KIRCHBIERLINGEN – Der Wünsche­wa­gen des Arbei­ter-Samari­ter-Bunds Baden-Württem­berg e.V. (ASB) hat es einem Gast des Hospiz St. Marti­nus möglich gemacht, ihre hochbe­tag­te Mutter noch einmal zu sehen. „Ich bin sehr, sehr dankbar für diese Chance“, sagt die Frau, die unheil­bar an Darmkrebs erkrankt ist.

Als sich am Bett die Hand von Mutter und Tochter suchen und finden, ist das ein Moment, der alle bewegt. Auch den Mitar­bei­te­rin­nen des Hospi­zes stehen die Tränen in die Augen. „Es ist unglaub­lich schön, dieses Wieder­se­hen zu beglei­ten – und zugleich so unglaub­lich traurig“, bringt es Alten­pfle­ge­rin Nicole Ulmer schließ­lich auf den Punkt.

Es war der wichtigs­te Wunsch der Todkran­ken, ihre Mutter noch einmal zu sehen. Die 87-Jähri­ge lebt aber in einem Pflege­heim in Reutlin­gen und ist selbst so gebrech­lich, dass eine ganz norma­le Fahrt im Auto der Familie nicht möglich war. Da war der Wünsche­wa­gen des ASB – ein umgebau­ter Kranken­trans­por­ter – die Lösung. Eine Hospiz-Mitar­bei­te­rin hatte die Idee. „Uns allen war klar, welche Bedeu­tung dieser Besuch hat“, sagt Pflege­dienst­lei­te­rin Sabine Graf.

Sven Kugler, der an diesem Tag zusam­men mit seiner Kolle­gin Sandra Schön­herr – beide ehren­amt­lich — den Wünsche­wa­gen fährt, sagt: „Genau dafür sind wir da.“ Die ASB-Wünsche­wa­gen setzen da an, wo Angehö­ri­ge überfor­dert sind, wenn ein Fahrgast nur liegend trans­por­tiert werden kann, pflege­ri­sche medizi­ni­sche Betreu­ung benötigt oder die Familie sich den Ausflug allein nicht zutraut. Dank Spenden fahren die Gäste kosten­frei. „Noch einmal den Boden­see sehen, noch einmal Schiff fahren, noch einmal ins eigene Haus – das sind Wünsche, die wie sehr gerne erfül­len“, sagt Sandra Schön­herr. Oder eben in diesem Fall den Besuch der Mutter bei der Tochter.

Die Tochter hatte bis dahin gar nicht die Möglich­keit, Abschied zu nehmen. Noch im Juni hatte sie im auf der Alb behei­ma­te­ten und vom Vater gegrün­de­ten Famili­en­be­trieb gearbei­tet. Dann gewann die Krebs­er­kran­kung in atembe­rau­ben­dem Tempo die Oberhand. Als sie schließ­lich mit einer Sepsis ins Hospiz kam, war klar, dass der Kampf gegen den Krebs verlo­ren ist. Für den Besuchs­tag hat sie dann noch einmal alle Kräfte mobilisiert.

Ihr Bruder und zwei ihrer Söhne sind an diesem Tag an ihrer Seite – im Zimmer verteilt sind Bilder der sechs Enkel. „Zu wissen, dass ich sie nicht mehr aufwach­sen sehen kann, ist unglaub­lich schwer“. Trost gibt es da kaum, aber die 61-Jähri­ge bringt die Kraft auf, den Blick auch auf andere zu richten: „Ich habe immer­hin ein Leben gelebt. Was habe ich zu klagen, wenn selbst Kinder an diesem fürch­ter­li­chen Krebs sterben?“

In ihrer Trauer und mitten in der Bewäl­ti­gung ihres nahen Todes hat die 61-Jähri­ge den Mut gefasst, über ihre Situa­ti­on zu berich­ten. Sie hat dafür einen wichti­gen Grund: „Ich finde, wir sollten die Leute vorwar­nen: Diese Krank­heit ist nur heilbar, wenn Sie früh genug erkannt wird. Gehen Sie zur Vorsor­ge!“ Sie selbst hatte bereits mit 50 Jahren Gebär­mut­ter­krebs, der geheilt werden konnte. „Eher durch Zufall habe ich erfah­ren, dass Gebär­mut­ter­krebs auch ein erhöh­tes Risiko für Darmkrebs bedeutet.“