WASHINGTON (dpa) — Ein halbes Jahr nach dem Antritt von Präsi­dent Biden kommt erstmals ein deutscher Minis­ter in die USA. Durch­brü­che in wichti­gen Fragen sind nicht zu erwar­ten. Altmai­ers Besuch dient anderen Zwecken.

Auf so etwas mussten deutsche Minis­ter lange verzich­ten: Bilder vor dem Weißen Haus. Für Peter Altmai­er soll das heute wieder mal klappen, so zumin­dest der Plan.

Der Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter ist nach Washing­ton gereist. Sein Auftrag: versu­chen, Bewegung in ungelös­te Fragen zu bringen, Dinge auslo­ten. Denn Mitte Juli kommt die «Chefin» nach Washing­ton: Auf Einla­dung von US-Präsi­dent Joe Biden wird Kanzle­rin Angela Merkel erstmals nach mehr als drei Jahren wieder im Weißen Haus empfangen.

Altmai­er wollte am Donners­tag unter anderem Bidens Sonder­be­auf­trag­ten für Klima, John Kerry, treffen. Der hat sein Büro zwar im Außen­mi­nis­te­ri­um, ein paar Blöcke vom Weißen Haus entfernt — vor die Kameras wollte Altmai­er aber auf einem Platz vor der berühm­ten Macht­zen­tra­le treten.

Der Wirtschafts­mi­nis­ter ist der Erste: Denn seit dem Amtsan­tritt der Regie­rung von Biden im Januar war noch kein Bundes­mi­nis­ter vor ihm in Washing­ton. Geschul­det war dies der Corona-Krise mit ihren Einschrän­kun­gen. Zwar gab es in den vergan­ge­nen Wochen und Monaten Video­kon­fe­ren­zen zwischen Altmai­er und seinen Amtskol­le­gen auf US-Seite. Eine physi­sche Begeg­nung vor Ort aber ist noch einmal etwas anderes.

Mit Kerry will Altmai­er auslo­ten, wie eine enge Zusam­men­ar­beit beim Klima­schutz ausse­hen könnte. Thema beim Gespräch dürfte auch sein, wie Wettbe­werbs­ver­zer­run­gen verhin­dert werden können — wenn zum Beispiel die Stahl­in­dus­trie in der EU viel schnel­ler als die Konkur­renz in anderen Ländern auf eine klima­freund­li­che­re, aber vorerst viel teure­re Produk­ti­on umstellt.

Ungelös­te Fragen gibt es zudem in der Handels­po­li­tik. Altmai­er wollte am Donners­tag auch mit der neuen US-Handels­be­auf­trag­ten Kathe­ri­ne Tai zusam­men­kom­men. Die USA sind für die export­star­ke deutsche Wirtschaft ein heraus­ra­gend wichti­ger Handels­part­ner. Zwar gibt es im Streit über staat­li­che Hilfen für den US-Flugzeug­bau­er Boeing und seinen europäi­schen Rivalen Airbus eine Art Waffen­still­stand. Eine langfris­ti­ge Lösung aber muss erst verhan­delt werden. Außer­dem gelten noch immer die unter Trump verhäng­ten Sonder­zöl­le auf Stahl und Alumi­ni­um. Eine Reform der Welthan­dels­or­ga­ni­sa­ti­on WTO steht weiter aus.

Nach den verhee­ren­den Jahren unter Biden-Vorgän­ger Donald Trump ist das Klima wieder deutlich besser gewor­den zwischen den USA und den Europä­ern. Als wichtigs­tes EU-Land gehör­te Deutsch­land zu den Lieblings­zie­len von Trump, der auch Merkel direkt immer wieder kriti­sier­te. Bidens-Regie­rung versucht sich dagegen in einer wahren Charme-Offen­si­ve: «Die Verei­nig­ten Staaten haben keinen besse­ren Partner, keinen besse­ren Freund auf der Welt als Deutsch­land», sagte US-Außen­mi­nis­ter Antony Blinken am Mittwoch vor einem Treffen mit Merkel in Berlin. So ganz genau wissen aller­dings auch die Deutschen noch nicht, wie die Biden-Regie­rung tickt, heißt es in Berlin.

Altmai­ers kleine Delega­ti­on ist daher auch so etwas wie ein Voraus­trupp für Merkels Besuch. «All das, was ich beim Thema Handels­po­li­tik erläu­tern, erklä­ren und auch bespre­chen kann, ebenso beim Thema Klima­schutz, wird die Erfolgs­aus­sich­ten der weite­ren Reisen sicher­lich nicht beschä­di­gen, sondern eher voran­brin­gen. Das ist selbst­ver­ständ­lich abgespro­chen», sagte Altmai­er vor seinem Abflug am Mittwoch. Es gehe darum, in den USA zu zeigen, dass man zur Zusam­men­ar­beit bereit sei und zu einem Neustart.

Vor allem hinter den Kulis­sen bespro­chen werden dürfte eines der größten Streit­the­men: Nord Stream 2. Die USA sind weiter­hin strikt gegen die Gas-Pipeline von Russland nach Deutsch­land. Biden hat aller­dings auch hier versöhn­li­che Signa­le in Richtung Berlin ausge­sandt. Seine Regie­rung verzich­te­te auf Sanktio­nen gegen die Schwei­zer Nord Stream 2 AG und deren deutschen Geschäfts­füh­rer — ausdrück­lich auch aus Rücksicht auf die Bezie­hun­gen zu Deutschland.

Gelingt bei dem Thema nun bald eine Verstän­di­gung? Die Außen­mi­nis­ter Blinken und Heiko Maas beton­ten am Mittwoch nach einem Treffen in Berlin einhel­lig, es gehe vor allem um den Schutz der Ukrai­ne. Maas sagte, man wolle «sehr zügig» zu Ergeb­nis­sen kommen, die von den USA mitge­tra­gen werden könnten. Als mögli­chen Termin für eine Einigung nannte er den Besuch von Merkel bei Biden.

Altmai­er hielt sich in Sachen Nord Stream 2 zunächst bedeckt. Bis Freitag bleibt er in Washing­ton. Für den 63-Jähri­gen könnte es die letzte US-Reise als Minis­ter sein. In Berlin glauben viele nicht daran, dass der enge Wegge­fähr­te der schei­den­den Kanzle­rin im Falle eines Wahlsiegs der Union noch einmal Minis­ter wird. In seinem Umfeld heißt es, Politik sei manch­mal unbere­chen­bar. Für den Bundes­tag tritt Altmai­er noch einmal an — so ganz aus dem Spiel sieht er sich noch nicht. 

Von Andre­as Hoenig und Can Merey, dpa