BERLIN (dpa) — Sie kam aus der Punk-Bewegung, Dylan vom Folk. Nun verbeugt sich Chris­sie Hynde mit einem Cover-Album vor dem König der Songdich­ter. Das Ergeb­nis: neun schöne Lieder, die Dylans Sperrig­keit umgehen.

Nicht ganz so eigen­wil­li­ge Künst­ler wie Chris­sie Hynde hätten die Veröf­fent­li­chung eines Albums mit Bob-Dylan-Cover­songs wohl anders platziert — also vor und nicht nach dem 80. Geburts­tag des US-Songpoe­ten am 24. Mai.

Dann wäre mehr Rampen­licht auch auf die neun Lieder gefal­len, die der Preten­ders-Front­frau ein echtes Herzens­an­lie­gen waren. Nun kommt «Standing In The Doorway — Chris­sie Hynde sings Bob Dylan» schein­bar etwas anlass­los auf den Markt.

Anderer­seits gibt es ja eigent­lich immer einen guten Anlass, Dylans Songs zu singen und in Ehren zu halten. Hynde tut dies zusam­men mit ihrem Preten­ders-Mitstrei­ter James Walbourne (Piano, Keyboards, Mando­li­ne, Gitar­ren, Begleit­ge­sang) sowie Meister­pro­du­zent Tchad Blake (Percussion/Keyboards).

Dazu noch etwas Gitar­re von der Chefin selbst und ihr wunder­bar warmer Gesang — mehr braucht es nicht, um Dylan-Klassi­ker («You’re A Big Girl Now», «Blind Willie McTell») und auch weniger bekann­te Stücke («Sweethe­art Like You», «Tomor­row Is A Long Time») zum Besten zu geben. Das klingt dann so, als hätten sich Hynde, Walbourne und Blake in einem gemüt­li­chen Keller­lo­kal getrof­fen, um bei überwie­gend balla­di­ger Trio-Hausmu­sik auf Dylan anzustoßen.

Die inzwi­schen fast 70 Jahre alte US-Punkpop-Vetera­nin war zuletzt sehr aktiv — mit einer grund­so­li­den Preten­ders-Reuni­on («Hate For Sale» von 2020) und einem schönen, leicht jazzi­gen Soloal­bum («Valve Bone Woe» von 2019). Zur Idee, sich der Folkrock-Ikone aus Duluth/Minnesota zu widmen, kam sie bei Dylans jüngs­tem Comeback.

«Ein paar Wochen nach dem ersten Lockdown im vorigen Jahr schick­te mir James den neuen Dylan-Song «Murder Most Foul» zu», erzähl­te Hynde über ihre Initi­al­zün­dung. «Als ich ihn hörte, änder­te sich alles für mich. Ich wurde sofort aus dieser mürri­schen Stimmung, in der ich mich befand, heraus­ge­ris­sen. (…) Also rief ich James an und sagte: «Lass uns ein paar Dylan-Cover machen» — und damit fing alles an.» Auf jeden Fall eine gute Idee — auch wenn Dylans Sperrig­keit diesen toll gesun­ge­nen und gespiel­ten Cover­ver­sio­nen völlig abgeht.

Von Werner Herpell, dpa