BERLIN (dpa) — Erstmals müssen in dieser Saison Bundes­li­ga-Spiele wegen Corona verlegt werden. Die Sorgen wachsen. Hertha BSC steht vor einem «Experi­ment», beton­te Sport­di­rek­tor Fried­rich. Die Deutsche Fußball Liga beschäf­tigt sich mit Szena­ri­en, um einen Abbruch zu verhindern.

Die Angst wird größer. Der Corona-Ausbruch bei Hertha BSC und gleich drei notwen­di­ge Spiel-Verle­gun­gen haben in der Fußball-Bundes­li­ga die Furcht vor einem Saison‑K.o. noch auf der Zielge­ra­den geschürt.

«Das ist schon eine Extrem­si­tua­ti­on, die wir alle noch nicht erlebt haben», erklär­te Arne Fried­rich, der Sport­di­rek­tor des am heftigs­ten betrof­fe­nen Erstli­gis­ten aus Berlin. Bis zum 29. April muss die abstiegs­ge­fähr­de­te Hertha nach den jüngs­ten vier positi­ven Corona-Tests komplett in häusli­che Quaran­tä­ne und danach bis 22. Mai noch sechs Partien bestreiten.

Angesichts des Berli­ner Ernst­falls und des ungebrems­ten Anstiegs der Corona-Infek­tio­nen im ganzen Lande wird sich die Deutsche Fußball Liga (DFL) inten­siv mit Notfall­plä­nen beschäf­ti­gen. Nach dpa-Infor­ma­tio­nen will das DFL-Präsi­di­um in der kommen­den Woche erneut über ein verpflich­ten­des Quaran­tä­ne-Trainings­la­ger für die 36 Erst- und Zweit­li­gis­ten in der Schluss­pha­se der Saison beraten und entschei­den. Als wahrschein­lichs­te Varian­te soll es diese Maßnah­me für die letzten zwei oder drei Spiel­ta­ge geben.

Ein weite­rer ähnli­cher Fall wie jetzt Hertha kurz vor Schluss könnte die Wertung der Spiel­zeit verhin­dern. «Es sind noch viele sport­li­che Entschei­dun­gen offen», sagte DFL-Chef Chris­ti­an Seifert bei «Bild live». Dabei steckt vor allem Hertha in einem großen Dilem­ma: Ohnehin schon am Rande der Abstiegs­zo­ne muss nach zwei Wochen Isola­ti­on mit einem Kaltstart die Rettung gelin­gen. Geschäfts­füh­rer Carsten Schmidt macht sich auch Sorgen, dass die gesam­te Saison kippen könnte.

«Die DFL hat die letzten Wochen schon deutli­che Hinwei­se gegeben. Ich mache mir schon Gedan­ken, dass wir in eine Situa­ti­on kommen, die wir schwer beherr­schen», sagte der Hertha-Chef. «Inwie­weit das in den Mai hinein­ragt und wir Anset­zungs­pro­ble­me bekom­men, ist Speku­la­ti­on. Wir müssen anerken­nen, das die Zahlen steigen und der Fußball keine Ausnah­me ist.»

Erst einmal wurden die kommen­den Hertha-Spiele bei Mainz 05, gegen den SC Freiburg und bei Schal­ke 04 abgesagt. Neue Spiel­ter­mi­ne sollen folgen. Hertha will einen eigenen Vorschlag einrei­chen. «Es ist aber auch klar, dass so etwas in dieser Zeit passie­ren kann. Insofern werden wir uns dieser Situa­ti­on stellen und darüber nachden­ken, wie der Plan anzuge­hen ist», bemerk­te Seifert, schloss aber deutlich an: «Es verbie­tet sich, zum jetzi­gen Zeitpunkt über einen Saison­ab­bruch nachzu­den­ken. Das ist auch das Verständ­nis der 36 Verei­ne. Mein Bauch­ge­fühl sagt mir, dass der deutsche Meister am 22. Mai festste­hen kann.»

