Die 107. Tour de France ist losge­rollt — mit Zuschau­ern am Straßen­rand und wieder mit schlim­men Stürzen. Emanu­el Buchmann hat die ersten kniff­li­gen Kilome­ter gut gemeis­tert, für Kolle­ge Degen­kolb ist das Abenteu­er bereits beendet. Gelb trägt Alaphilippe.

Der Weltklas­se­fah­rer entriss mit seinem Tages­sieg bei der 107. Tour de France dem norwe­gi­schen Auftakt­ge­win­ner Alexan­der Kristoff das Gelbe Trikot und erinner­te an seine Triumph­fahrt aus dem Vorjahr. Alle Tücken meister­te auch Deutsch­lands Radsport-Hoffnung Emanu­el Buchmann, der ohne weite­re Schram­men und ohne Zeitver­lust bei der ersten Kletter­par­tie zu den wenigen Gewin­nern am Auftakt-Wochen­en­de zählte. Für seinen Lands­mann John Degen­kolb ist dagegen das Abenteu­er in der sogenann­ten Tour-Blase nach einer Kniever­let­zung schon beendet.

Der Held des Sonntags war aber Alaphil­ip­pe, der elf Kilome­ter vor dem Ziel eine seiner unnach­ahm­li­chen Attacken starte­te und den Sprint einer dreiköp­fi­gen Gruppe vor dem Schwei­zer Marc Hirschi aus dem deutschen Sunweb-Team und dem Briten Adam Yates als Sieger über den Zielstrich auf der Prome­na­de des Anglais fuhr. Ähnlich hatte Alaphil­ip­pe vor einem Jahr auf der dritten Etappe trium­phiert und anschlie­ßend 14 Mal das Gelbe Trikot getragen.

So erleb­te die Tour einen spekta­ku­lä­ren Start, als ob die Umstän­de nicht schon spezi­ell genug wären. Wegen der Corona-Pande­mie hatten die Verant­wort­li­chen die Maßnah­men noch einmal verschärft. Zuschau­er — natür­lich nur mit Maske — durften am Straßen­rand stehen, doch Zehner-Reihen wie zu frühe­ren Zeiten waren passé. Der Start- und Zielbe­reich wurde außer­dem an den ersten beiden Tagen abgerie­gelt, nachdem die Infek­ti­ons­zah­len in den letzten Tagen rapide angestie­gen waren.

Die Fahrer leben indes in ihrer eigenen Tour-Welt. Und da kletter­te Buchmann problem­los die ersten Berge der ersten Katego­rie an der Seite der Top-Favori­ten um Vorjah­res­sie­ger Egan Bernal (Kolum­bi­en) und Vuelta-Champi­on Primoz Roglic (Slowe­ni­en) hinauf. Und auch sonst fühlt sich der Vorjah­res­vier­te zwei Wochen nach seinem schlim­men Sturz bei der Dauphi­né-Rundfahrt immer besser. «Ich spüre den Rücken kaum mehr», sagte Buchmann.

Das können nicht viele Kolle­gen von sich behaup­ten, nachdem es zum Auftakt zu einem regel­rech­ten Sturz-Chaos gekom­men war. Auf dem «Glatt­eis des Sommers» («L’Equi­pe») waren massen­haft Fahrer zu Boden gegan­gen. Der erste Regen nach vielen Sommer­wo­chen hatte die drecki­gen und teils mit einem Ölfilm bedeck­ten Straßen zu einer Eislauf­bahn verwandelt.

Das wurde auch Degen­kolb zum Verhäng­nis. Trotz «unfass­ba­rer Schmer­zen» quälte sich der 31-Jähri­ge am Samstag ins Ziel, verpass­te aber das Zeitli­mit um einige Minuten. Die Tour-Organi­sa­ti­on kannte keine Gnade und blieb beim Ausschluss. Degen­kolb, der am Sonntag schon im Flieger gen Heimat saß, konnte damit leben. «Für meine Gesund­heit ist es besser nach Hause zu fahren», sagte er.

Immer­hin zeigten die Röntgen­auf­nah­men keine Fraktur, wie etwa beim Teamkol­le­gen und Ex-Weltmeis­ter Philip­pe Gilbert, der sich die Knieschei­be brach und damit den schwar­zen Tag für das belgi­sche Lotto-Soudal-Team perfekt machte. Auch Mitfa­vo­ri­ten Thibaut Pinot erwisch­te es. Der Franzo­se, schon in der Vergan­gen­heit nicht gerade vom Glück geseg­net, erlitt neben Hautab­schür­fun­gen auch Verlet­zun­gen am Knie und der rechten Schul­ter und berich­te­te von «einem der schlimms­ten Tage meiner Karriere».

Und auch am Sonntag krach­te es. Dauphi­né-Sieger Daniel Marti­nez stürz­te genau­so wie Ex-Giro-Champi­on Tom Dumoulin und Buchmann-Helfer Lennard Kämna, den es nun schon dreimal zu Boden riss.

So rückte das Sturz-Thema wieder in den Mittel­punkt, nachdem tagelang die Corona-Sorgen den Tour-Start überschat­tet hatten. Auf politi­schen Druck musste die ASO dabei die Regelung wieder verschär­fen, wonach eine Mannschaft ausge­schlos­sen wird, wenn im gesam­ten Team inklu­si­ve Umfeld inner­halb von sieben Tagen zwei Corona-Positiv­fäl­le auftre­ten. Ursprüng­lich sollte dies nur die acht Fahrer eines Teams betreffen.

Und was passiert, wenn die Pande­mie in Frank­reich weiter ausufert? «Wir müssen uns immer der Situa­ti­on anpas­sen und entspre­chend Entschei­dun­gen treffen», sagte der auch für den Sport zustän­di­ge Minis­ter Jean-Michel Blanquer bei seinem Kurzbe­such. Momen­tan sei die Hypothe­se eines Tour-Abbruchs «sehr schwach», sagte Blanquer und schob nach: «Aber es ist immer alles möglich.»

Das ist aber noch kein Thema. Am Montag geht es mit der dritten Etappe über 198 Kilome­ter von Nizza nach Siste­ron fortge­setzt. Dort könnten die Sprin­ter eine Chance auf den Tages­sieg erhalten.