MANNHEIM (dpa/lsw) — Dass die Landes­re­gie­rung in der Corona-Pande­mie Geschäf­te und Fitness­stu­di­os geschlos­sen hat, stopp­te der Verwal­tungs­ge­richts­hof in Eilver­fah­ren nicht. Auch nach gründ­li­che­rer Betrach­tung sieht er die Politik im Recht. Das Mannhei­mer Gericht moniert aber etwas anderes.

Die baden-württem­ber­gi­schen Corona-Verord­nun­gen im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 waren wegen der Art und Weise, wie die Landes­re­gie­rung sie verkün­det hat, zwischen­zeit­lich formell rechts­wid­rig. Dass Geschäf­te und Einrich­tun­gen zu Beginn der Pande­mie geschlos­sen wurden, war nach Angaben des Verwal­tungs­ge­richts­hofs (VGH) in Mannheim aber in Ordnung. Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um kündig­te nach der Kritik der obers­ten Verwal­tungs­rich­ter des Landes an, die Bestim­mun­gen zur Ausfer­ti­gung und Verkün­dung von Verord­nun­gen «mit Blick auf die fortschrei­ten­de Digita­li­sie­rung zu modernisieren».

Der VGH hatte moniert, dass die Corona-Verord­nung vom 17. März 2020 sowie die nachfol­gen­den Änderungs­ver­ord­nun­gen im Inter­net notver­kün­det worden waren, ohne dass die Dokumen­te mit Unter­schrift unter anderem des Minis­ter­prä­si­den­ten vorla­gen. Das habe nicht den Anfor­de­run­gen an eine wirksa­me Ausfer­ti­gung genügt. Ausge­fer­tig­te Origi­nal­ur­kun­den habe es jeweils erst wenige Tage später gegeben.

Ab dem Zeitpunkt der Verkün­dung im Gesetz­blatt sei der formell-recht­li­che Fehler geheilt worden, teilte der VGH mit. «Eine rückwir­ken­de Heilung des Mangels trat hinge­gen nicht ein.»

FDP-Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke kriti­sier­te, die Regie­rung habe ihre Hausauf­ga­ben offen­sicht­lich nicht gemacht. «Durch dieses stümper­haf­te Verwal­tungs­han­deln droht nun mögli­cher­wei­se eine Klage­wel­le der Betrof­fe­nen, die Entschä­di­gun­gen bezie­hungs­wei­se Schadens­er­satz­an­sprü­che geltend machen», teilte er mit. «Diese Suppe, die sich die Regie­rung selbst durch überflüs­si­ge Fehler einge­brockt hat, hätte dann der Steuer­zah­ler auszulöffeln.»

Geklagt hatten ein Fitness­stu­dio (Az.: 1 S 926/20), ein Inhaber von drei Restau­rants (1 S 1067/20) und ein Betrei­ber von Parfü­me­rien (1 S 1079/20). Sie wollten feststel­len lassen, dass die Schlie­ßung ihrer Betrie­be im ersten Lockdown rechts­wid­rig war, um Schaden­er­satz- und Entschä­di­gungs­an­sprü­che geltend machen zu können.

Eilan­trä­ge hatte der VGH im April 2020 zurück­ge­wie­sen und nun in den Haupt­sa­che­ver­fah­ren entschie­den. Die Corona-Verord­nun­gen beruh­ten aus Sicht der obers­ten Verwal­tungs­rich­ter Baden-Württem­bergs auf einer ausrei­chen­den Rechts­grund­la­ge und verletz­ten die Inhaber der geschlos­se­nen Betrie­be nicht in ihren Grund­rech­ten. Nach dem Infek­ti­ons­schutz­ge­setz durften demnach Maßnah­men gegen­über der Allge­mein­heit erlas­sen werden. Es komme nicht darauf an, ob es in den Betrie­ben der Kläge­rin­nen zu Infek­tio­nen mit dem Corona­vi­rus kam.

«Die Urtei­le haben eine über die drei Einzel­fäl­le hinaus­ge­hen­de Bedeu­tung, da es sich um die ersten Haupt­sa­che­ent­schei­dun­gen zum Lockdown des Frühjahrs 2020 in Baden-Württem­berg handelt und bundes­weit Entschei­dun­gen des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts und des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Recht­mä­ßig­keit des ersten Lockdowns noch nicht vorlie­gen», teilte der VGH mit. In allen drei Verfah­ren wurde die Revisi­on zum Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt zugelassen.

Eine Spreche­rin des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums erklär­te: «Der VGH hat die Betriebs­schlie­ßun­gen in der ersten Welle der Corona-Pande­mie als verhält­nis­mä­ßig und damit als recht­mä­ßig bestä­tigt.» Er habe die Schutz­maß­nah­men nicht beanstan­det. «Sie waren vielmehr geeig­net und erfor­der­lich, um die Verbrei­tung der Pande­mie einzu­däm­men und den Gesund­heits­schutz der Bevöl­ke­rung zu gewährleisten.»