Fried­rich sieht Hertha vor einem «Experi­ment, so etwas hat es noch nicht gegeben. Es gibt keine Erfah­rungs­wer­te», sagte der Sport­di­rek­tor. Physisch und mental sei die Situa­ti­on eine riesi­ge Heraus­for­de­rung: «Es ist sehr wichtig, jeden Tag Kontakt zur Mannschaft zu halten.» Ob mit der Quaran­tä­ne jetzt der Wettbe­werb verzerrt werde, wollte Fried­rich nicht sagen: «Darüber können wir disku­tie­ren und speku­lie­ren. Fakt ist, es ist, wie es ist.»

Auch Hertha-CEO Schmidt hat sich mit der Wahrung der Integri­tät des Wettbe­werbs in einer solchen Saison oder gar mögli­chen recht­li­chen Schrit­ten im Fall eines Abstiegs noch nicht beschäf­tigt, machte der ehema­li­ge Sky-Manager deutlich: «Wir nehmen die Situa­ti­on an, wir hadern nicht. Unsere Gedan­ken sind in ersten Linie bei den erkrank­ten Spielern und Trainern.»

Während bei Chefcoach Pal Dardai bisher nur leich­te Sympto­me aufge­tre­ten sind, musste sich der schon Anfang April infizier­te Torhü­ter Rune Jarstein zwischen­zeit­lich im Kranken­haus behan­deln lassen. «Rune hat es am härtes­ten erwischt, aber er ist auf dem Weg der Besse­rung», berich­te­te Fried­rich. Dass der Norwe­ger aller­dings in dieser Saison nochmals auf den Platz zurück­kehrt, damit sei nicht zu rechnen. Auch die Profis Dodi Lukebak­io und Marvin Platten­hardt sowie Co-Trainer Admir Hamza­gic wurden positiv getestet.

Sollte es bei Hertha in der Quaran­tä­ne-Frist neue Corona-Fälle geben, müsste nur die betrof­fe­ne Person eine Verlän­ge­rung der Isola­ti­on antre­ten und nicht die ganze Gruppe. «Wir richten uns auf 14 Tage Quaran­tä­ne ein», sagte Schmidt. Diese Sicht­wei­se wurde von Detlef Wagner, Bezirks­stadt­rat für Sozia­les und Gesund­heit vom zustän­di­gen Bezirks­amt Charlot­ten­burg-Wilmers­dorf, bestätigt.

Der Berli­ner Club will alles tun, um «in wettbe­werbs­fä­hi­gem Zustand in die Restsai­son zu gehen und mindes­tens den Klassen­er­halt zu sichern», beton­te Schmidt: «Für Hertha geht es um viel, das ist uns bewusst.» Ein Abstieg würde den durch viele Inves­to­ren-Millio­nen verän­der­ten Club auf dem offen angekün­dig­ten Weg Richtung Spitzen­club nicht nur zurück­wer­fen, sondern die Missi­on dauer­haft gefährden.

Jetzt geht es erst einmal um Schadens­be­gren­zung. Laufbän­der und Fitness-Fahrrä­der werden in die Quaran­tä­ne-Quartie­re der Profis geschickt, aktuell wurde ein virtu­el­les Teammee­ting angesetzt. Dardai übernahm wieder die Anfüh­rer-Rolle, nachdem Fried­rich vor der Quaran­tä­ne-Anord­nung ein Training gelei­tet hatte. «Pal ist klar der Cheftrai­ner. Ich war der Übergangs­trai­ner. Er bekommt meine volle Unter­stüt­zung», beton­te der Ex-Natio­nal­spie­ler und ergänz­te: «Auch bei Pal und den Trainern gab es kein Lamen­tie­ren. Wir werden als Team gestärkt hervorgehen.»

Von Jens Mende, Arne Richter und Eric Dobias, dpa