Mehr als 53.000 Corona-Neuin­fek­tio­nen an einem Tag haben die briti­schen Behör­den jüngst gemel­det — Rekord seit Beginn der Pande­mie. Das hat Folgen für Patien­ten und Pflege­per­so­nal. Berich­te von Medien und Augen­zeu­gen ergeben das Bild einer schwe­ren Krise.

Die Kranken­häu­ser sind voll, das Perso­nal am Anschlag: Rekord­wer­te bei Neuin­fek­tio­nen und Corona-Patien­ten treiben das briti­sche Gesund­heits­sys­tem an seine Grenzen.

Vor einigen Notauf­nah­men stauten sich Rettungs­wa­gen, wie briti­sche Medien am Diens­tag berich­te­ten. Ein Mitar­bei­ter eines Kranken­hau­ses in der südost­eng­li­schen Grafschaft Kent berich­te­te, dass manche Patien­ten bis zu sechs Stunden auf eine Ambulanz warten müssten. Nun erwägen einige Klini­ken sogar, Triage-Zelte vor den Eingän­gen aufzu­stel­len, auch um den Zustrom der Patien­ten besser zu kontrollieren.

Die Zahl der Corona-Fälle steigt weiter steil an: Am Diens­tag melde­ten die Behör­den 53.135 Neuin­fek­tio­nen — ein deutli­cher Anstieg zum bishe­ri­gen Rekord vom Vortag. Außer­dem werden derzeit mehr Corona-Patien­ten in Kranken­häu­sern behan­delt als zum bishe­ri­gen Höhepunkt im Frühling. Vor allem eine neue Varian­te des Corona­vi­rus wird für die rasant steigen­den Neuin­fek­tio­nen verant­wort­lich gemacht. Premier­mi­nis­ter Boris Johnson hatte kurz vor Weihnach­ten gesagt, die Mutati­on sei hoch anste­ckend und verbrei­te sich rasch.

Beson­ders betrof­fen sind bisher London und Südeng­land. In diesen Gegen­den gilt seit gut einer Woche eine neue höchs­te Corona-Warnstu­fe: Millio­nen Menschen dürfen keine Besuche empfan­gen und sollen ihre Häuser nur in wichti­gen Fällen wie Arbeit oder Arztbe­su­chen verlas­sen. Aber auch in anderen Landes­tei­len gelten starke Einschrän­kun­gen des priva­ten und öffent­li­chen Lebens.

Der Chef des briti­schen Gesund­heits­diensts NHS, Simon Stevens, dankte dem Klinik- und Pflege­per­so­nal für den Dauer­ein­satz. «Viele von uns haben Verwand­te, Freun­de und Kolle­gen verlo­ren. Und in einer Zeit, in der wir feiern würden, fühlen sich viele Menschen verständ­li­cher­wei­se ängst­lich, frustriert und ausge­laugt», sagte Stevens in einer am Diens­tag veröf­fent­lich­ten Video­bot­schaft. «Und ausge­rech­net jetzt sind wir wieder im Auge des Sturms, der mit einer zweiten Corona-Welle durch Europa und auch durch unser Land fegt.»

Die Chefin der Ärzte­ver­ei­ni­gung Doctors’ Associa­ti­on UK, Saman­tha Batt-Rawden, schrieb auf Twitter, das Pflege­per­so­nal leiste seit Monaten Extra-Arbeit. «Viele haben ihr Weihnachts­fest abgesagt, um sich freiwil­lig für zusätz­li­che Schich­ten zu melden. Aber die Wahrheit ist, dass viele völlig am Ende sind.» Der Notfall­me­di­zi­ner Simon Walsh von der Ärzte­or­ga­ni­sa­ti­on British Medical Associa­ti­on sagte, viele Klini­ken arbei­te­ten bereits im Ausnah­me­mo­dus. «Sie haben es mit Warte­schlan­gen von Kranken­wa­gen außer­halb vieler Notauf­nah­men zu tun, oft mit Patien­ten, die viele Stunden in den Ambulan­zen saßen, weil einfach kein Platz für sie vorhan­den ist.»

NHS-Chef Stevens beton­te, die Hoffnung liege nun auf der Massen­imp­fung gegen Corona, mit der Großbri­tan­ni­en vor drei Wochen begon­nen hatte. Einge­setzt wird das Mittel des Mainzer Pharma­un­ter­neh­mens Biontech und des US-Konzerns Pfizer. Für den vollen Impfschutz sind zwei Dosen pro Person nötig. Nun erhiel­ten die ersten Patien­ten ihre zweite Impfung, darun­ter die 91-jähri­ge Marga­ret Keenan, die am 8. Dezem­ber als erste geimpft worden war.

In Kürze wird auch die Zulas­sung eines Impfstoffs erwar­tet, den das britisch-schwe­di­sche Unter­neh­men Astra­ze­ne­ca gemein­sam mit der Univer­si­tät Oxford entwi­ckelt hat. Die Prüfung laufe noch, teilte die zustän­di­ge briti­sche Aufsichts­be­hör­de am Diens­tag auf Anfra­ge mit.

Stevens sagte, er rechne damit, dass im späten Frühling alle gefähr­de­ten Menschen im Land geimpft sein könnten. «Das ist vielleicht der größte Hoffnungs­schim­mer für das kommen­de Jahr.»

Wegen der schwie­ri­gen Gesund­heits­la­ge werden Forde­run­gen nach einer länge­ren Schlie­ßung der Schulen nach den Weihnachts­fe­ri­en lauter. Es sei nicht sicher, die Schulen wie geplant an diesem Montag (4. Januar) zu öffnen, sagte Zubai­da Haque vom wissen­schaft­li­chen Exper­ten­gre­mi­um Sage dem Fernseh­sen­der ITV. «Kinder müssen in die Schule gehen, aber sie müssen auf eine siche­re Schule gehen.»

Geplant sind zudem Massen­tests von Schülern und Studen­ten. Hierbei setzt die Regie­rung auf die Hilfe des Militärs. 1500 Armee­an­ge­hö­ri­ge sollen die jungen Leute unter­stüt­zen, wie das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um in London mitteil­te. Aller­dings wird der Großteil über das Telefon oder das Inter­net Hilfe leisten. Schüler und Studen­ten sollen sich unter Aufsicht selbst testen.