Not macht ja bekannt­lich erfin­de­risch. Und so haben auch viele Züchter und Verkäu­fer von Martins­gän­sen in der Corona-Krise neue Geschäfts­mo­del­le entwi­ckelt. Doch der Branche stellen sich viele Probleme.

541 Betrie­be mit 18 212 Gänsen gab es nach der jüngs­ten Erhebung des Statis­ti­schen Landes­amts im Jahr 2016 im Südwes­ten. In der Regel hätten diese um die 500 Gänse, sagte Futterknecht.

Einer von ihnen ist Fried­rich Haag vom Teger­hof in Stutt­gart. Nur 15 Prozent seiner Tiere gingen an die Gastro­no­mie, die Mehrzahl in den Direkt­ver­kauf. Außer­dem koope­rie­re der Hof nun mit einem Gasthaus: «Die bieten Gans to go mit unseren Gänsen, im Gegen­zug verkau­fen wir deren Knödel, Kraut und Soße bei uns im Laden», so Haag. Die Vorbe­stel­lun­gen liefen gut an. Gute Nachrich­ten in Zeiten, in denen reihen­wei­se Weihnachts­fei­ern abgesagt werden.

Ähnlich klingt Frank Schäfer vom Restau­rant Tauber­quel­le, das mit einem anderen Bauern zusam­men­ar­bei­tet. Zehn Anfra­gen pro Tag nach Gans-to-go-Menüs verzeich­ne er. Eine knusp­rig gebra­te­ne Gans für vier Perso­nen mit zweier­lei Knödel, Apfel­rot­kraut, glacier­ten Maronen und einer kräfti­gen Gänse­so­ße bietet er für 130 Euro an. «Auskömm­lich ist das aber nicht», sagte er. Doch man müsse in der jetzi­gen Situa­ti­on zufrie­den sein. Richtig losge­hen wird es mit den Bestel­lun­gen — so die Hoffnung — um den Martins­tag, den 11. November.

Hoffen ist auch bei Phillip Bauerle von Bauerles Besen in Fellbach angesagt: Mit Tausen­den Tieren zählt der Betrieb zu den größten Gänse­züch­tern im Land. Weil mit der Pande­mie schon im Frühjahr, als die Vögel in den Stall kamen, Proble­me für das Jahres­en­de abseh­bar waren, habe er rund 2000 Tiere weniger als sonst. Dennoch werden es am Ende wohl um die 1000 zu viel sein, schätzt er.

Das Problem: Die Tiere ins nächs­te Jahr zu überneh­men, sei nicht sinnvoll, machte Bauerle deutlich. Das Fleisch werde härter, schme­cke nicht mehr so gut. Auch Verbands­frau Futter­knecht sagte: «Die Tiere sind hochge­züch­tet und nicht ausge­legt darauf, alt zu werden.»

Zudem würden Gänse mit der Geschlechts­rei­fe aggres­si­ver und die Flächen brauch­ten Zeit zum Regene­rie­ren, für eine neue Saat, so Bauerle. Friere man das Fleisch ein, seien sie maximal ein halbes Jahr haltbar. «Und nach Weihnach­ten will auch keiner mehr Gans.» Zudem sei der deutsche Markt inzwi­schen auf frische Ware gepolt und nicht mehr so stark für früher auf Tiefkühl­kost, sagte Futter­knecht. Im Zweifel will Bauerle die Preise senken, um am Ende möglichst nichts wegwer­fen zu müssen. «Das sind alles ganz schlech­te Optionen.»

Auch sein Famili­en­be­trieb setze daher auf Abhol- und Liefer­ser­vice, gare einen Teil der Produk­ti­on vor und vakuum­ie­re das Fleisch. Ein weite­rer Versuch sei, mehr über Einzel­händ­ler zu verkau­fen als in anderen Jahren. Und er hoffe darauf, dass die betriebs­ei­ge­ne Gastwirt­schaft im Dezem­ber wieder öffnen können. «Wir können im Moment gar nicht planen, das macht es schwie­rig», sagte Bauerle.

Das hat auch Folgen für sieben Mitar­bei­ter, die zum Schlach­ten aus der Region, aber auch aus dem Ausland gekom­men sind: Statt fünf- bis sechs­mal die Woche werde im Moment nur viermal geschlach­tet. «Und das auch nur einen halben Tag», so Bauerle. «Ich gehe davon aus, dass wir mit den Gänsen vermut­lich dieses Jahr kein Geld machen werden.»

An vielen Plänen B werde angesichts der Ungewiss­heit gearbei­tet, sagte auch Futter­knecht vom Verband. Die Landwir­te fühlten sich von der Politik vernach­läs­sigt, weil Hilfen erst mal nur für die Gastro­no­mie gezahlt würden. «Die Zulie­fe­rer bleiben auf der Strecke.»

Zu Schlie­ßun­gen der Restau­rants kämen aber auch die coronabe­ding­ten Kontakt­be­schrän­kun­gen, machte Futter­knecht deutlich: «Zu Hause sitzen nur noch vier Leute am Tisch. Die Großfa­mi­lie fehlt.» Da sei eine fünf Kilo schwe­re Gans mitun­ter zu viel. Das Zuberei­ten sei auch nicht jeder­manns Sache. Wer die Gans einfach in den Ofen schie­be, bekom­me am Ende zähes Fleisch. «Dann ist auch keiner glück­lich.» Durch asiati­sche Küche seien viele außer­dem den Geschmacks­ver­stär­ker Glutamat gewöhnt. Eine selbst gemach­te Gans werde dann vielleicht nicht so knusp­rig und schme­cke nicht. «Da ist Frust vorprogrammiert.»