BERLIN (dpa) — Der seit so vielen Jahren umstrit­te­ne Paragraf 219a zum Werbe­ver­bot für Abtrei­bung ist nun Geschich­te. Die Ampel jubelt, auch die Linke begrüßt den Schritt — die übrige Opposi­ti­on reagiert empört.

Der Bundes­tag hat die Aufhe­bung des umstrit­te­nen Werbe­ver­bots für Schwan­ger­schafts­ab­brü­che beschlos­sen. Eine große Mehrheit der Abgeord­ne­ten stimm­te im Plenum für den Regie­rungs­ent­wurf zur Strei­chung des entspre­chen­den Geset­zes­pa­ra­gra­fen 219a aus dem Strafgesetzbuch.

Die Fraktio­nen von Union und AfD stimm­ten dagegen, Enthal­tun­gen gab es nicht. Paragraf 219a regel­te bislang, dass für Schwan­ger­schafts­ab­brü­che nicht gewor­ben werden darf — führte aber in der Vergan­gen­heit immer wieder dazu, dass Ärztin­nen und Ärzte nicht ausführ­lich über Schwan­ger­schafts­ab­brü­che infor­mie­ren konnten, ohne Straf­ver­fol­gung zu riskie­ren. Das soll sich nun ändern. Den Medizi­nern wird im beschlos­se­nen Regie­rungs­ent­wurf ein Infor­ma­ti­ons­recht zugestanden.

Neben der Strei­chung von 219a sieht der Bundes­tags­be­schluss vor, dass Urtei­le gegen Ärztin­nen und Ärzte, die seit 3. Oktober 1990 auf Basis des Paragra­fen ergan­gen sind, aufge­ho­ben werden. Das betrifft etwa die Gieße­ner Allge­mein­me­di­zi­ne­rin Kristi­na Hänel, die 2017 auf der Grund­la­ge von 219a verur­teilt worden war und seit Jahren für die Abschaf­fung des Paragra­fen kämpft. Sie saß zusam­men mit anderen Ärztin­nen und Ärzten im Bundes­tag auf der Besuchertribüne.

Famili­en­mi­nis­te­rin Paus: «Ein großar­ti­ger Tag»

Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann (FDP) bezeich­ne­te die bishe­ri­ge Regelung als «absurd und aus der Zeit gefal­len». Jede Verur­tei­lung von Ärztin­nen und Ärzten sei «eine Verur­tei­lung zu viel», sagte Busch­mann. «Heute ist ein großar­ti­ger Tag», sagte Bundes­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin Lisa Paus. «Gesund­heit und Selbst­be­stim­mung von Frauen — das sind Menschen­rech­te.» Paus beton­te, dass auch generell über die Straf­bar­keit von Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen gespro­chen werden müsse.

Die Linke begrüßt die Abschaf­fung des Paragra­fen — aller­dings geht ihr dieser Schritt nicht weit genug. Sie fordert auch die Aufhe­bung von Paragraf 218 im Straf­ge­setz­buch — was bedeu­ten würde, Schwan­ger­schafts­ab­brü­che an sich straf­frei zu machen.

Union und AfD empört

Union und AfD äußer­ten sich empört über die Abschaf­fung des Geset­zes­pa­ra­gra­fen. Abgeord­ne­te beider Fraktio­nen beton­ten immer wieder, dass sich Frauen auch jetzt schon ausführ­lich über Schwan­ger­schafts­ab­brü­che infor­mie­ren könnten und dass die Rechte des ungebo­re­nen Lebens nicht zu kurz kommen dürften.

Damit künftig «anstö­ßi­ge» und unange­mes­se­ne Werbung für Schwan­ger­schafts­ab­brü­che verbo­ten bleibt, sieht der abgeseg­ne­te Regie­rungs­ent­wurf vor, das sogenann­te Heilmit­tel­wer­be­ge­setz zu erwei­tern. So würden auch Schwan­ger­schafts­ab­brü­che ohne Krank­heits­be­zug neu von dem Gesetz erfasst, das bislang in anderen Berei­chen irrefüh­ren­de Werbung von Medizin­pro­duk­ten regelt.

Das Gesetz muss formal noch den Bundes­rat passie­ren, er kann aber ohne die Zustim­mung der Länder­kam­mer in Kraft treten.