BERLIN/MÜNCHEN (dpa) — Am ersten Tag kam die Senkung der Sprit­steu­ern noch nicht komplett bei den Autofah­rern an. Am zweiten Tag steigen die Preise wieder. Eine Ökono­min sieht die Ölkon­zer­ne als Gewinner.

Nur ein Teil der Sprit­steu­er­sen­kung kommt bei den Bürgern an. Am Donners­tag stiegen die Sprit­prei­se wieder, wie der ADAC mitteilte.

Sowohl der Verkehrs­club als auch das Bundes­kar­tell­amt sehen an den Tankstel­len noch Luft für Nachläs­se. «Eigent­lich müsste es weiter nach unten gehen, statt­des­sen steigen die Preise aktuell aber», kriti­sier­te ADAC-Exper­te Chris­ti­an Laberer.

Dem Verkehrs­club zufol­ge koste­te Super­ben­zin der Sorte E10 am Donners­tag um 14.20 Uhr im bundes­wei­ten Durch­schnitt 1,885 Euro pro Liter. Das sind 3,2 Cent mehr als 24 Stunden zuvor. Diesel koste­te 1,934 Euro und damit 2,8 Cent mehr.

Dabei war der Steuer­vor­teil — bei Super­ben­zin sind es 35,2 Cent pro Liter und bei Diesel 16,7 Cent — schon am Mittwoch nicht komplett beim Verbrau­cher angekom­men. Statt­des­sen fielen die Preise im bundes­wei­ten Tages­durch­schnitt von Diens­tag auf Mittwoch nur um 27,3 Cent bei E10 und 11,6 Cent bei Diesel. «Es scheint so, dass ein großer Teil der für die Verbrau­cher gedach­ten Entlas­tung im Moment bei der Mineral­öl­in­dus­trie landet», sagte Laberer.

Laberer hält den aktuel­len Anstieg für nicht gerecht­fer­tigt — zumal der Ölpreis zuletzt gesun­ken sei und an den Tankstel­len inzwi­schen immer mehr steuer­re­du­zier­ter Kraft­stoff ankom­me. Auch insge­samt seien die Preise deutlich zu hoch: Schon vor der Steuer­sen­kung sei E10 seiner Einschät­zung nach um etwa 20 Cent zu teuer gewesen. «Bei Super E10 müsste ein fairer Preis rund 55 Cent unter­halb des Preises vom Diens­tag liegen», zählt er zusam­men. «Also bei etwa 1,60 pro Liter. Davon sind wir im Moment rund 30 Cent entfernt.»

Vor dem langen Pfingstwochenende

Laberer befürch­tet, dass sich diese Lücke nicht schnell schlie­ßen wird. «Die Preise müsse sinken. Es besteht aber die Gefahr, dass das nicht passiert. Gerade jetzt vor der Pfingst­rei­se­wel­le, in der viele Menschen gezwun­gen sind, zu tanken.»

Der Präsi­dent des Bundes­kar­tell­amts, Andre­as Mundt, will den Ölkon­zer­nen sehr genau auf die Finger schau­en, wie er am Donners­tag im Deutsch­land­funk sagte. Es gebe große Trans­pa­renz bei den Preisen. Dies habe den Vorteil, «dass wir unter Umstän­den auch sehr unange­neh­me Fragen stellen können». Zudem will das Kartell­amt die Entwick­lung auch auf Ebene der Raffi­ne­rien und des Großhan­dels genau beobachten.

Angesichts der Preis­ent­wick­lung am Mittwoch sagte Mundt: «Das sind noch nicht die Zahlen, die der Tankra­batt in vollem Umfang erlaubt, aber wir sehen natür­lich schon eine deutli­che Senkung der Kraft­stoff­prei­se gegen­über dem Vortag.» Gleich­zei­tig rief er in einer Mittei­lung seiner Behör­de die Autofah­rer auf, die Sprit­prei­se mit Hilfe einer Preis-App zu verglei­chen. «Im Laufe eines Tages schwan­ken die Preise in ein und dersel­ben Stadt oft um über 20 Cent. Tanken Sie tenden­zi­ell eher am frühen Abend und bei einer der preis­wer­te­ren Tankstellen.»

Aktion läuft bis Ende August

Die Steuer­sen­kung soll bis Ende August gelten. Damit will die Bundes­re­gie­rung angesichts stark gestie­ge­ner Energie­prei­se Verbrau­cher entlas­ten. Aller­dings wirkt sie nicht erst an der Zapfsäu­le, sondern bereits bei Tankla­gern und Raffi­ne­rien. Vor Mittwoch gekauf­te Lager­be­stän­de der Tankstel­len sind daher noch mit der höheren Steuer belastet.

Die Wirtschafts­wei­se Monika Schnit­zer befürch­tet, dass Ölkon­zer­ne trotz fallen­der Preise an den Tankstel­len deutli­chen Profit aus der Steuer­sen­kung schla­gen könnten. «Nach den Erfah­run­gen in der Vergan­gen­heit, insbe­son­de­re bei der Mehrwert­steu­er­sen­kung 2020, halte ich das Risiko für hoch», sagte die Ökono­min der «Augsbur­ger Allge­mei­nen». «Selbst wenn prozen­tu­al dieses Mal mehr von der Steuer­sen­kung weiter­ge­ge­ben wird als vor zwei Jahren, kann der Mehrge­winn der Unter­neh­men durch die unvoll­stän­di­ge Weiter­ga­be in absolu­ten Eurobe­trä­gen doch sehr hoch sein.»

Bei der Mehrwert­steu­er­sen­kung im Sommer 2020 hätten ihren Berech­nun­gen nach die Ölkon­zer­ne 40 Prozent der Steuer­sen­kung einbe­hal­ten, sagte das Mitglied des Sachver­stän­di­gen­rats der Bundes­re­gie­rung. Diesmal stünden die Tankstel­len aller­dings unter beson­ders genau­er Beobachtung.

Der Ökonom Achim Wambach rechnet mit spürba­ren Einspa­run­gen für die Verbrau­cher durch die Steuer­sen­kung. Studi­en hätten ergeben, dass die Mehrwert­steu­er­sen­kung während der Corona-Krise zu 80 Prozent bei Kunden von Diesel und zu 40 Prozent bei Kunden von Benzin weiter­ge­ge­ben worden sei, sagte der Chef des Zentrums für Europäi­sche Wirtschafts­for­schung der «Rheini­schen Post».

Von Tobias Schmidt und Chris­tof Rührmair, dpa