Jérôme Boateng sagt kein Wort, als er das Gericht an diesem Mittwoch­abend im Dunkeln verlässt. Auch einen jungen Mann, der ihn um ein Foto bittet, weil er sein «größter Fan» sei, lässt er schwei­gend stehen.

Zuvor hat das Landge­richt München I ein für ihn wohl nieder­schmet­tern­des Urteil gefällt. Es bestä­tigt nicht nur die Strafe wegen Körper­ver­let­zung, die das Amtsge­richt in erster Instanz im vergan­ge­nen Jahr verhängt hat, es verschärft sie sogar.

120 Tages­sät­ze zu je 10.000 Euro hat Richter Andre­as Forst­ner verhängt. Das sind in der Summe zwar 600.000 Euro weniger als beim ersten Urteil — aber das doppel­te an Tages­sät­zen. 60 Tages­sät­ze zu 30.000 Euro hatte das Amtsge­richt verhängt. Wenn die zweite Entschei­dung nun rechts­kräf­tig wird, ist der Fußball-Weltmeis­ter von 2014 vorbestraft.

Ex-Freun­din geschla­gen, verletzt und beleidigt

«Für uns ist der Sachver­halt mehr als nachge­wie­sen», sagt Richter Forst­ner in seiner Urteils­be­grün­dung. Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass Boateng seine damali­ge Partne­rin in einem gemein­sa­men Karibik-Urlaub 2018 geschla­gen, verletzt und belei­digt hat — und dass im Streit um ein Karten­spiel auch ein Windlicht in ihre Richtung flog. Verur­teilt wird Boateng nun sogar in zwei Fällen wegen Körper­ver­let­zung, in erster Instanz nur in einem Fall.

Das Urteil ist wohl ein völlig anderes als das, das Boateng und seine Vertei­di­ger sich erhofft hatten. Die Anwäl­te hatten einen Freispruch beantragt.

Sie gingen vor Gericht davon aus, dass seine Ex-Freun­din die Vorwür­fe «im Kampf um die Kinder» erfun­den und «instru­men­ta­li­siert» hat, und beklag­ten eine Vorver­ur­tei­lung ihres Mandan­ten. Boateng sei jemand, «der eigent­lich schon verur­teilt war, bevor er morgens aufge­stan­den ist», sagt sein Anwalt Peter Zuriel in seinem Schluss­plä­doy­er. «Eine promi­nen­te Person kann sich nicht in dersel­ben Weise vertei­di­gen wie es ein 0815-Mensch tun würde.»

Sein Kolle­ge Norman Nathan Gelbart spricht von mutmaß­li­chen Wider­sprü­chen in der Aussa­ge von Boatengs Ex-Freun­din: «Im Zweifel für den Angeklag­ten», sagt er. «In dubio pro reo.» Richter Forst­ner erwidert: «Für uns gibt es keine dubios und darum gibt es auch nichts pro reo.»

Nach dem Urteil äußern die Vertei­di­ger sich nicht mehr. Dafür spricht die Anwäl­tin von Boatengs Ex-Freun­din, die in dem Verfah­ren als Neben­klä­ge­rin aufge­tre­ten ist. Sie spricht von einer «guten Entschei­dung» und von einem Kampf «David gegen Goliath», den ihre Mandan­tin gegen den reichen und berühm­ten Ex-Freund habe kämpfen müssen.

Sie hatte sich den Anträ­gen der Staats­an­walt­schaft angeschlos­sen, die eine Bewäh­rungs­stra­fe von andert­halb Jahren und zusätz­lich eine Geldauf­la­ge von 1,5 Millio­nen Euro gefor­dert hatte.

Staats­an­walt­schaft: Vorfall wohl «nur die Spitze des Eisbergs»

Der Vorfall im karibi­schen Luxus­re­sort sei wohl «nur die Spitze des Eisber­ges», sagt Staats­an­wäl­tin Stefa­nie Eckert in ihrem Schluss­vor­trag und spricht von einer von Gewalt gepräg­ten Bezie­hung zwischen Boateng und seiner Ex-Partnerin.

Eckert kriti­siert auch die Vertei­di­gung des Fußbal­lers. Seine Anwäl­te hätten im Verfah­ren «Dreck über die Geschä­dig­te gewor­fen», sagt die Staatsanwältin.

Boatengs Vertei­di­ger hatten vor den Plädoy­ers betont, dass sich die finan­zi­el­len Verhält­nis­se ihres Mandan­ten geändert hätten. Werbe­part­ner hätten Verträ­ge mit Boateng — zum Beispiel für Brillen­wer­bung — gekün­digt. Darum habe er derzeit nur das Einkom­men von Olympi­que Lyon, wo er unter Vertrag steht. Das seien etwas mehr als 240.000 Euro netto im Monat, davon gingen aber noch Unter­halts­kos­ten für seine drei Kinder ab. Allein für die elfjäh­ri­gen Zwillings­töch­ter Boatengs berech­ne­ten die Anwäl­te Unter­halts­kos­ten von 5000 Euro im Monat pro Kind.

Boatengs Vertei­di­ger hatten alles daran­ge­setzt, den Prozess noch nicht am dritten Tag enden zu lassen, stell­ten einen Beweis­an­trag nach dem anderen — und sogar einen Befan­gen­heits­an­trag gegen Richter Forst­ner. Der erreich­te sein Ziel, das Verfah­ren am Mittwoch abzuschlie­ßen, Stunden später als erhofft.

Boateng hat noch die Möglich­keit, das Urteil mit einer Revisi­on zum Bayeri­schen Obers­ten Gericht anzufech­ten, wie eine Gerichts­spre­che­rin sagte.

Richter Forst­ner sagt dem Angeklag­ten, er solle sich das gut überle­gen. «Irgend­wann ist halt auch die Vertei­di­gung mal am Ende», sagte er bereits im Laufe des langen Gerichts­ta­ges irgend­wann. «Das weiß der Herr Boateng als Vertei­di­ger wahrschein­lich auch ganz gut.»

Von Britta Schul­te­jans, dpa