BONN (dpa) — Der neue DFB-Präsi­dent heißt Bernd Neuen­dorf. Der 60-Jähri­ge gewinnt die Wahl in Bonn deutlich. Dauer­funk­tio­när Rainer Koch ist dagegen raus. Ein klares Votum gibt es gegen Altkanz­ler Schröder.

Mit gesenk­tem Kopf schritt Rainer Koch am Podium des DFB-Präsi­di­ums vorbei, auf dem sich der neue Verbands­chef Bernd Neuen­dorf schon einge­rich­tet hatte.

Mit der Abwahl des umstrit­te­nen Dauer­funk­tio­närs aus dem inners­ten Entschei­der­kreis endeten die Wahlen des Deutschen Fußball-Bundes — es war ein sogar sehr demokra­ti­scher Schritt zum seit Jahren gefor­der­ten Neuan­fang. «Natür­lich empfin­de ich eine große Freude», sagte Neuen­dorf. «Aber natür­lich auch Respekt — es sind viele Themen angeklun­gen, um die sich der DFB kümmern soll, um die er sich kümmern muss.»

Kampf­ab­stim­mun­gen hatte es beim DFB noch nie gegeben. Koch unter­lag bei der gehei­men Wahl für einen Vizepos­ten Silke Sinning und musste den weite­ren Ablauf von einem Stuhl weit weg der Präsi­di­ums­mit­glie­der verfol­gen. «Es hat sich eigent­lich alles verän­dert mit so vielen neuen Leuten auf den Positio­nen», sagte DFL-Aufsichts­rats­chef Hans-Joachim Watzke, der den Verband mit Koch in den vergan­ge­nen Wochen interims­wei­se geführt hatte. «Es wurde ja immer bestrit­ten, dass es ein Neuan­fang ist. Aber mehr Neuan­fang geht ja kaum noch.»

Votum gegen Gerhard Schröder

Neuen­dorf hatte lächelnd die ersten Glück­wün­sche angenom­men. «Das überwäl­tigt mich schon», sagte der 60-Jähri­ge nach seinem deutli­chen Wahlsieg gegen Peter Peters (193:50 Stimmen). «Jetzt müssen wir den Blick nach vorne richten, ich werde diese Aufga­be mit großer Lust angehen.» Eindeu­tig war auch das Votum des Bundes­tags im World Confe­rence Center gegen Altkanz­ler Gerhard Schrö­der, dem wegen dessen Einstel­lung zum russi­schen Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne die Ehren­mit­glied­schaft entzo­gen wurde.

Neuen­dorf hatte seine Kernbot­schaft bereits während seiner Bewer­bungs­re­de deutlich gemacht. «Der Fußball muss wieder im Mittel­punkt stehen, nicht die Quere­len an der Spitze des Verban­des.» An diesen hatte Koch, der vor dem Wahlgang eine bemer­kens­wert egozen­tri­sche Rede hielt, in der Vergan­gen­heit oft bedeu­ten­den Anteil. Dass Koch den DFB bis 2025 im Exeku­tiv­ko­mi­tee der Europäi­schen Fußball-Union vertritt, und Peters im FIFA-Council sitzt, birgt Diskus­si­ons­be­darf für die kommen­den Wochen.

Neuen­dorf möchte für Ruhe sorgen

«Ich gratu­lie­re Bernd Neuen­dorf von ganzem Herzen», sagte der frühe­re DFB-Präsi­dent Reinhard Grindel, der Koch in Abnei­gung verbun­den ist, der Deutschen Presse-Agentur. «Nach dem Verlauf des Bundes­ta­ges sollte er jetzt auch den DFB im UEFA-Exko vertre­ten.» Neuen­dorfs Vorgän­ger Fritz Keller war vor zehn Monaten zurück­ge­tre­ten, nachdem er Koch während einer Sitzung mit dem Namen eines Nazi-Richters bezeich­net hatte.

«Ich möchte alles dafür tun, dass dieser Verband wieder zur Ruhe kommt», sagte nun Neuen­dorf. «Dass wir in ein paar Jahren sagen können, die Arbeit hat sich gelohnt». Die Menschen seien es «einfach leid», immer wieder von Skanda­len und Hausdurch­su­chun­gen zu lesen. «Sie wenden sich ab, sie sind genervt, sie fühlen sich nicht mehr vertre­ten», fügte er an. «Wir brauchen eine neue Kultur des Mitein­an­ders. Und ich bin optimis­tisch, dass uns das gelin­gen kann.»

