. An Sonnta­gen sind die erfass­ten Fallzah­len meist niedri­ger, unter anderem weil am Wochen­en­de weniger getes­tet wird. Am vergan­ge­nen Sonntag hatte die Zahl gemel­de­ter Neuin­fek­tio­nen bei 16 017 gelegen.

Die Samstags­zah­len waren erstmals seit Monaten im Vergleich zu einem Samstag der Vorwo­che gesun­ken. Schon vor Samstag war die Geschwin­dig­keit des Zuwach­ses der Neuin­fek­tio­nen gesun­ken. auch die 7‑Tage-Inzidenz stieg zuletzt nicht mehr so schnell wie Anfang Novem­ber und lag am Freitag bei 140,4 Fällen in sieben Tagen pro 100 000 Einwoh­ner. Ziel der Bundes­re­gie­rung ist es, an eine Inzidenz von 50 heran­zu­kom­men. Erst dann sei es wieder möglich, dass einzel­ne Kontak­te von Infizier­ten nachvoll­zo­gen werden könnten.

Lange Brems­spur des Virus — «Welle noch nicht gebrochen»

Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) sagte bei einem virtu­el­len Treffen der bayeri­schen Jungen Union mit Blick auf die Corona-Zahlen, man beobach­te «zumin­dest mal eine Stabi­li­sie­rung». Danach müsse es aber das gemein­sa­me Ziel sein, die Zahlen runter­zu­brin­gen. «Dieses Virus hat eine unglaub­lich lange Brems­spur.» Selbst mit sehr starken Beschrän­kun­gen dauere es sehr lange, bis die Zahlen wieder sinken.

Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU) sagte bei der Jungen Union, bis Ende Novem­ber gebe es «auf keinen Fall eine Locke­rung – das macht überhaupt keinen Sinn». Mit Blick auf die Bund-Länder-Beratun­gen ergänz­te er: «Ob’s verlän­gert werden muss – möglich, wir werden sehen. Ob mehr gemacht werden muss – das wird dann alles entschie­den.» Saar-Regie­rungs­chef Tobias Hans (CDU) sagte dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land: «Wir müssen kritisch prüfen, ob unsere bislang ergrif­fe­nen Maßnah­men ausrei­chen, um das Infek­ti­ons­ge­sche­hen in Griff zu bekom­men, oder ob wir und wo wir gegebe­nen­falls nachbes­sern oder sogar noch nachschär­fen müssen.»

Wirtschafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er (CDU) sagte der «Bild am Sonntag», trotz aller Anstren­gun­gen sei eine Wende noch nicht erreicht. Für das Öffnen von Restau­rants und Kinos sehe er wenig Spiel­raum. «Wir werden zumin­dest in den nächs­ten vier bis fünf Monaten mit erheb­li­chen Vorsichts­maß­nah­men und Einschrän­kun­gen leben müssen.» Baden-Württem­bergs Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) sagte der «Augsbur­ger Allge­mei­nen» (Montag), erst, wenn die Infek­ti­ons­wel­le gebro­chen sei, «und zwar auf durch­schla­gen­de Weise -, können wir darüber sprechen, wie wir Weihnach­ten gestalten».

Schul­un­ter­richt in Gaststätten?

Altmai­er schlug Schul-Unter­richt in geschlos­se­nen Gaststät­ten und Hotels vor, um die Abstands­re­geln besser einhal­ten zu können. «In Klassen­räu­men ist es oft schwer, den ausrei­chen­den Abstand einzu­hal­ten», sagte er der «Bild am Sonntag».

Der Kieler Bildungs­for­scher und Psycho­lo­ge Olaf Köller warb dafür, ältere Schüler digital von zu Hause zu unter­rich­ten. Program­me für den Distanz­un­ter­richt sollten dabei langfris­tig bis Ende März angelegt werden und nicht nur bis Weihnach­ten, sagte Köller, der an mehre­ren Stellung­nah­men der Natio­na­len Akade­mie der Wissen­schaf­ten Leopol­di­na zur Corona-Pande­mie mitge­schrie­ben hat, der dpa.

SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach sprach sich dafür aus, die Schulen auf jeden Fall offen zu halten, warnte aber vor einer Fortset­zung des bishe­ri­gen Schul­be­triebs. Den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe sagte er: «Wir kommen in eine Situa­ti­on hinein, wo der Schul­be­trieb für Kinder, Lehrer, Eltern und Großel­tern zu einem hohen Risiko wird.» Er riet dazu, die Schul­klas­sen aufzu­tei­len und «im Winter durch­ge­hend mit Maske» zu unter­rich­ten. Kinder im Alter von 10 bis 19 seien so anste­ckend wie Erwachsene.

Die Lage bei den Intensivbetten

Die Deutsche Inter­dis­zi­pli­nä­re Verei­ni­gung für Inten­siv- und Notfall­me­di­zin (DIVI) verlang­te, dass in Corona-Hotspots alle verschieb­ba­ren medizi­ni­schen Eingrif­fe in Kranken­häu­sern abgesagt werden. «Es ist aller­höchs­te Zeit, die Klini­ken vom Regel­be­trieb zu nehmen, damit wir uns voll auf die Inten­siv­sta­tio­nen konzen­trie­ren können — und zwar nicht nur auf Covid-19-Patien­ten, sondern auf alle Schwer­kran­ken», sagte DIVI-Präsi­dent Uwe Janssens der «Bild am Sonntag». Dafür seien die Klini­ken aber wie im Frühjahr auf Ausgleichs­zah­lun­gen durch die Politik angewiesen.