BERLIN (dpa) — Viele Abgeord­ne­te hätten ihm gerne persön­lich gratu­liert — doch wirklich getrof­fen hat das Bundes­tag-Mitglied Jakob Maria Mierscheid auch nach Jahrzehn­ten noch niemand. Und das hat seinen Grund.

Die Abgeord­ne­ten des Bundes­tags haben mit zweitä­gi­ger Verspä­tung ihrem Phantom-Kolle­gen Jakob Maria Mierscheid zum 90. Geburts­tag gratu­liert. «Er ist ein beken­nen­der Hinter­bänk­ler, der aber viel angesto­ßen und erreicht hat. Und das, ohne ein einzi­ges Mal bei Markus Lanz zu sitzen», sagte Vizeprä­si­den­tin Aydan Özoguz (SPD) am Freitag in Berlin unter starkem Beifall der Parla­men­ta­ri­er zu dem «feier­li­chen Anlass».

Bei seinem Geburts­tag am Mittwoch (1. März) hätten viele, vor allem ältere Kolle­gen vergeb­lich nach ihm Ausschau gehal­ten. Leider habe man ihm nicht direkt gratu­lie­ren können, sagte Özoguz. Aus seiner Heimat­ge­mein­de Morbach im Hunsrück höre man, dass er «zu dringen­den Angele­gen­hei­ten in Brüssel» weile. Seine Anregun­gen, «meist in schrift­li­cher Form», seien immer geschätzt und viel disku­tiert worden. Unter dem Geläch­ter der Abgeord­ne­ten fügte sie hinzu: «Aller­dings warten wir bis heute auf seine erste Rede im Bundestag.»

Die Kunst­fi­gur Mierscheid war Ende 1979 von mehre­ren SPD-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten in Bonn erfun­den worden. Der laut Vita katho­li­sche Mierscheid, gelern­ter Schnei­der, Vater von vier Kindern aus dem Hunsrück, sollte laut Legen­de Nachrü­cker für den gestor­be­nen Politi­ker Carlo Schmid sein. Die Idee der Genos­sen hinter dem Phantom: Man wollte die Abgeord­ne­ten «von Zeit zu Zeit an das wahre Leben erinnern, was durch­aus auch mal lustig sein darf».

Am Mittwoch hatte es in Mierscheids Heimat­ge­mein­de Morbach eine Festver­an­stal­tung zum runden Geburts­tag gegeben. Zum 80. Geburts­tag hatte Bundes­tags­prä­si­dent Norbert Lammert (CDU) Mierscheid in einer Sitzung gratu­liert — auch da war das Phantom natür­lich nicht da.