LOS ANGELES (dpa) — Frauen­power, posthu­me Ehrung und eine Netflix-Premie­re? Die 93. Oscar-Verlei­hung könnte mit Alters­re­kor­den und bahnbre­chen­den Gewin­nern Filmge­schich­te schreiben.

Bei den 93. Acade­my Awards könnte es einige Rekor­de und längst überfäl­li­ge Gewin­ner geben. Mögli­cher­wei­se feiert am Ende sogar Brad Pitt im Hinter­grund mit. Ein Überblick:

FRAUENPOWER: Zieht Chloé Zhao mit Walt Disney gleich?

Schon vor der Preis­ver­lei­hung schreibt Chloé Zhao (39) mit ihrem Film «Nomad­land» Oscar-Geschich­te. Die in Peking gebore­ne Filme­ma­che­rin ist die erste nicht-weiße Frau, die in der Sparte «Beste Regie» nominiert wurde. Sie ist außer­dem die erste Frau, die in einem Jahr vier Oscar-Chancen hat: als Regis­seu­rin, für den besten Schnitt, das beste adaptier­te Drehbuch und als Produ­zen­tin in der Katego­rie «Bester Film». Gewinnt Zhao alle vier Oscars, dann zieht sie mit dem bishe­ri­gen Rekord­hal­ter Walt Disney (1901–1966) gleich. Die Zeichen­trick­le­gen­de holte 1954 vier Trophä­en, darun­ter in den Sparten Dokumen­tar­film und animier­ter Kurzfilm — ein Meilen­stein für eine Einzel­per­son in einem Jahr. Zhao gilt als Top-Favori­tin für den Regie­preis. Bislang ist Kathryn Bigelow («Tödli­ches Komman­do — The Hurt Locker», 2010) die einzi­ge oscar­prä­mier­te Regisseurin.

POSTHUME EHRUNG: Wird Chadwick Boseman der Dritte?

Acht Monate nach seinem Tod könnte «Black Panther»-Star Chadwick Boseman den Oscar als bester Haupt­dar­stel­ler gewin­nen. Der im August mit 43 Jahren an Krebs gestor­be­ne Afroame­ri­ka­ner ist für seine letzte Rolle als Jazz-Trompe­ter in dem Drama «Ma Rainey’s Black Bottom» nominiert. Erst zwei Darstel­ler erhiel­ten posthum einen Oscar: Peter Finch für seine Haupt­rol­le in «Network» (1976) und Heath Ledger für seine Neben­rol­le als diabo­li­scher Joker in «The Dark Knight» (2009). In der Oscar-Geschich­te wurden vor Boseman eine Frau (Jeanne Eagels, 1930) und sechs Männer, darun­ter James Dean und Spencer Tracy, nach ihrem Tod für einen Schau­spiel-Oscar nominiert. Boseman wurde kürzlich bereits bei den Golden Globes und den SAG Awards des US-Schau­spie­ler­ver­bands posthum gefeiert.

OSCAR-SENIOR: Stellt Antho­ny Hopkins einen Alters­re­kord auf?

Noch hat Chris­to­pher Plummer den Titel inne als ältes­ter, männli­cher Schau­spie­ler, der je einen Oscar gewann. 2012 holte der damals 82-jähri­ge Kanadi­er den Oscar für die beste Neben­rol­le in dem Drama «Begin­ners». Jetzt könnte Antho­ny Hopkins mit 83 Jahren den Alters­re­kord schla­gen. Der briti­sche Star ist als bester Haupt­dar­stel­ler in dem Drama «The Father» nominiert. Darin glänzt er als starr­köp­fi­ger Mann mit begin­nen­der Demenz.

