SANTIAGO DE CHILE (dpa) — Werden nach Panzern bald Kampf­jets an die Ukrai­ne gelie­fert? Olaf Scholz kriti­siert diese Debat­te und warnt vor einem «Überbie­tungs­wett­be­werb». Doch an ihm haftet der Ruf, zu zöger­lich zu handeln.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz hat die Debat­te über die Liefe­rung von Kampf­jets in die Ukrai­ne kriti­siert. «Es ist eigen­wil­lig, dass diese Debat­te geführt wird. Mancher muss sich schon fragen: Warum stellt er die Frage, wo es doch darum geht, den Ukrai­nern zu helfen», sagte Scholz gestern Abend (Ortszeit) auf einer Presse­kon­fe­renz in Santia­go de Chile. Es sei jetzt eine seriö­se Debat­te notwen­dig und nicht «ein Überbie­tungs­wett­be­werb (…), bei dem vielleicht innen­po­li­ti­sche Motive statt die Unter­stüt­zung der Ukrai­ne im Vorder­grund stehen».

In einer so wichti­gen Frage wie Waffen­lie­fe­run­gen müsse es um die Sache und um ratio­na­le Abwägun­gen gehen, beton­te Scholz. Er erinner­te daran, dass er bereits kurz nach Kriegs­be­ginn zusam­men mit US-Präsi­dent Joe Biden Flugver­bots­zo­nen ausge­schlos­sen habe, weil das zu einem Konflikt zwischen Russland und der Nato geführt hätte. Auch «solche unsin­ni­gen Ansin­nen» wie die Entsen­dung von Boden­trup­pen seien abgelehnt worden. «Es ist dazu jetzt wirklich alles gesagt, auch von mir», beton­te Scholz.

USA schlie­ßen Liefe­rung nicht grund­sätz­lich aus

In der Diskus­si­on über eine Flugver­bots­zo­ne über der Ukrai­ne ging es im vergan­ge­nen Jahr darum, dass diese nur durch­ge­setzt werden könnte, wenn die Nato dazu eigene Kampf­jets bereit­stel­len würde. Das lehnten Scholz und Biden ab. In der aktuel­len Diskus­si­on geht es aber darum, der Ukrai­ne Kampf­flug­zeu­ge zur Verfü­gung zu stellen, die dann von ukrai­ni­schen Piloten geflo­gen würden.

Die Ukrai­ne fordert Kampf­jets, die USA haben eine Liefe­rung nicht grund­sätz­lich ausge­schlos­sen. Auch die SPD-Vorsit­zen­de Saskia Esken schloss die Liefe­rung von Kampf­flug­zeu­gen gestern in der ARD nicht grund­sätz­lich aus.

Scholz hatte vor wenigen Tagen im Bundes­tag zur Debat­te über weite­re Waffen­lie­fe­run­gen in die Ukrai­ne gesagt: «Dass es nicht um Kampf­flug­zeu­ge geht, habe ich ja sehr früh klarge­stellt und mache das auch hier.» Als kurz nach Kriegs­be­ginn über Flugver­bots­zo­nen disku­tiert worden sei, hätten er und Biden gesagt: «Das werden wir nicht tun. Und an dieser Haltung hat sich gar nichts geändert und wird sich auch nichts ändern.»

Heusgen: Scholz in Kampf­pan­zer-Debat­te zu zögerlich

Der Chef der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz, Chris­toph Heusgen, befür­wor­tet derweil die Liefe­rung von Kampf­flug­zeu­gen an die Ukrai­ne, um sich gegen Russland zu vertei­di­gen. In der ARD-Sendung «Europa­ma­ga­zin» sagte Heusgen gestern: «Ich glaube, dass die Liefe­rung von Kampf­jets adäquat ist, um die Ukrai­ne besser zu schüt­zen gegen die Angrif­fe der Russen.»

An anderer Stelle warf Heusgen dem Bundes­kanz­ler vor, die USA mit seinem Verhal­ten in der Kampf­pan­zer-Debat­te verstimmt zu haben. Die US-Regie­rung hätte erwar­tet, dass Deutsch­land bei den Leopards die Führungs­rol­le übernimmt — der Kanzler habe diese aber nicht angenom­men. «Freun­de hat sich der Bundes­kanz­ler in Washing­ton damit sicher­lich nicht gemacht», sagte Heusgen der «Rheini­schen Post» und dem «General-Anzei­ger». Die Bundes­re­gie­rung will Leopard-2-Panzer in die Ukrai­ne liefern und dies auch Bündnis­part­nern erlau­ben. Kriti­kern prangern an, dass diese Entschei­dung zu zöger­lich getrof­fen worden sei.

«Die USA haben zehn Mal so viele Waffen an die Ukrai­ne gelie­fert wie Deutsch­land. Ich weiß nicht, wo wir Europä­er bei der Unter­stüt­zung der Ukrai­ne ohne die Ameri­ka­ner stünden, oder wo die Russen jetzt stünden», so Heusgen weiter. Daher könne er durch­aus nachvoll­zie­hen, wenn die ameri­ka­ni­sche Seite darüber verstimmt sei.

Frage nach Deutsch­lands Rolle in Europa

Europa müsse sicher­heits­po­li­tisch stärker auf eigenen Füßen stehen. «Europa und Deutsch­land müssen dafür aber mehr tun, vor allem, weil sich die Nato-Führungs­macht USA stärker in den indopa­zi­fi­schen Raum orien­tiert», sagte der Chef der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz. Europa werde aber in abseh­ba­rer Zeit dennoch weiter auch auf die USA als Schutz­macht angewie­sen sein.

Heusgen beton­te, dass Deutsch­land als wirtschaft­lich stärks­tes Land in Europa eine Führungs­rol­le einneh­men müsse — und zwar auch militä­risch. «Doch genau das sehen wir gerade nicht. Führung kann nicht heißen, immer nur als Letzter — siehe Kampf­pan­zer — das Nötigs­te zu tun». Deutsch­land bleibe hinter seinen Möglich­kei­ten und Erwar­tun­gen zurück.