Schon vor den jüngs­ten Beratun­gen waren Kanzle­rin Merkel und Länder-Regie­rungs­chefs weit ausein­an­der. Kompro­mis­se fanden sich erst in tiefer Nacht — und selbst die sind nun teilwei­se zurückgenommen.

BERLIN (dpa) — Am frühen Diens­tag­mor­gen hat Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU) das neue Konzept der «Ruheta­ge» über Ostern noch verteidigt.

Das diene dazu, «einmal fünf Tage hinter­ein­an­der herun­ter­zu­fah­ren, Geschwin­dig­keit aus der Pande­mie zu nehmen, Infek­tio­nen zu verhin­dern», sagte er zu den Bund-Länder-Beschlüssen.

Eine schwe­re Entschei­dung sei das, die aber sehr helfen werde. Geschäf­te hätten schon am Gründon­ners­tag schlie­ßen müssen, am Karsams­tag hätte allen­falls der Lebens­mit­tel­han­del öffnen dürfen. Schon einen Tag später ist das Ganze Makula­tur: Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) nennt den Beschluss einen Fehler und entschul­digt sich. Das Ganze sei in der Kürze der Zeit nicht machbar gewesen.

Der Präsi­dent der Deutschen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Verei­ni­gung für Inten­siv- und Notfall­me­di­zin (DIVI), Gernot Marx, zeigte sich unter Verweis auf die anste­cken­de­re briti­sche Corona-Mutan­te besorgt. «Da wir ein exponen­ti­el­les Wachs­tum bei den Inten­siv­pa­ti­en­ten in den letzten Tagen sehen können, hätte die Oster­pau­se sicher­lich wieder einige Infek­tio­nen verhin­dern können, die jetzt unver­meid­bar statt­fin­den werden», sagte er den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. Die Inten­siv­me­di­zi­ner appel­lier­ten nun an die Bürger, ein «sehr ruhiges Oster­fest zu feiern», um Infek­tio­nen zu verhindern.

Nach Einschät­zung des Epide­mio­lo­gen Rafael Mikola­jc­zyk von der Univer­si­tät Halle-Witten­berg hinge­gen hätte das Vorha­ben dem mutier­ten Corona­vi­rus sowie­so wenig entge­gen­ge­setzt. «Die Oster­ru­he von fünf Tagen konnte kein durch­schla­gen­des Ergeb­nis bringen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Übertra­gung des Virus hätte ungehin­dert in Famili­en statt­fin­den können. Erst eine «deutlich länge­re Ruhezeit» hätte etwas geändert — obwohl die Idee «epide­mio­lo­gisch in die korrek­te Richtung» gegan­gen sei.

Die rhein­land-pfälzi­sche Minis­ter­prä­si­den­tin Malu Dreyer (SPD) bat ebenfalls, «die Freihei­ten, die es jetzt ein bisschen mehr gibt, verant­wort­lich zu nutzen». Nordrhein-Westfa­lens Regie­rungs­chef Armin Laschet (CDU) appel­lier­te an alle, trotz­dem «Oster­ru­he einkeh­ren zu lassen» und die Feier­ta­ge zuhau­se mit möglichst wenig Kontak­ten zu verbringen.

Was beschlos­sen wurde — und weiter gilt: Bürge­rin­nen und Bürger sind dringend gebeten, «alle Kontak­te auf das absolut notwen­di­ge Minimum zu beschrän­ken und insbe­son­de­re Zusam­men­künf­te in Innen­räu­men zu vermei­den». Sofern keine abwei­chen­den Regelun­gen beschlos­sen wurden, gelten die bishe­ri­gen Vorga­ben weiter. Neuerun­gen sollen die Länder bis zum 29. März in ihre Verord­nun­gen überneh­men, sie gelten norma­ler­wei­se vorerst bis zum 18. April.

Was nun noch gilt:

«NOTBREMSE»: Bund und Länder betonen, es sei notwen­dig, die Anfang März verein­bar­te «Notbrem­se» konse­quent anzuwen­den. Sie soll greifen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwoh­ner in einem Land oder einer Region an drei aufein­an­der­fol­gen­den Tagen über 100 Neuin­fek­tio­nen liegt. Dann gelten ab dem zweiten darauf­fol­gen­den Werktag wieder die Beschrän­kun­gen, die bis zum 7. März in Kraft waren — inklu­si­ve härte­rer Kontakt­re­geln. Weite­re Öffnun­gen soll es nur geben, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 und stabil ist oder sinkt.

