BERLIN (dpa) — Die befürch­te­te Omikron-Wand ist da, doch manche reden bereits wieder über Locke­run­gen. Nun beraten die Minis­ter­prä­si­den­ten und Kanzler Scholz über die Lage: Ihr Kurs ist ziemlich klar.

Im Lichte weiter empor­schnel­len­der Corona-Infek­ti­ons­zah­len beraten die Spitzen von Bund und Ländern über das weite­re Vorge­hen in der Pandemie.

Dabei deutet sich bereits an, dass sie ihren bishe­ri­gen Kurs beibe­hal­ten wollen: Keine Verschär­fun­gen der bishe­ri­gen Maßnah­men, aber vorerst auch keine Locke­run­gen. Änderun­gen dürfte es aber bei den inzwi­schen raren PCR-Tests geben, die nicht mehr für alle Verdachts­fäl­le, sondern nur noch für Risiko­grup­pen sowie Kranken­haus- und Pflege-Beschäf­tig­te vorge­hal­ten werden sollen.

Die anste­cken­de Virus­va­ri­an­te Omikron lässt die Infek­ti­ons­zah­len derzeit rasant steigen. Das Robert Koch-Insti­tut melde­te am Sonntag 85.440 Neuin­fek­tio­nen inner­halb eines Tages. Die Sieben-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwoh­ner kletter­te erstmals über die 800er-Marke. Auch die Zahl der Corona-Inten­siv­pa­ti­en­ten stieg erstmals seit Mitte Dezem­ber wieder: um 28 auf 2426. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) erwar­tet den Höhepunkt mit täglich mehre­ren Hundert­tau­send Neuin­fi­zier­ten für Mitte Febru­ar, wie er im ZDF («Berlin direkt») bekräftigte.

Die wichtigs­ten Punkte, über die Kanzler Scholz und die Minis­ter­prä­si­den­tin­nen und Minis­ter­prä­si­den­ten ab dem Mittag reden wollen:

Maßnah­men verschärfen?

Der Exper­ten­rat der Bundes­re­gie­rung hatte geraten, die bestehen­den Maßnah­men beizu­be­hal­ten, aber vorsorg­lich weite­re Schrit­te vorzu­be­rei­ten, falls kriti­sche Marken etwa bei Klinik­ein­wei­sun­gen erreicht werden.

In der der Deutschen Presse-Agentur vorlie­gen­den Beschluss­vor­la­ge für die Beratun­gen (Stand Sonntag, 18.00 Uhr) ist von erste­rem die Rede, von letzte­rem nicht: Man sei sich «einig, dass die bisher gelten­den Regeln weiter­hin Bestand haben». Der Vorsit­zen­de der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz, der Nordrhein-Westfa­le Hendrik Wüst (CDU), sagte bei RTL und ntv: «Die Kernaus­sa­ge ist jetzt: Keine Locke­run­gen!» Auch Scholz hatte der «Süddeut­schen Zeitung» (Montag) bereits gesagt: «Wir brauchen keine Kurskorrektur.»

Das Problem ist aller­dings, dass Gerich­te in einigen Bundes­län­dern bereits bestehen­de Vorga­ben gekippt haben, so zuletzt die 2G-Regel im Einzel­han­del im Saarland, in Bayern und in Nieder­sach­sen, die nur doppelt Geimpf­ten und Genese­nen Zutritt gewährte.

Maßnah­men lockern?

Manche Politi­ker von FDP und CSU fordern bereits einen Plan für künfti­ge Locke­run­gen. CSU-Landes­grup­pen­chef Alexan­der Dobrindt sagte der «Welt», er erwar­te von der Runde eine kluge Strate­gie, um sich «Stück für Stück aus der Pande­mie heraus­zu­be­we­gen». Und: «Dabei gilt es, Ermüdungs­ef­fek­te in der Gesell­schaft zu erken­nen und aufzu­neh­men.» Der FDP-Landtags­frak­ti­ons­chef von Nordrhein-Westfa­len, Chris­tof Rasche, verlang­te dort Locke­run­gen bei Großver­an­stal­tun­gen und dass die 2G-Regelung im Einzel­han­del und 2G plus in Restau­rants abgeschafft wird.

Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann aus dem gleichen FDP-Landes­ver­band ist da etwas vorsich­ti­ger: Wenn der Höhepunkt überschrit­ten sei und die Zahlen auch in den Kranken­häu­sern zurück­gin­gen, müssten die Maßnah­men gelockert werden, sagte er in der ARD («Anne Will»). «Das ist selbst­ver­ständ­lich.» Der eher vorsich­ti­ge Gesund­heits­mi­nis­ter Lauter­bach sieht das ähnlich: «Wenn wir das hinter uns haben, dann kann es bei den Einschrän­kun­gen natür­lich nicht bleiben. Und dann würde man Schritt für Schritt wieder Öffnun­gen machen. Das jetzt schon ins Auge zu fassen, ist richtig», erklär­te Lauter­bach. Wüst wies darauf hin, dass das Prinzip der Verhält­nis­mä­ßig­keit grund­sätz­lich immer und bei allen Maßnah­men gelte.

