BERLIN (dpa) — Das 9‑Euro-Ticket lockt viele neue Fahrgäs­te in Busse und Bahnen. Forde­run­gen nach einer Anschluss­lö­sung werden lauter, auch Verkehrs­mi­nis­ter Wissing hat Ideen.

Das 9‑Euro-Ticket ist angesichts der hohen Nachfra­ge aus Sicht der Verkehrs­bran­che bereits jetzt ein Erfolg — umso dring­li­cher stellt sich die Frage, wie es nach dem Ende der Aktion im Öffent­li­chen Perso­nen­nah­ver­kehr (ÖPNV) weiter gehen soll.

Ein Vorschlag von Bundes­ver­kehrs­mi­nis­ter Volker Wissing (FDP), das Tarif­sys­tem dauer­haft zu verein­fa­chen, stieß am Montag unter anderem auf Zuspruch des Städte- und Gemeindebunds.

Es geht um eine Anschlussregelung

«Die ersten Wochen zeigen, dass das 9‑Euro-Ticket durch­aus erfolg­reich war. Dazu trägt neben dem günsti­gen Preis sicher­lich auch die einheit­li­che Tarif­struk­tur maßgeb­lich bei», sagte Haupt­ge­schäfts­füh­rer Gerd Lands­berg den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Montag). «Deshalb müssen wir darüber nachden­ken, perspek­ti­visch ein bundes­weit gülti­ges, einheit­li­ches und vergüns­tig­tes Ticket folgen zu lassen.»

Die Grünen-Vorsit­zen­de Ricar­da Lang sagte, das 9‑Euro-Ticket sei «ein riesen­gro­ßer Erfolg» und sie haben sich sehr gefreut über den Vorstoß von Wissing für eine dauer­haft einfa­che Tarif­struk­tur. Sie fände es insge­samt wünschens­wert, wenn die Bundes­re­gie­rung eine gute Anschluss­re­ge­lung finden würde.

Das 9‑Euro-Ticket berech­tigt Käufe­rin­nen und Käufer, für jeweils 9 Euro in den Monaten Juni, Juli und August im Öffent­li­chen Perso­nen­nah­ver­kehr (ÖPNV) durch ganz Deutsch­land zu fahren. Mit Blick auf die Zeit danach hat Minis­ter Wissing sich am Wochen­en­de dafür ausge­spro­chen, den «Tarif-Dschun­gel» im Nahver­kehr dauer­haft zu besei­ti­gen. Bislang gelten in den Dutzen­den Verkehrs­ge­bie­ten in Deutsch­land unter­schied­li­che Tarife und Bestimmungen.

Branchen­krei­se verwei­sen bei solchen Vorschlä­gen stets auf die Frage der Finan­zie­rung. Schließ­lich entge­hen den Verkehrs­un­ter­neh­men im ÖPNV allein durch die 9‑Euro-Ticket-Aktion Milli­ar­den­ein­nah­men. Die Sonder­fahr­kar­te wird mit 2,5 Milli­ar­den Euro vom Bund finanziert.

Wie soll die Finan­zie­rung funktionieren?

Hinzu komme, dass auch für die Unter­neh­men die wirtschaft­li­che Lage angesichts der steigen­den Preise für Energie, Kraft­stof­fe und Perso­nal immer schwie­ri­ger werde, teilte am Montag der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Verbands Deutscher Verkehrs­un­ter­neh­men (VDV), Oliver Wolff, mit. «Wir brauchen daher immer drängen­der Lösun­gen zur Kompen­sa­ti­on dieses Anstiegs, sonst drohen deutli­che Tarif­stei­ge­run­gen oder gar, dass erste ÖPNV-Linien­an­ge­bo­te einge­schränkt werden müssen.»

Der VDV und die Deutsche Bahn lassen jede Woche rund 6000 Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher zum 9‑Euro-Ticket befra­gen. Manche Fragen richten sich dabei ausschließ­lich an Inhaber der Sonder­fahr­kar­te. Allmäh­lich zeige sich dabei die deutlich gestie­ge­ne Nachfra­ge im ÖPNV, hieß es am Montag. Demnach gaben bei der jüngs­ten Umfra­ge rund 20 Prozent der befrag­ten Käufe­rin­nen und Käufer des Tickets an, zuvor den ÖPNV fast nie genutzt zu haben.

Zudem lade das 9‑Euro-Ticket zu Fahrten ein, die ohne das Angebot gar nicht erst unter­nom­men worden wären. Rund 25 Prozent der befrag­ten Käufe­rin­nen und Käufer äußer­ten sich entspre­chend. «Diese deutli­che Erhöhung der Nachfra­ge ist mit Blick auf den Klima­schutz und die Belas­tun­gen des Systems kritisch zu hinter­fra­gen», teilte VDV-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Oliver Wolff mit. Grünen-Chefin Lang sagte, das günsti­ge Ticket sei ursprüng­lich als Entlas­tung wegen der allge­mei­nen Preis­stei­ge­rung gedacht gewesen. Wenn jetzt über langfris­ti­ge Lösun­gen nachge­dacht werde, müssen man immer auch «den Klima­schutz mitden­ken». Deshalb müsse erst einmal heraus­ge­fun­den werden, wie viele der Menschen, die das günsti­ge Angebot nutzen, tatsäch­lich auf Fahrten mit dem Auto verzich­tet hätten.

Insge­samt hätten im Juni mehr als 30 Millio­nen Menschen das Ticket beses­sen, teilte Wolff weiter mit. Ähnlich hoch werde das Inter­es­se auch im Juli sein. «Dieser gemein­sa­me Erfolg aus Politik und Branche erhöht jedoch auch den Druck mit Blick auf die Zeit danach – sowohl, was die Preise, vor allem aber was die Leistungs­kos­ten angeht», hieß es.