Knapp 30 Jahre ist es her, dass Hopkins seine erste Oscar-Nominie­rung gleich zu einer Trophäe machte. Als psycho­pa­thi­scher Hanni­bal Lecter in «Das Schwei­gen der Lämmer» holte er 1992 den Oscar als bester Haupt­dar­stel­ler. Es folgten weite­re vier Nominie­run­gen (ohne Gewinn). Mit einem Sieg für «The Father» hätte Hopkins die Nase als ältes­ter oscar­prä­mier­ter Haupt­dar­stel­ler deutlich vorn. Dieser Titel gehört jetzt noch Henry Fonda. Kurz vor seinem Tod mit 76 Jahren gewann er den «Best Actor»-Oscar für das Drama «Am golde­nen See» (1982).

PECHSTRÄHNE: Bleibt Glenn Close die ewige Verliererin?

Holly­wood­le­gen­de Glenn Close (74) könnte im achten Anlauf mit ihrer Neben­rol­le in «Hillbil­ly Elegy» ihren ersten Oscar holen. Seit ihrer ersten Nominie­rung für «Garp und wie er die Welt sah» 1983 war sie sieben Mal leer ausge­gan­gen. Schon jetzt ist Close Holly­woods Schau­spie­le­rin mit der größten Pechsträh­ne, gefolgt von Deborah Kerr, Thelma Ritter und Amy Adams mit je sechs Oscar-Schlap­pen. Eine weite­re Enttäu­schung bei den 93. Acade­my Awards würde Close mit dem legen­dä­ren «Lawrence von Arabien»-Star Peter O’Too­le (1932–2013) gleich­stel­len. Der irische Schau­spie­ler war in seiner langen Laufbahn achtmal für einen Oscar im Rennen, gewann aber nie.

Sollte Close in diesem Jahr den Oscar bekom­men, dann gelingt ihr das mit einer völlig ungla­mou­rö­sen Rolle: In «Hillbil­ly Elegy» ist sie als die stren­ge Großmutter Mamaw mit grauer Perücke, flecki­ger Haut und schlam­pi­gen Pullovern kaum zu erkennen.

STARS IM HINTERGRUND: Welche Promis fiebern als Produ­zen­ten mit?

Das Einwan­der­erdra­ma «Minari — Wo wir Wurzeln schla­gen» von Lee Isaac Chung hat äußerst promi­nen­te Unter­stüt­zung: Holly­wood­star Brad Pitt gehört mit zu den Produ­zen­ten und drückt dem Drama um eine korea­ni­sche Familie in den USA sicher fest die Daumen. Auch bei «Promi­sing Young Woman», wo Carey Mulligan übergrif­fi­gen Männern eine Lekti­on erteilt, gehört eine promi­nen­te Schau­spie­le­rin zum Produ­zen­ten-Team: Margot Robbie («Birds of Prey: The Emanci­pa­ti­on of Harley Quinn»). Beson­ders gute Chancen könnte aller­dings Frances McDor­mand haben. Die 63-Jähri­ge ist nicht nur als Schau­spie­le­rin für «Nomad­land» nominiert, sondern könnte auch als eine der Haupt-Produ­zen­tin­nen einen Oscar gewin­nen — wenn das Drama als bester Film die wichtigs­te Auszeich­nung des Abends bekommt.

NETFLIX-HÖHENFLUG: Toppt der Strea­ming­dienst seinen Erfolg?

Wirklich verwun­der­lich ist es nicht, dass in diesem Jahr beson­ders häufig Netflix-Produk­tio­nen im Oscar-Rennen sind. Immer­hin sind viele Filme, die eigent­lich im Kino laufen sollten, wegen der Corona-Pande­mie und der Kinoschlie­ßun­gen bei dem Strea­ming­dienst gelan­det. Ganze 35 Mal ist Netflix mitno­mi­niert, ein Riesen­er­folg. Das Sahne­häub­chen aber, das fehlt noch: Bisher konnte der Strea­ming­dienst noch nie in der Top-Katego­rie für den besten Film trium­phie­ren. Dieses Jahr haben dort gleich zwei Werke eine Chance: David Finchers Holly­wood-Ode «Mank» sowie der Gerichts­thril­ler «The Trial of the Chica­go 7» mit mit Sacha Baron Cohen und Eddie Redmayne. 

Von Barba­ra Munker und Aliki Nassou­fis, dpa