PEKING (dpa) — Peking vermei­det es weiter, Russland für die Invasi­on in die Ukrai­ne zu kriti­sie­ren. Statt­des­sen übt Premier Li Kritik an den Sanktio­nen: Diese schade­ten «der wirtschaft­li­chen Erholung der Welt».

China hat zu «äußers­ter Zurück­hal­tung» in Russlands Krieg in der Ukrai­ne aufge­ru­fen, um eine größe­re humani­tä­re Katastro­phe zu verhindern.

Zum Abschluss der diesjäh­ri­gen Tagung des Volks­kon­gres­ses in Peking vermied es Chinas Regie­rungs­chef Li Keqiang aber auf einer Presse­kon­fe­renz unver­än­dert weiter, Russland für die Invasi­on zu kriti­sie­ren. Auch sprach sich der Premier gegen die inter­na­tio­na­len Sanktio­nen gegen Russland aus. «Die betref­fen­den Sanktio­nen schaden der wirtschaft­li­chen Erholung der Welt», sagte Li Keqiang. «Niemand hat Inter­es­se daran.»

Niedrigs­tes Wachs­tums­ziel seit 30 Jahren

Die Jahres­ta­gung des chine­si­schen Parla­ments endete mit einer starken Steige­rung der Militär­aus­ga­ben und einem niedri­ge­ren, aber ambitio­nier­ten Wachs­tums­ziel für die zweit­größ­te Volks­wirt­schaft. Die knapp 3000 Delegier­ten in der Großen Halle des Volkes billig­ten erwar­tungs­ge­mäß den Wirtschafts­kurs der Regie­rung. In den wirtschaft­li­chen Unsicher­hei­ten auch durch den Ukrai­ne-Krieg gibt der Premier in diesem Jahr ein Wachs­tum von 5,5 Prozent vor.

Wegen der schlech­ten Weltkon­junk­tur, gestör­ter Liefer­ket­ten und Proble­men wie Immobi­li­en­krei­se oder Überschul­dung ist es das niedrigs­te Ziel seit drei Jahrzehn­ten. Es gilt aber als ehrgei­zig und liegt über den Erwar­tun­gen des Währungs­fonds (IWF), der in China nur mit 4,8 Prozent rechnet. 2021 hatte Chinas Wirtschaft um 8,1 Prozent zugelegt, was aber auch an der niedri­gen Vergleichs­ba­sis durch die Pande­mie im Vorjahr lag. Zum Jahres­en­de hatte das Wachs­tum deutlich nachge­las­sen. Der Premier kündig­te an, der Wirtschaft mit der Senkung von Steuern und Abgaben unter die Arme greifen.

Premier nennt Lage in der Ukrai­ne «wirklich beunruhigend»

Die Sitzung des Volks­kon­gres­ses war von Russlands Invasi­on in die Ukrai­ne überschat­tet. Hoffnun­gen, dass China seinen Einfluss auf seinen «strate­gi­schen Partner» Russlands geltend macht, um einen Waffen­still­stand oder eine Lösung zu errei­chen, wurden aber enttäuscht. Auch Premier Li Keqiang sagte nur, dass China «gemein­sam mit der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft eine aktive Rolle spielen» wolle. Er nannte die Lage in der Ukrai­ne «wirklich beunru­hi­gend». «Die drängen­de Aufga­be ist jetzt zu verhin­dern, dass die Spannun­gen eskalie­ren oder sogar außer Kontrol­le geraten.»

Während er mit Hinweis auf die Ukrai­ne einer­seits hervor­hob, dass die Souve­rä­ni­tät und terri­to­ria­le Integri­tät respek­tiert werden sollte, beton­te der Premier anderer­seits offen­bar mit Blick auf Russland, dass die «legiti­men Sicher­heits­in­ter­es­sen aller Länder berück­sich­tigt» werden müssten. Es sei jetzt wichtig, Russland und die Ukrai­ne bei ihren Verhand­lun­gen zu unterstützen.

Diplo­ma­ten und Exper­ten hoben hervor, dass China nicht wirklich zu einer Vermitt­lung bereit sei. «Nein, nicht für eine Sekun­de», sagte China-Exper­te Jude Blanchet­te vom Center of Strate­gic Studies (CSIS). «China ist nicht neutral. Chinas Unter­stüt­zung für Moskau ist still­schwei­gend an der Grenze zu eindeu­tig.» Chine­si­sche Offizi­el­le machten am Rande der Tagung auch deutlich, dass sich China lieber aus dem Konflikt heraus­hält, wie geschil­dert wurde.

Steige­rung der Verteidigungsausgaben

Vor dem Hinter­grund der Spannun­gen um das demokra­ti­sche Taiwan und mit den USA stimm­te der Volks­kon­gress für eine starke Steige­rung der Vertei­di­gungs­aus­ga­ben um 7,1 Prozent. Es ist der höchs­te Zuwachs seit drei Jahren. Die Gesamt­aus­ga­ben sollen hinge­gen nur um 3,9 Prozent wachsen. Auf der Jahres­ta­gung war auch die Entschlos­sen­heit Chinas zu einer «Wieder­ver­ei­ni­gung» mit Taiwan bekräf­tigt worden.

Peking betrach­tet das freiheit­li­che Taiwan nur als Teil der Volks­re­pu­blik und droht mit einer militä­ri­schen Erobe­rung. Die russi­sche Invasi­on hat Besorg­nis ausge­löst, dass China in Taiwan dem Beispiel Russlands in der Ukrai­ne folgen könnte. Mehre­re rangho­he frühe­re US-Regie­rungs­ver­tre­ter hatten vergan­ge­ne Woche Taiwan besucht, um angesichts der Ukrai­ne-Krise ein Zeichen der Unter­stüt­zung der USA zu senden.

Von Andre­as Landwehr und Jörn Petring, dpa