INZIDENZ ÜBER 100: In Landkrei­sen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 greifen härte­re Maßnah­men. Diese können so aussehen:

- Pflicht zum Tragen besser schüt­zen­der Masken im Auto für Mitfah­rer, die nicht zum Hausstand des Fahrers gehören

- Auswei­tung einer Schnell­test-Pflicht auf Berei­che, wo Abstands­re­geln und konse­quen­tes Masken­tra­gen erschwert sind

- Ausgangs­be­schrän­kun­gen

- verschärf­te Kontaktbeschränkungen

KONTAKTE: Es dürfen sich weiter­hin maximal fünf Perso­nen aus zwei Haushal­ten treffen. Paare sollen generell als ein Hausstand zählen. Kinder bis 14 Jahre zählen extra.

IMPFSCHUTZ: Das Robert Koch-Insti­tut soll bis zur nächs­ten Bund-Länder-Runde am 12. April einen Bericht dazu vorle­gen, ab welchem Zeitpunkt Geimpf­te «mit so hinrei­chen­der Sicher­heit nicht infek­ti­ös sind, dass eine Einbe­zie­hung in Testkon­zep­te mögli­cher­wei­se obsolet wird».

SCHNELL- UND SELBSTTESTS: So bald wie möglich sollen Beschäf­tig­te in Schulen und Kitas sowie Schüle­rin­nen und Schüler zwei Mal pro Woche getes­tet werden.

ÖFFNUNGEN IN MODELLPROJEKTEN: In «zeitlich befris­te­ten Modell­pro­jek­ten» dürfen die Länder in ausge­wähl­ten Regio­nen auspro­bie­ren, wie sich Berei­che des öffent­li­chen Lebens «mit stren­gen Schutz­maß­nah­men und einem Testkon­zept» öffnen lassen.

ARBEITSPLATZ: Arbeit­ge­ber sollen ihren Mitar­bei­tern weiter­hin Homeof­fice ermög­li­chen. Wo das nicht geht, sollen sie regel­mä­ßi­ge Tests anbie­ten, «mindes­tens einmal und bei entspre­chen­der Verfüg­bar­keit zwei Mal pro Woche». Anfang April sollen die Wirtschafts­ver­bän­de Bericht erstat­ten, wie viele Unter­neh­men sich betei­li­gen. Die Bundes­re­gie­rung will dann mögli­che schär­fe­re Arbeits­schutz­vor­schrif­ten prüfen.

WIRTSCHAFTSHILFEN: Für Unter­neh­men, die beson­ders schwer und lange unter Schlie­ßun­gen leiden, will die Bundes­re­gie­rung weite­re Hilfen entwickeln.

REISEN: Bund und Länder appel­lie­ren «eindring­lich» an die Bürger, auf nicht zwingend notwen­di­ge Reisen im In- und Ausland zu verzich­ten. Für Rückkeh­rer aus auslän­di­schen Gebie­ten mit hohen Infek­ti­ons­zah­len oder mit einer starken Verbrei­tung von Virus­va­ri­an­ten gibt es schon eine Quaran­tä­ne­pflicht. Da insbe­son­de­re bei belieb­ten Urlaubs­zie­len mit einer leich­ten Verbrei­tung von Covid-19-Varian­ten zu rechnen sei, «erwar­ten» Bund und Länder von allen Flugli­ni­en «konse­quen­te Tests von Crews und Passa­gie­ren vor dem Rückflug und keine weite­re Auswei­tung der Flüge während der Oster­fe­ri­en». Aktuell sucht die Bundes­re­gie­rung nach Möglich­kei­ten, touris­ti­sche Reisen ins Ausland zu unterbinden.

Die Bundes­re­gie­rung will zudem einen Test vor dem Abflug für die Einrei­se nach Deutsch­land vorschrei­ben — dafür müsste aber der Bundes­tag einer Änderung des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes zustimmen.

SENIOREN‑, FPLEGE- UND BEHINDERTENHEIME: Ungeimpf­te Bewoh­ner sollen schnell ein Impfan­ge­bot erhal­ten. Das Angebot des Bundes, etwa mit Bundes­wehr­sol­da­ten beim Testen zu helfen, steht weiter.

NÄCHSTE SCHRITTE: Kanzle­rin Angela Merkel will am 12. April wieder mit den Minis­ter­prä­si­den­tin­nen und ‑präsi­den­ten beraten.