STUTTGART (dpa) — In Stutt­gart kommen bis Sonntag etwa 25.000 Katho­li­ken zusam­men. Das sind eine Menge, aber doch weniger als früher, dass die Frage aufkommt: Hat der Katho­li­zis­mus in Deutsch­land noch eine Zukunft?

Inmit­ten einer Kirchen­kri­se wird am Donners­tag in Stutt­gart der 102. Deutsche Katho­li­ken­tag fortge­setzt. Unter anderem disku­tie­ren der Vorsit­zen­de der Deutschen Bischofs­kon­fe­renz, Georg Bätzing, und SPD-General­se­kre­tär Kevin Kühnert über das Thema «Wer braucht noch die Kirche?».

Der Katho­li­ken­tag mit 1500 Veran­stal­tun­gen findet erstmals seit vier Jahren wieder in Präsenz statt. Aller­dings werden bis Sonntag viel weniger Teilneh­mer erwar­tet als sonst, etwa 25 000. Darun­ter sind allein 7000 Mitwir­ken­de. Zum Katho­li­ken­tag 2018 in Münster waren noch 90.000 Menschen gekom­men. Ein Grund für den Rückgang dürfte die Corona-Pande­mie sein. Die Präsi­den­tin des Zentral­ko­mi­tees der deutschen Katho­li­ken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sagte jedoch, die niedri­ge­ren Anmel­de­zah­len hätten auch damit zu tun, dass die katho­li­sche Kirche durch eine «krisen­haf­te Situa­ti­on» gehe.

Der frühe­re Bundes­tags­prä­si­dent Norbert Lammert (CDU) verwies am Mittwoch­abend darauf, dass neuer­dings erstmals eine Mehrheit der deutschen Bevöl­ke­rung nicht mehr Mitglied in einer der beiden großen Kirchen sei. Viele Menschen träten aus der Kirche aus, weil sie der Meinung seien, dass sie ihren Glauben auch ohne sie leben könnten. An den Bischofs­kon­fe­renz-Vorsit­zen­den Bätzing gewandt, sagte Lammert: «Sie werden meinem Eindruck nicht völlig wider­spre­chen wollen, dass neben denen, die seit langem keine Bindung zur Insti­tu­ti­on Kirche mehr hatten, jetzt zuneh­mend die gehen, die eine solche Bindung hatten.»

Umstrit­te­ner Pfarrer

Bätzing vertei­dig­te am Mittwoch­abend die umstrit­te­ne Beför­de­rung eines Pfarrers, der Jahre zuvor zwei Frauen beläs­tigt haben soll. Der Vorfall liege schon viele Jahre zurück, und der Pries­ter habe Reue gezeigt und sich entschul­digt, sagte Bätzing der Deutschen Presse-Agentur. Gleich­zei­tig beton­te er: «Jede Art von Beläs­ti­gung, von Übergrif­fig­keit, sowohl verbal als auch körper­lich, ist ein No-Go. Und das akzep­tie­re ich in keins­ter Weise.»

Durch die «Zeit»-Beilage «Christ & Welt» war am Diens­tag bekannt­ge­wor­den, dass Bätzing in seinem Limbur­ger Bistum einen Pfarrer trotz Vorwür­fen sexuel­ler Beläs­ti­gung zum Bezirks­de­kan berufen hatte. Der Pries­ter soll im Jahr 2000 eine evange­li­sche Pfarre­rin in Ausbil­dung sexuell beläs­tigt haben, später auch eine angehen­de Gemeindereferentin.

Auf die Frage, warum er ausge­rech­net diesen Pfarrer beför­dert habe, antwor­te­te Bätzing: «Kann ich einen Pries­ter, der vor 15 Jahren einen Fehler began­gen hat, den er einsieht, für den er Reue zeigt, für den er um Entschul­di­gung gebeten hat und eine Strafe gezahlt hat — kann ich die unend­lich lange vorhal­ten?» Der hochbe­lieb­te Pfarrer sei von der großen Mehrheit der Seelsor­ge­rin­nen und Seelsor­ger in seinem Bezirk für die Funkti­on des Dekans vorge­schla­gen worden. Als Bischof sei er diesem Votum letzt­lich gefolgt. «Es ist kein Fauxpas. Sondern ich habe im Abwägen der Gesamt­si­tua­ti­on diese Entschei­dung getroffen.»