STUTTGART (dpa/lsw) — Am 3. April fallen im Südwes­ten die Masken und die 3G-Regeln — trotz hoher Inziden­zen. Kretsch­mann hält das für falsch. Und sieht die Verant­wor­tung für die Pande­mie-Politik ab dem Moment beim Bund.

In Baden-Württem­berg fallen ab 3. April die meisten Corona-Schutz­maß­nah­men weg. Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann sieht durch das neue Infek­ti­ons­schutz­ge­setz des Bundes keine recht­li­che Grund­la­ge mehr für eine landes­wei­te Verlän­ge­rung der Masken­pflicht und Zugangs­be­schrän­kun­gen. Er halte das angesichts der hohen Inziden­zen zwar für falsch, den Ländern die Instru­men­te im Kampf gegen die Pande­mie wegzu­neh­men. Aber: «Ich habe es nicht zu verant­wor­ten», sagte der Grünen-Politi­ker am Diens­tag in Stutt­gart. «Ab dem Zeitpunkt übernimmt der Bund die Verant­wor­tung für die Pande­mie.» Er sei dann nicht mehr zustän­dig. Von den landes­wei­ten Corona-Aufla­gen dürfte zunächst noch die Masken­pflicht in Bussen und Bahnen übrig bleiben.

Kretsch­mann schließt Aufla­gen in regio­na­len Hotspots nicht aus

Auch regio­nal schär­fe­re Aufla­gen für bestimm­te Hotspots stünden nach der Übergangs­frist 2. April zunächst nicht an, sagte Kretsch­mann. «Im Moment sind wir von einer Überlas­tung der Kranken­häu­ser und Inten­siv­sta­tio­nen noch weit entfernt. Insofern müssen die Leute nicht damit rechnen, dass wir im Moment zu Hotspot-Regelun­gen kommen.» Er schloss aber nicht aus, zu regio­na­len Einschrän­kun­gen wie Masken in Innen­räu­men oder 3G-Zugangs­re­geln zu greifen, wenn die Pande­mie sich wieder zuspit­ze. «Notfalls werden wir das machen.»

Aller­dings sei die gesetz­li­che Grund­la­ge des Bundes auch für diese Maßnah­me so wacklig, dass man es kaum umset­zen könne. Gedacht sind die schär­fe­ren Hotspot-Regeln eher für lokal begrenz­te, bedroh­li­che Infek­ti­ons­la­gen und eine Überlas­tung der Klini­ken. Darüber müsste der Landtag entschei­den. Kretsch­mann hatte am Montag­abend im SWR gesagt: «Diese Hotspots, die stehen auf dem Papier, aber die sind nicht rechts­si­cher anwen­dungs­fä­hig.» Er ergänz­te: «Das ist handwerk­lich so schlecht gemacht, dass wir damit nichts anfan­gen können.»

In der grün-schwar­zen Koali­ti­on war nach dpa-Infor­ma­tio­nen erwogen worden, nach der Übergangs­pha­se das ganze Land zum «Hotspot» zu erklä­ren. Kretsch­mann sagte aller­dings: «Das Land zu einem Hotspot zu erklä­ren, hatte ich noch niemals vor.» Der 73 Jahre alte Regie­rungs­chef erneu­er­te seine Kritik am Bund, der den Ländern die Schutz­maß­nah­men mitten in der Omikron-Welle aus der Hand nehme. Jeder könne sehen, dass es noch brennt, da schmei­ße man doch nicht den Feuer­lö­scher weg.

Kretsch­mann wirft Scholz Wortbruch vor

Kretsch­mann kriti­sier­te erneu­te Kanzler Olaf Scholz (SPD), der sich nicht an die Zusage in der vorletz­ten Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz gehal­ten habe, die Länder bei der Novel­le des Geset­zes einzu­bin­den. «Warum der Bund das macht, ist mir unerfind­lich.» Es seien «keine guten und ratio­na­len Gründe erkenn­bar». Der Bund müsse nun auch die Konse­quen­zen tragen. «Die Verant­wor­tung liegt nicht mehr bei den Ländern, das will ich klipp und klar sagen.» Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) sei zwar sehr kompe­tent darin zu warnen, aber bei der Umset­zung hapere es.

Erste Länder berei­ten länge­re Schutz­maß­nah­men vor

Am Samstag waren im Südwes­ten die monate­lang gelten­den Kontakt­be­schrän­kun­gen und auch Kapazi­täts­gren­zen für Veran­stal­tun­gen komplett wegge­fal­len. Zuvor hatten Bundes­tag und Bundes­rat das neue Infek­ti­ons­schutz­ge­setz auf Vorschlag der Ampel-Regie­rung beschlos­sen. Wie alle anderen Bundes­län­der nutzt Baden-Württem­berg seitdem die Übergangs­re­gel im neuen Gesetz, um die Masken­pflicht und Zugangs­be­schrän­kun­gen bis zum 2. April aufrecht­erhal­ten zu können.

Wegen hoher Infek­ti­ons­zah­len berei­ten erste Länder länge­re Schutz­auf­la­gen vor. In Mecklen­burg-Vorpom­mern mit der aktuell höchs­ten Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 2400 sollen wesent­li­che Maßnah­men wie die Masken­pflicht in Innen­be­rei­chen und Testvor­ga­ben für Ungeimpf­te in der Gastro­no­mie bis zum 27. April fortdau­ern. Auch Hamburg will die Masken­pflicht in Innen­räu­men über den 2. April hinaus fortset­zen. Bayern ließ vorerst offen, wie es mit den Corona-Regeln nach dem 2. April weitergeht.

Impfpflicht-Befür­wor­ter Kretsch­mann sieht Felle davonschwimmen

Kretsch­mann befürch­tet, dass die allge­mei­ne Impfpflicht gegen das Corona­vi­rus doch nicht kommen wird. «Daran darf man — wie es so aussieht — einige Zweifel haben», sagte der Grüne im SWR. «Es sieht im Moment nicht so aus, als ob sich der Bundes­tag da auf eine Linie einigen kann. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.»

Kretsch­mann hatte sich Ende Novem­ber — mitten in der vierten Corona-Welle — für eine rasche Umset­zung einer allge­mei­nen Impfpflicht ausge­spro­chen. Während die Regie­rungs­chefs der Länder einhel­lig dafür plädie­ren, gehen im Bundes­tag die Meinun­gen stark ausein­an­der. Die Ansich­ten gehen quer durch die Fraktio­nen, es ist im Moment unsicher, ob sich ein Antrag für eine Impfpflicht durchsetzt.

Mehr als 30.000 Neuin­fek­tio­nen im Südwesten

In Baden-Württem­berg grassiert derweil weiter das Virus, das Landes­ge­sund­heits­amt melde­te zuletzt mehr als 30 000 neue Infek­tio­nen. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf über 1950 Anste­ckun­gen je 100.000 Einwoh­ner. Die tatsäch­li­che Inzidenz dürfte jedoch wegen einer nach wie vor hohen Dunkel­zif­fer deutlich höher sein.

Von Henning Otte, dpa