In der Beschluss­vor­la­ge heißt es dazu: «Bund und Länder werden Öffnungs­per­spek­ti­ven entwi­ckeln für den Moment, zu dem eine Überlas­tung des Gesund­heits­sys­tems ausge­schlos­sen werden kann.» Näher ausge­führt wird das nicht. Aller­dings ist die Vorla­ge ledig­lich eine Diskus­si­ons­grund­la­ge — bis zum Beschluss könnte sich einiges ändern.

PCR-Tests für wen?

Die steigen­de Zahl Infizier­ter lässt PCR-Tests knapp werden. Lauter­bach hat daher mit Billi­gung seiner Länder­kol­le­gen vorge­schla­gen, diese beson­ders genau­en Labor-Tests nur noch einge­schränkt einzu­set­zen — und so werden es Bund und Länder voraus­sicht­lich beschlie­ßen. PCR-Tests sollen auf Risiko­grup­pen konzen­triert werden und auf Beschäf­tig­te, die diese betreu­en und behan­deln, heißt es in der Vorla­ge. Genannt werden ältere Menschen und andere Risiko­grup­pen, Beschäf­tig­te in Klini­ken, Praxen, Pflege­hei­men und Einrich­tun­gen der Einglie­de­rungs­hil­fe für Menschen mit Behin­de­rung. Lauter­bach soll «inten­siv an einer Auswei­tung der PCR-Testka­pa­zi­tä­ten» arbeiten.

In die PCR-Priori­sie­rungs­lis­te wollten auch Lehrer­ver­bän­de ihren Berufs­stand aufge­nom­men sehen. Dazu sagte aber Bremens Bürger­meis­ter Andre­as Boven­schul­te (SPD) dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land: «Ich kann den Wunsch der Betrof­fe­nen verste­hen, habe aber meine Zweifel.» Er wies darauf hin, dass Schüle­rin­nen und Schüler kein überdurch­schnitt­li­ches Risiko schwe­rer Krank­heits­ver­läu­fe haben.

Quaran­tä­ne- und Isola­ti­ons­re­geln ändern?

Für die Allge­mein­heit wurden sie bereits geändert. Nun werden auch die bisher noch stren­ge­ren Fristen für Klinik- und Pflege­per­so­nal ebenfalls verkürzt: Infizier­tes Perso­nal kann sich laut dem Entwurf nach sieben Tagen mit einem zerti­fi­zier­ten Antigen-Schnell­test vorzei­tig freites­ten, wenn es seit 48 Stunden symptom­frei ist; ansons­ten bleibt es bei zehn Tagen. Als Kontakt­per­so­nen können sie ebenfalls nach sieben Tagen mit negati­vem Test die Quaran­tä­ne beenden. Haben sie als Kontakt­per­so­nen eine Booster-Impfung oder sind sonst frisch geimpft oder frisch genesen, entfällt die Quarantäne.

Wie ist das umzusetzen?

Das ist unklar, Details dazu aus einer frühe­ren Versi­on der Vorla­ge wurden wieder gestri­chen. Nach den Beratun­gen müssen jeden­falls zuerst die gelten­den Testvor­schrif­ten überar­bei­tet und dann voraus­sicht­lich noch in den Ländern umgesetzt werden.

Was ist mit der Impfpflicht?

Die geplan­te allge­mei­ne Pflicht ist in der Beratungs­vor­la­ge nur am Rande Thema. Bund und Länder bekräf­ti­gen demnach deren Notwendigkeit.

Die Gesund­heits­mi­nis­ter hatten zudem gefor­dert, dass ungeimpf­ten Klinik- oder Pflege-Beschäf­tig­ten, die ab März bereits der einrich­tungs­be­zo­ge­nen Impfpflicht unter­lie­gen, bevor­zugt der neue Impfstoff Novavax angebo­ten werden soll. Er gilt als eine Art Totimpf­stoff und könnte damit nicht den Vorbe­hal­ten mancher Impfskep­ti­ker gegen die mRNA-Impfstof­fe von Biontech und Moder­na unter­lie­gen. Im Beratungs­ent­wurf wird aber nur darauf hinge­wie­sen, dass er ab Ende Febru­ar zur Verfü­gung steht.

Und was halten die Bürger davon?

Dass nicht gelockert wird, hält die große Mehrheit für richtig. Nach einer Online-Umfra­ge des YouGov-Insti­tuts für die dpa finden je etwa ein Drittel die derzei­ti­gen Maßnah­men genau richtig (35 Prozent) oder noch zu lasch (34). Ledig­lich ein Viertel (24) sind für Lockerungen.

Von Jörg Ratzsch, dpa