WANGEN — Mit einem kurzwei­li­gen Apéro hat die Genos­sen­schaft „wohnen­Plus“ ihren Einzug in die drei eigenen Gebäu­de im ERBA-Gelän­de gefei­ert. Mit dabei waren Gründungs­mit­glie­der, Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner sowie Gäste unter anderem von Seiten des Gemein­de­rats, der Stadt Wangen und der Landes­gar­ten­schau GmbH.

Aufsichts­rats­vor­sit­zen­de Helga Raible, die durch den Nachmit­tag führte, sprach zu Beginn bei dem Projekt von einem Traum vom selbst­be­stimm­ten Wohnen, das Gemein­schaft und Indivi­dua­li­tät gleicher­ma­ßen zulässt. Von 2010 an, so erinner­te sich Gründungs­mit­glied Eva Wonne­ber­ger, liefen die Bemühun­gen eine Genos­sen­schaft zu gründen. Aus zehn Perso­nen, die zur Gründung bereit waren, sind inzwi­schen 188 Genos­sin­nen und Genos­sen gewor­den. 2018 erhielt „wohnen­Plus“ den Zuschlag für das 2200 Quadrat­me­ter große Grund­stück in der ERBA erstell­te gemein­sam mit der Umwelt­bank ein solides Finan­zie­rungs­kon­zept und begann 2020 mit dem Bau nach den Plänen von Theo Keller, der nicht nur Archi­tekt, sondern auch Motor der Genos­sen­schaft und des gesam­ten Projekts von Anfang an war, wie Oberbür­ger­meis­ter Micha­el Lang in seinem Grußwort feststell­te. 2021 zogen die ersten Bewoh­ner in den Häusern am Spinn­e­rei­gar­ten ein, seit 2022 ist auch der Neubau am Kanal bewohnt. „Wir sind Mieter und Eigen­tü­mer“, sagte Eva Wonneberger. 

Was das „Plus“ des Projekts ausmacht, ließ sich aus den Beiträ­gen von Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­nern entneh­men. Renate Olfen berich­te­te vom Umzug mit ihrem Mann aus Simmer­berg in die ERBA. Sie verkauf­ten ihr großes Haus an eine junge Familie und bezogen eine helle Wohnung im Neubau. „Wir sind hier glück­lich. Es ist eine tolle Mischung aus Alt und Jung“, sagte die Senio­rin. Kein Wunder: 50 Erwach­se­ne und 30 Kinder bewoh­nen die 30 Wohnun­gen im Altbau, in den angebau­ten Reihen­häu­sern und dem Mehrfa­mi­li­en­haus mit Lauben­gän­gen am Kanal. Renate Olfen schloss mit den Worten: „Die Landes­gar­ten­schau 2024 freut mich auch.“ 

Den Alltag in der ERBA schil­der­ten die beiden Famili­en­vä­ter Benja­min Zürn und Daniel Köhler. Der Unter­schied zum Wohnen in der Mietwoh­nung sei die leben­di­ge Gemein­schaft, für die sich alle Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner bewusst entschie­den hätten. Der Alltag sei natür­lich auch nicht frei von Konflik­ten, berich­te­ten sie. Das Zusam­men­le­ben erfor­de­re auch ein hohes Maß an Toleranz, sagte Daniel Köhler.

In die Gebäu­de integriert ist viel Fläche für die Gemein­schaft. Im großen Saal mit Küche treffen sich manche zum Mittag­essen, während andere im Kreativ­raum mit Farbe und Holz werkeln. Im Co-Working-Büro sind alle drei Arbeits­plät­ze belegt, im Stillen Saal findet ein Yoga-Kurs statt. 

Oberbür­ger­meis­ter Micha­el Lang gratu­lier­te zur Fertig­stel­lung und zur gelun­ge­nen Gemein­schaft. Er zeigte sich sehr beein­druckt vom langen Durch­hal­te­ver­mö­gen aller, im Lauf der Jahre an dem Projekt Betei­lig­ter, insbe­son­de­re von Archi­tekt Theo Keller. Er habe schon sehr früh gemein­sam mit der damali­gen Büche­rei­lei­te­rin Gisela Stetter und Eva Wonne­ber­ger für ein solches Projekt Überle­gun­gen angestellt und dabei immer städti­sche Liegen­schaf­ten im Blick gehabt. Nachdem die Stadt 2010 das ERBA-Gelän­de erwor­ben hatte, wollte Keller mit einen Mitstrei­te­rin­nen die alten Arbei­ter­häu­ser überneh­men und sanie­ren. Die Stadt war bis dahin davon ausge­gan­gen, dass diese Häuser nicht erhal­ten werden könnten.

Letzt­lich erhielt die Genos­sen­schaft das alte Gebäu­de im Anschluss an den Konsum und das anschlie­ßen­de Grund­stück. Doch Theo Keller hatte mit seinem Blick auf die Arbei­ter­häu­ser bei der Stadt etwas ausge­löst. „Für uns war klar, wenn Theo Keller sagt, es ist möglich, die alten Gebäu­de zu retten, dann ist das auch möglich“, sagte OB Lang. Er bezeich­ne­te das Projekt als „sozia­les Herzstück des ERBA-Quartiers“ und wünsch­te „weiter­hin einen guten Zusam­men­halt. Zur Freude der Genos­sin­nen und Genos­sen übergab er die große Repro­duk­ti­on eines rund 100 Jahre alten Fotos von der ERBA, das die Wohnhäu­ser der Arbei­ter ins Zentrum rückt. 

Theo Keller sprach mit Blick auf sein „Lebens­pro­jekt“ von einem „Archi­tek­ten-Sechser“. Die drei Gebäu­de seien ein „satter Auftrag“ für ein kleines Büro, wie das Seine gewesen. „Ich sehe ‚wohnen­Plus‘ als einen Puzzle­stein zu einer heile­ren Welt“, sagte er. 

Und was wünschen sich die Genos­sin­nen und Genos­sen für die Zukunft? Mit bunten Ballons ließen die drei Vorstands­mit­glie­der Andre­as Skibicki, Heidrun Mann und Silvia Hurle­baus ihr Zukunfts­vi­sio­nen steigen: Ideen fürs Gemein­schafts­le­ben, aber auch Entwick­lungs­mög­lich­kei­ten wie Photo­vol­ta­ik auf den Dächern und „in Zukunft noch viele weite­re genos­sen­schaft­li­chen Wohnpro­jek­te in der Stadt Wangen“.