Donald Trump heizt in Washing­ton seine Anhän­ger mit seinen Behaup­tun­gen zu angeb­li­chem Wahlbe­trug an. Kurz darauf kommt es zu nie da gewese­nen Szenen und einem Gewalt­aus­bruch am US-Parlamentssitz.

Die Protes­te aufge­brach­ter Anhän­ger des abgewähl­ten US-Präsi­den­ten Donald Trump in der Haupt­stadt Washing­ton sind ausge­ar­tet und haben für Chaos und Gewalt im politi­schen Zentrum der USA gesorgt.

Nach einer einhei­zen­den Rede des Republi­ka­ners marschier­ten Trump-Unter­stüt­zer vor dem Kapitol auf, dem Sitz des US-Parla­ments, um gegen die Zerti­fi­zie­rung der Präsi­dent­schafts­wahl­er­geb­nis­se zu protes­tie­ren. Bei dem Ansturm auf das Kongress­ge­bäu­de drangen Demons­tran­ten ins Innere des Kapitols ein. Die beiden Kongress­kam­mern mussten ihre Sitzun­gen abrupt unter­bre­chen, die Parla­ments­sä­le wurden geräumt.

Nach Angaben der Nachrich­ten­agen­tur AP wurde inmit­ten der Protes­te eine Person angeschos­sen. In welchem Zustand sie sich befin­de, sei unklar, die genau­en Details zu dem Vorfall ebenfalls, berich­te­te AP. Der Nachrich­ten­sen­der CNN berich­te­te, eine Frau werde wegen Schuss­wun­den in der Brust behan­delt. Der Sender NBC News berich­te­te unter Berufung auf Sicher­heits­kräf­te zudem von mehre­ren Verletzten.

Laut Weißem Haus sollte die Natio­nal­gar­de zum Einsatz kommen. «Auf Anwei­sung von Präsi­dent Donald Trump ist die Natio­nal­gar­de zusam­men mit anderen Bundes­schutz­diens­ten unter­wegs», schrieb Trumps Spreche­rin Kayleigh McEnany auf Twitter. Die Bürger­meis­te­rin von Washing­ton, Muriel Bowser, ordne­te angesichts der Protes­te eine Ausgangs­sper­re an — vom frühen Mittwoch­abend bis zum frühen Donnerstagmorgen.

Die Lage war zunächst unüber­sicht­lich. Auf Bildern des Senders CNN war zu sehen, wie Demons­tran­ten Fenster­schei­ben zerschlu­gen und sich so Zugang zum Gebäu­de verschaff­ten. Auf einem anderen Bild posier­te ein Demons­trant im geräum­ten Senats­saal mit erhobe­ner Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden.

Abgeord­ne­te, die sich in Sicher­heit gebracht hatten, melde­ten sich über die sozia­len Medien oder per Telefon­schal­ten im natio­na­len Fernse­hen zu Wort. Der republi­ka­ni­sche Abgeord­ne­te Adam Kinzin­ger etwa nannte die Vorgän­ge bei CNN «ekelhaft» und «absolut verabscheuungswürdig».

Der gewähl­te US-Präsi­dent Joe Biden hat die drama­ti­schen Ereig­nis­se rund um das Kapitol in Washing­ton scharf verur­teilt. «Zu dieser Stunde wird unsere Demokra­tie beispiel­los angegrif­fen», sagte Biden in Wilming­ton (Delaware). Die Gewalt müsse enden. Zudem ruft er Donald Trump auf, sich in einer Fernseh­an­spra­che an die Nation zu wenden. Trump müsse eine Anspra­che halten, um seinem Eid nachzu­kom­men und die Verfas­sung zu vertei­di­gen, sagt Biden.

Im Kapitol hatten sich das Reprä­sen­tan­ten­haus und der Senat am Mittag versam­melt, um die Ergeb­nis­se der Präsi­den­ten­wahl vom Novem­ber offizi­ell zu bestä­ti­gen. Tausen­de Trump-Anhän­ger ström­ten in die US-Haupt­stadt, um gegen die Zerti­fi­zie­rung des Wahlaus­gangs zu protestieren.

Trump hatte die Präsi­dent­schafts­wahl mit deutli­chem Abstand gegen seinen demokra­ti­schen Heraus­for­de­rer Joe Biden verlo­ren. Er weigert sich aber, seine Nieder­la­ge einzu­ge­ste­hen. Trump behaup­tet, er sei durch massi­ven Betrug um den Sieg gebracht worden. Weder er noch seine Anwäl­te legten stich­hal­ti­ge Bewei­se dafür vor. Dutzen­de Klagen des Trump-Lagers wurden bislang von Gerich­ten abgeschmet­tert, auch vom Obers­ten US-Gericht.

Kurz vor dem Start der Kongress­sit­zung war Trump nahe dem Kapitol vor seinen Anhän­gern aufge­tre­ten, hatte seine haltlo­sen Wahlbe­trugs­be­haup­tun­gen wieder­holt und seine Unter­stüt­zer dazu aufge­ru­fen, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den «Diebstahl» der Wahl nicht gefal­len zu lassen.

Nach dem Gewalt­aus­bruch riefen zahlrei­che Politi­ker Trump eindring­lich auf, die Ausschrei­tun­gen sofort zu stoppen. Die ehema­li­ge Kommu­ni­ka­ti­ons­di­rek­to­rin des Weißen Hauses, Alyssa Farah, schrieb auf Twitter an Trump gerich­tet: «Verur­tei­len Sie das jetzt, Donald Trump — Sie sind der einzi­ge, auf den sie hören werden. Für unser Land!»

Der amtie­ren­de Präsi­dent rief seine Anhän­ger auf Twitter auf, bei ihrem Protest fried­lich zu bleiben und Polizei und Sicher­heits­kräf­te zu unter­stüt­zen. In einem weite­ren Tweet schrieb Trump: «Keine Gewalt!»

Deutli­cher wurde US-Vizeprä­si­dent Mike Pence. Trumps Stell­ver­tre­ter schrieb auf Twitter: «Fried­li­cher Protest ist das Recht jedes Ameri­ka­ners, aber dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden und jene, die daran betei­ligt sind, werden mit der ganzen Härte des Geset­zes zur Verant­wor­tung gezogen.»

Pence hatte die Kongress­sit­zung vor der Unter­bre­chung gelei­tet. Trump hatte ihn direkt dazu aufge­ru­fen, sich gegen die Zerti­fi­zie­rung des Wahler­geb­nis­ses zu stellen — entge­gen der gesetz­li­chen Vorga­ben. Pence wies dieses Ansin­nen jedoch zurück.

Die Zerti­fi­zie­rung der Wahler­geb­nis­se ist in den Verei­nig­ten Staaten üblicher­wei­se eine Forma­lie. Diver­se Republi­ka­ner hatten jedoch vorab eine politi­sche Störak­ti­on angekün­digt, bei der sie Einspruch gegen Ergeb­nis­se aus den Bundes­staa­ten einle­gen wollten. Trump wieder­um hatte über Wochen diesen Tag der Kongress­sit­zung — ohne jegli­che Grund­la­ge — als letzte Möglich­keit darge­stellt, den Wahlaus­gang noch umzustür­zen. Am Wahlaus­gang ist aber nicht zu rütteln. Auch die politi­sche Störak­ti­on der Republi­ka­ner hatte von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg.

Mehre­re hochran­gi­ge Republi­ka­ner hatten die geplan­te Aktion ihrer Partei­kol­le­gen und Trumps fortdau­ern­den Feldzug gegen den Wahlaus­gang als gefähr­lich gebrand­markt. Biden soll am 20. Januar verei­digt werden.