ROTTERDAM (dpa) — Wie schon oft in jüngs­ter Zeit ist der deutsche Beitrag beim inter­na­tio­na­len Musik­wett­be­werb ESC wieder Schluss­licht. Willst du Deutsch­land oben sehn, musst du die Tabel­le drehn.

Inzwi­schen Tradi­ti­on: Deutsch­land ist beim Eurovi­si­on Song Contest (ESC) mal wieder ganz weit hinten gelan­det. Diesmal stieß das Anti-Hass-Lied «I don’t feel hate» auf wenig Gegenliebe.

Der Hambur­ger Sänger Jendrik (26) erreich­te nur Rang 25 und damit den vorletz­ten Platz in Rotter­dam. Nur Großbri­tan­ni­en schnitt noch schlech­ter ab. Schon vor zwei und vier Jahren war Deutsch­land Vorletz­ter, vor fünf und sechs Jahren sogar Letzter.

Sieger wurde Itali­en — nach 1990 und 1964 der dritte Sieg für das Land. Auf Platz zwei und drei kamen franzö­sisch­spra­chi­ge Lieder: die Beiträ­ge aus Frank­reich und der Schweiz.

Die deutsche ESC-Pleite­se­r­ie der vergan­ge­nen Jahre wurde 2018 nur einmal unter­bro­chen, als Micha­el Schul­te auf dem vierten Platz lande­te. Deutsch­land bekam diesmal null Punkte von den Zuschau­ern und nur drei Punkte von Jurys — zwei aus Öster­reich und einen aus Rumänien.

Die kompli­zier­te Punkte­ver­kün­dung von Fachju­rys und Zuschau­ern lief zum fünften Mal getrennt vonein­an­der ab. Zuerst wurde per Schal­te in alle 39 Teilneh­mer­län­der das Juryvo­ting abgefragt. Sieger war demnach die hoch gesun­ge­ne Balla­de «Tout l’uni­vers» des Sängers Gjon’s Tears aus der Schweiz. Dann verla­sen die Modera­to­ren das Televo­te (die Zuschau­er­stim­men), nach dem sich Itali­en am Ende mit 524 Punkten vor Frank­reichs Barba­ra Pravi («Voilà») mit 499 Punkten durchsetzte.

Itali­en siegte mit dem energe­ti­schen Rockbei­trag «Zitti e buoni» der Band Månes­kin (dänisches Wort für Mondschein, da die Bassis­tin von dort stammt). Übersetzt heißt der Titel «Still und brav». Im Text geht es darum, ausge­flippt zu sein. Die Römer kennen sich von der Schule und wurden in ihrer Heimat dank der Casting­show «X Factor» berühmt. Sie insze­nie­ren sich gern halbnackt in schril­len Outfits. Sie gewan­nen im März das tradi­ti­ons­rei­che Festi­val di Sanre­mo und wurden damit von der Rundfunk­an­stalt RAI als ESC-Teilneh­mer automa­tisch gesetzt.

Bei den Einschalt­quo­ten erreich­te das Erste die niedrigs­te Reich­wei­te seit 2008. Das ESC-Finale lief zwischen 21.00 und 1.00 Uhr vor durch­schnitt­lich 6,54 Millio­nen Zuschau­ern (26,7 Prozent). Zum Vergleich: Die letzten regulä­ren ESC-Finals zwischen 2019 und 2017 hatten zwischen 7,6 und knapp 7,9 Millio­nen Zuschauer.

Bei genaue­rer Betrach­tung kommt aber der ARD-Kanal One ins Spiel. Der Sparten­sen­der übertrug auch — mit einge­blen­de­ten Twitter-Kommen­ta­ren. Dort sahen im Schnitt 1,2 Millio­nen zu. Gerade bei den Jünge­ren (14 bis 49) war der ESC deshalb sogar populä­rer als vor zwei Jahren.

Nach der pande­mie­be­ding­ten ESC-Absage 2020 saßen dieses Jahr rund 3500 negativ getes­te­te Zuschau­er in der Ahoy-Arena in Rotter­dam. Trotz dieses Schritts zurück in Richtung Norma­li­tät verschon­te das Corona­vi­rus den Wettbe­werb nicht. Der ESC-Sieger von 2019, Duncan Laurence, der die Show in die Nieder­lan­de geholt hatte, wurde positiv getes­tet. Er konnte deshalb in der Final­show nicht live auftre­ten und die Trophäe nicht überrei­chen. Auch Islands Teilneh­mer erwisch­te es, weshalb die Band Daði og Gagna­ma­gnið in Quaran­tä­ne blieb und nur per Video einge­spielt wurde. Sie kam dennoch am Ende auf Platz vier.

Viele Länder schick­ten 2021 die für 2020 vorge­se­he­nen Inter­pre­ten. In Deutsch­land ließ der inner­halb der ARD zustän­di­ge NDR jedoch zwei Jurys einen neuen Teilneh­mer suchen. In den vergan­ge­nen 30 Jahren schaff­te es Deutsch­land fast nur dann in die Top 10 beim ESC, wenn der Enter­tai­ner Stefan Raab bei der Suche nach dem Teilneh­mer betei­ligt war. 2010 hatte er als Initia­tor, Produ­zent und Juryprä­si­dent der Casting­show «Unser Star für Oslo» zum Beispiel die junge Lena entdeckt und mit ihr den zweiten Sieg für Deutsch­land überhaupt geholt — nach Nicole 1982 mit «Ein bisschen Frieden».

Von Gregor Tholl, dpa