BERLIN (dpa) — Schon sehr bald soll es nur noch wenige Corona-Schutz­re­geln geben. Vielen Bundes­län­dern ist das nicht geheu­er. Auch die Ärzte­schaft und Patien­ten­schüt­zer sind nicht zufrieden.

Beglei­tet von Kritik aus Bundes­län­dern und von Ärzten befasst sich Bundes­tag mit den Plänen der Ampel-Koali­ti­on für künfti­ge Corona-Schutzmaßnahmen.

Ein von der Bundes­re­gie­rung erarbei­te­ter Entwurf sieht vom 20. März an generell nur noch wenige allge­mei­ne Schutz­re­geln mit Masken- und Testvor­ga­ben in Einrich­tun­gen für gefähr­de­te Gruppen vor. Für regio­na­le «Hotspots» sollen aber weiter­ge­hen­de Beschrän­kun­gen möglich sein, wenn das Landes­par­la­ment für sie eine beson­ders kriti­sche Lage feststellt. Angesichts steigen­der Infek­ti­ons­zah­len gibt es Rufe nach mehr allge­mei­nen Schutzregeln.

FDP drängt auf Lockerungen

Beschlos­sen werden soll der Entwurf schon an diesem Freitag. Am Donners­tag wollen die Minis­ter­prä­si­den­tin­nen und ‑präsi­den­ten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Lage beraten. Die meisten Länder wollen den Großteil der Aufla­gen weiter gelten lassen — zunächst bis zum Ablauf einer Übergangs­frist am 2. April.

Auf Locke­run­gen hatte vor allem die FDP gedrun­gen. Erneut ließen Politi­ker von SPD und Grünen erken­nen, dass sie mit dem Koali­ti­ons­kom­pro­miss nicht zufrie­den sind. «Wir hätten uns die Möglich­keit für eine allge­mei­ne Masken­pflicht im Basis­schutz-Instru­men­ten­kas­ten gewünscht», sagte SPD-Frakti­ons­vi­ze Dagmar Schmidt dem Nachrich­ten­por­tal t‑online. «Dann hätten die Länder sie einfa­cher anwen­den können, wenn und wo sie sie für nötig halten.» Der Grünen-Gesund­heits­exper­te Janosch Dahmen sagt der «Passau­er Neuen Presse» (Mittwoch), es gebe im Moment wenig Anlass, über umfang­rei­che Locke­run­gen zu reden. «Wir sind in dieser Omikron-Welle offen­sicht­lich noch nicht über den Berg», warnte Dahmen.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patien­ten­schutz warf der Ampel-Koali­ti­on einen «politi­schen Offen­ba­rungs­eid» bei den künfti­gen Corona-Schutz­re­geln vor. Wider besse­ren Wissens wollten Abgeord­ne­te von SPD und Grünen einer Geset­zes­no­vel­le zustim­men, die kaum Schutz vor der Pande­mie biete, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. «Der kleins­te Koali­ti­ons­part­ner darf nicht einfach lebens­wich­ti­ge Entschei­dun­gen diktie­ren. Sonst wackelt der Schwanz mit dem Hund», kriti­sier­te er mit Blick auf die FDP. Brysch warnte auch vor einer «windel­wei­chen Hotspot-Regelung», die vor keinem Gericht standhalte.

Söder kriti­siert Ampelregierung

Schwe­re Vorwür­fe richte­te Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder an die Adres­se der Koali­ti­on. Diese habe mit der geplan­ten Änderung des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­ze unmit­tel­bar vor der Bund-Länder-Konfe­renz die Zusam­men­ar­beit mit den Bundes­län­dern aufge­kün­digt, sagte der CSU-Chef der «Augsbur­ger Allge­mei­nen». «Wegen Corona braucht es leider keine Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz mehr», urteil­te Söder. «Der neue Entwurf wird von vielen Länder massiv kriti­siert, damit liegt die Verant­wor­tung nun allein beim Bund», beton­te der CSU-Chef.

Kritik am Regie­rungs­ent­wurf kommt auch von den Ärzten. Der Präsi­dent der Bundes­ärz­te­kam­mer, Klaus Reinhardt, bemän­gel­te, dass nur beispiel­haft aufge­führt werde, ab wann die Länder schär­fe­re Maßnah­men erlas­sen können. Das werde «zwangs­läu­fig zu einem bundes­wei­ten Flicken­tep­pich unter­schied­li­cher regio­na­ler Regelun­gen führen. Das verun­si­chert die Bevöl­ke­rung unnötig», beklag­te Reinhardt in der «Rheini­schen Post». Der Vorsit­zen­de der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft, Gerald Gaß, sagte den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Mittwoch): «Die geplan­te Hotspot-Regelung kann ein wirkungs­vol­les und zielge­nau­es Instru­ment sein. Zu dieser Regelung muss aber Klarheit und Planbar­keit herrschen, auch welche Krite­ri­en der Gesetz­ge­ber sich hier vorstellt.»

Marbur­ger Bund für Maskenpflicht

Gaß forder­te, die Masken­pflicht «an Orten mit hoher Infek­ti­ons­ge­fahr» beizu­be­hal­ten. Als Beispie­le nannte er den Öffent­li­chen Nahver­kehr, den Einzel­han­del oder Orte mit vulner­ablen Gruppen. Die Chefin der Ärzte­ge­werk­schaft Marbur­ger Bund, Susan­ne Johna, forder­te ebenfalls, im Einzel­han­del und Innen­räu­men weiter Masken vorzuschreiben.

«Gerade angesichts der steigen­den Inziden­zen wäre es doch zumut­bar, diese wirksa­me Maßnah­me noch beizu­be­hal­ten, bis sich das Infek­ti­ons­ge­sche­hen durch den eintre­ten­den saiso­na­len Effekt tatsäch­lich abschwächt», sagte Johna der «Augsbur­ger Allge­mei­nen». Auch Patien­ten­schüt­zer Brysch mahnte eine Masken­pflicht an, die über den Perso­nen­ver­kehr hinausgehe.