STUTTGART (dpa) — Verbrau­cher und Firmen sollen vom Staat wegen der gestie­ge­nen Energie­prei­se mit viel Geld gestützt werden. Aber wie lange? Der Chef der Netzagen­tur überbringt der Politik eine Hiobsbotschaft.

Die geplan­te Gaspreis­brem­se muss nach Einschät­zung der Bundes­netz­agen­tur für einen Zeitraum von fast zwei Jahren gelten. «Mindes­tens bis Sommer 2024 werden wir in irgend­ei­ner Art von angespann­ten Situa­ti­on sein», sagte Netzagen­tur-Präsi­dent Klaus Müller in einem Podcast des baden-württem­ber­gi­schen Finanz­mi­nis­ters Danyal Bayaz (Grüne).

Der Gaspreis­de­ckel werde «mit Sicher­heit» bis dahin gebraucht. Die Mengen an russi­schem Gas, die ersetzt werden müssten, seien «riesen­groß». Es müssten zunächst die sechs Flüssig­gas-Termi­nals und die Anbin­dung ins Hinter­land gebaut werden, damit viel Gas aus Belgi­en, Frank­reich und Norwe­gen nach Deutsch­land strömen könne. «Das braucht einfach Zeit.»

Müller hält es für richtig, Bürge­rin­nen und Bürger bei den sprung­haft gestie­ge­nen Gaskos­ten zu entlas­ten, pocht aber auch auf Anrei­ze zum Sparen. «Wenn das Signal wäre, Gas wird wieder so billig wie früher, dann bin ich sicher, erleben wir eben keine Einspa­run­gen oder zu wenige Einspa­run­gen. Dann erleben wir, dass die Gasver­bräu­che nach oben gehen. Und dann sind wir schnel­ler, als uns allen lieb ist, eben in einer Mangel­si­tua­ti­on.» Trotz der Bemühun­gen der Bundes­re­gie­rung, Gas herbei­zu­schaf­fen und einzu­spei­chern könne man auf Einspa­run­gen nicht verzich­ten. Es sei zwar richtig, beim Gaspreis­de­ckel den Grund­be­darf zu vergüns­ti­gen, aber der dürfe nicht so üppig ausfal­len, «dass es keinen Sparim­puls mehr gibt».

Müller fordert Tempo bei Gaspreisbremse

Der Netzagen­tur-Chef empfahl der Regie­rung, jetzt schnell ein Modell für eine Gaspreis­brem­se vorzu­le­gen. «Die Politik wird den Mut haben müssen, mindes­tens für diesen Winter 2022/2023 ein schnel­les und einfach zu adminis­trie­ren­des Modell umzuset­zen.» Müller befürch­tet, dass es viel Streit darum geben werde, wo man die Grenze für den Deckel einzieht. «Es wird eine bestimm­te Pauscha­lie­rung geben müssen, die wird einen Hauch ungerecht sein.» Denn die Stadt­wer­ke wüssten nun mal nicht, wie viele Menschen in einem Haushalt leben. Deswe­gen falle eine Berech­nung pro Kopf schon mal weg. Es werde eine Lösung geben müssen, «wo vielleicht nicht alle Fragen der Einzel­fall­ge­rech­tig­keit geregelt werden, sonst wird das so komplex, dass das niemand umset­zen kann.» Für den übernächs­ten Winter könne man das Modell noch verfeinern.

Die Ampel­ko­ali­ti­on hatte am Donners­tag einen neuen «Abwehr­schirm» von bis zu 200 Milli­ar­den Euro angekün­digt, um Verbrau­cher und Unter­neh­men wegen der steigen­den Energie­prei­se zu stützen. Die umstrit­te­ne Gasum­la­ge ist vom Tisch — dafür soll es eine Gaspreis­brem­se geben. Mindes­tens für einen Teil des Verbrauchs sollen die Preise so gedeckelt werden, dass priva­te Haushal­te und Firmen nicht überfor­dert sind. Was das genau bedeu­tet, ist aber noch offen. Eine Kommis­si­on soll bis Mitte Oktober Vorschlä­ge machen.

Der Netzagen­tur­prä­si­dent appel­lier­te erneut an die Bevöl­ke­rung, so gut wie möglich Energie zu sparen. «Wenn wir es nicht schaf­fen, in den priva­ten Haushal­ten mindes­tens 20 Prozent Einspa­run­gen zu erzie­len, dann werden wir in einem durch­schnitt­li­chen Winter nicht ohne Kürzun­gen bei der Indus­trie zurecht­kom­men.» Es sei keine gute Idee, Energie­spar­tipps zu «verball­hor­nen». Müller sagte: «Energie­spa­ren schont den eigene Geldbeu­tel, aber es rettet auch Arbeits­plät­ze, Wertschöp­fung und indus­tri­el­le Anlagen in Deutschland.»