Koch und Osnabrüg­ge wehren sich

Was auf ihn in den kommen­den Monaten zukommt, bekam der einsti­ge NRW-Staats­se­kre­tär in der ersten Reihe des Konfe­renz­saals schon vor seiner Wahl gespie­gelt. Während ihrer Reden zu Beginn des Bundes­tags wiesen Koch und der bis Freitag als Schatz­meis­ter tätige Stephan Osnabrüg­ge verschie­dens­te Vorwür­fe vehement zurück. «Ich bin es unend­lich leid, krimi­na­li­siert zu werden», sagte Osnabrüg­ge, der wie Koch insbe­son­de­re auch gegen angeb­li­che Medien­kam­pa­gnen wetterte.

Wahr sei keiner der in den vergan­ge­nen Wochen publi­zier­ten Vorwür­fe, sagte Osnabrüg­ge. Zuletzt ging es um einen dubios anmuten­den Vertrag mit einem Medien­be­ra­ter, auch der weiter nicht aufge­klär­te Sommer­mär­chen-Skandal spielt immer wieder eine Rolle.

Zwischen­durch war während der Reden immer mal wieder kurzer Applaus zu hören, eupho­risch wirkte dieser nicht. Die Abstra­fung für das Wirken Kochs durch die Delegier­ten erfolg­te um 15.30 Uhr mit dem deutli­chen Votum für Sinning. In seiner Rede zuvor irritier­te Koch mit der Auffor­de­rung, sich an Abspra­chen vor dem Bundes­tag zu halten. Der Bayer wirkte fahrig — und nach seiner Nieder­la­ge schwer mitgenommen.

Gewählt wurden dagegen Stephan Grunwald zum neuen Schatz­meis­ter und die frühe­re Natio­nal­spie­le­rin Célia Šašić zur neue Vizeprä­si­den­tin für Diver­si­tät und Gleich­stel­lung. Zu Neuen­dorfs größe­ren Aufga­ben wird nun gehören, das Ungleich­ge­wicht zwischen Amateur- und Profi­fuß­ball zu moderie­ren. 2023 soll ein neuer Grund­la­gen­ver­trag greifen, der auch das finan­zi­el­le Auskom­men regelt.

Watzke will «Kräfte bündeln»

«Wenn wir weiter, DFB und DFL, zwei Züge aufein­an­der zurasen lassen, dann wird der deutsche Fußball dadurch drama­tisch verlie­ren», sagte Watzke. Der 62 Jahre alte Geschäfts­füh­rer von Borus­sia Dortmund wirkte launi­ger als die weite­ren Funktio­nä­re, die das DFB-Podium kennen. «Es ist irgend­wie so wie mit Corona — irgend­wann erwischt es einen», sagte Watzke über seine erste Rede bei einer DFB-Vollver­samm­lung. Der BVB-Chef machte dennoch deutlich: «Wir müssen die Kräfte bündeln und sie nicht gegen­sei­tig zerstö­ren.» Vom Bundes­tag müsse das Signal ausge­hen, «dass wir es anpacken».

Das Signal in Richtung von Schrö­der wegen dessen Positi­on im Ukrai­ne-Krieg war eindeu­tig. «Wer sich aus Rücksicht auf persön­li­che Inter­es­sen nicht klar vom Krieg und seinem Aggres­sor distan­ziert und darüber hinaus auch nicht die gebote­nen geschäft­li­chen Konse­quen­zen zieht, teilt nicht die Werte des Fußballs und des Deutschen Fußball-Bundes», erklär­ten Koch und Watzke — da noch gemein­sam. Die Entschei­dung zum Entzug der Ehren­mit­glied­schaft erfolg­te ohne Gegenstimme.

Schrö­der ist seit langem mit dem russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin befreun­det. Der Altkanz­ler ist für die Erdgas-Pipeline-Unter­neh­men Nord Stream 1 und 2 als Lobby­ist tätig sowie Aufsichts­rats­chef beim russi­schen Ölkon­zern Rosneft. Distan­ziert hat sich der 77-Jähri­ge bislang nicht.

Von Jan Mies und Eric Dobias, dpa