BERLIN (dpa) — Sie ist ein Klassi­ker in der TV-Landschaft. Die ARD-«Sportschau» ist aber längst nicht nur eine Sendung, sie ist zu einer Marke gewor­den. Und noch immer frisch — trotz ihrer 60 Jahre. Vor allem dank ihres Herzstücks.

Für eine Feier fehlt die Zeit. Wenn die wichtigs­te und erfolg­reichs­te Sport­sen­dung der Republik am Freitag 60 Jahre alt wird, steckt das Team der «Sport­schau» im Endspurt der Vorbe­rei­tung zur Fußball-Europa­meis­ter­schaft. Und am Samstag gibt es auch keine Ausga­be des ARD-Klassi­kers. Weil die Fußball-Bundes­li­ga pausiert — das Herzstück der «Sport­schau».

Ohne die Bundes­li­ga wäre die Sendung nicht zu einer solchen TV-Legen­de gewor­den. Dabei gab es die Spiel­klas­se noch gar nicht, als die «Sport­schau» am 4. Juni 1961 — einem Sonntag — erstmals ausge­strahlt wurde. Kurze Filmbei­trä­ge in Schwarz-Weiß über Handball, Rudern, Radren­nen und Sandbahn­fah­ren, gesen­det am Sonntag­abend um 21.45 Uhr — das war zunächst alles.

Wenig Fußball am Anfang

Der Fußball tauch­te erstmals nach acht Sendun­gen auf, mit der Partie Tasma­nia Berlin gegen Altona 93. Erst ab 1965 gestat­te­te der Deutsche Fußball-Bund beweg­te Bilder aus der Bundes­li­ga, da war die Liga schon zwei Jahre alt. «Die Sport­schau durfte damals nur drei Spiele zeigen, weil der DFB die irrige Auffas­sung vertrat, wenn mehr Fußball gezeigt würde, gingen weniger Leute ins Stadi­on. Das Gegen­teil erwies sich als richtig», sagt der langjäh­ri­ge WDR-Sport­chef und «Sportschau»-Moderator Heribert Faßben­der (80).

Die Arbeits­wei­se der ersten Sport­schau-Jahre wirkt im digita­len Zeital­ter heute abenteu­er­lich. «In der Halbzeit­pau­se holte ein Motor­rad­fah­rer die ersten Filmrol­len ab, um sie ins Kopier­werk nach Köln zu bringen. Der zweite riskier­te nach Spiel­schluss manch­mal Kopf und Kragen. Das waren die Helden der damali­gen Zeit», erzählt Faßbender.

Mehr als 15 Millio­nen Zuschauer

Es war die Zeit von Modera­to­ren wie Ernst Huber­ty und Addi Furler, später von Faßben­der («’n Abend aller­seits»). Sie wurden zu Fernseh­stars wie Peter Franken­feld oder Hans Rosen­thal. Bis zu 15 Millio­nen Menschen schau­ten die «Sport­schau» — «ohne die von der Zuschau­er­for­schung noch nicht erfass­ten Zuschau­er in der DDR», sagt Faßben­der. «Samstags zwischen 18.00 Uhr und 19.00 Uhr war damals Sport­schau-Zeit. Da durfte noch nicht einmal die Erbtan­te anrufen», schmun­zelt er.

Jeder Fußball-Fan in all den Jahrzehn­ten hat seine eigene Verbin­dung mit der «Sport­schau». «Ich kann mich wirklich an meine Kindheit erinnern, auch als ich jünger war als zehn, als ich mit meinem Vater zu Hause saß und “Sport­schau” geguckt habe», sagte Jessy Wellmer (41) kurz vor ihrer ersten Modera­ti­on der Samstags­aus­ga­be vor vier Jahren. Sie bezeich­ne­te die Sendung als «Kultur­er­be des Landes».

Welche Bedeu­tung die Fußball-Bundes­li­ga für die «Sport­schau» hat, zeigte sich insbe­son­de­re in ihrer schlimms­ten Krise. «Die Privat­sen­der trieben die Rechte­kos­ten enorm in die Höhe und sicher­ten sich die Rechte an der höchs­ten deutschen Fußball­klas­se», erinnert sich Faßben­der. In der Zeit von RTL ab 1988 konnte die «Sport­schau» noch Bilder aus der Bundes­li­ga zeigen. Die erste Vorwahl hatte dabei der Privat­sen­der. «Wir hatten aber noch einige Zeit höhere Einschalt­quo­ten als die bis zu drei Stunden hinzie­hen­de Sendung “Anpfiff”, für die aus Kosten­grün­den nach vier Jahren schon wieder Abpfiff war», sagt Faßbender.

Als danach Sat.1 die Bundes­li­ga bei «ran» zusam­men­fass­te, musste die «Sport­schau» vorüber­ge­hend ohne beweg­te Bundes­li­ga-Bilder auskom­men. Die Einschalt­quo­ten sanken drastisch, weil die Zuschau­er nur noch einge­blen­de­te Fotos zu vorge­le­se­nen Bundes­li­ga-Ergeb­nis­sen geboten bekamen. 2003 feier­te die «Sport­schau» dank der zurück­ge­kehr­ten Bundes­li­ga-Berich­te ein Comeback, der TV-Mythos erwach­te zu neuem Leben.

Es geht weiter

«Es ist immer noch eine Famili­en­ver­an­stal­tung», sagt Steffen Simon. Der heuti­ge Leiter der Sendung, zuvor selber im Privat­fern­se­hen unter Vertrag, stell­te die rheto­ri­sche Frage: «Kriegt man Kinder vor das linea­re Fernse­hen? Ja, mit der “Sport­schau”. Wir haben das i‑Phone überlebt, das ist vielleicht die größte Leistung.»

Im Durch­schnitt schau­ten in der abgelau­fe­nen Spiel­zeit 4,789 Millio­nen Menschen zu. Nur einige Live-Übertra­gun­gen locken mehr Sport­lieb­ha­ber vor den Bildschirm. Mindes­tens vier weite­re Jahre darf die «Sport­schau» dank der im Vorjahr erwor­be­nen TV-Rechte am späten Samstag­nach­mit­tag ein Millio­nen­pu­bli­kum vor den Bildschirm locken.

Und dank weite­rer Rechte wird es — neben der Sonntags­aus­ga­be im Ersten — ab dem Sommer weite­re Ableger geben. Beim ARD-Sparten­sen­der One soll es freitags ab 22.30 Uhr Zusam­men­fas­sun­gen der 2. Fußball-Bundes­li­ga unter dem Namen des Sport-Klassi­kers geben und montags ab 0.00 Uhr Highlight-Clips im Inter­net bei «sportschau.de» und in der App. 

Von Micha­el Rossmann und Claas Hennig, dpa