STUTTGART (dpa/lsw) — Kanzler­kan­di­dat Laschet braucht wegen der miesen Umfra­ge­wer­te für die CDU dringend Unter­stüt­zung. Auch von der Südwest-CDU, die eigent­lich mehrheit­lich Söder wollte. Aber Laschet zieht einen Joker.

Es gibt eine schöne Anekdo­te darüber, wie beliebt Fried­rich Merz bei den CDU-Anhän­gern im Muster­länd­le ist. Ein CDU-Bundes­tag­ab­ge­ord­ne­ter veran­stal­te­te immer mal wieder einen Frühschop­pen für die Basis. Da kamen für gewöhn­lich um die 100 Leute. Als Merz als Stargast angekün­digt wurde, wollten ihn 2000 Menschen sehen. Kein Wunder, dass die Landes-CDU sogar mal überleg­te, den Sauer­län­der als Spitzen­kan­di­da­ten gegen den übermäch­ti­gen Grünen-Regie­rungs­chef Winfried Kretsch­mann antre­ten zu lassen. Aber Merz hatte ja bekannt­lich höher­flie­gen­de Pläne. Nur: An Armin Laschet kam er im Rennen um den CDU-Vorsitz nicht vorbei. Doch wie schnell sich die Zeiten ändern: Jetzt kommt der in Bedräng­nis gerate­ne Laschet nicht mehr an seinem alten Wider­sa­cher Merz vorbei — und holt ihn in sein Wahlkampfteam.

Aber fangen wir vorne an. Die Südwest-CDU und Merz passen gut zusam­men. Beide haben schon vor einiger Zeit die Macht verlo­ren, beide sind vor allem auf dem Wirtschafts­flü­gel zu veror­ten und beide greifen auch schon mal zu rusti­ka­le­ren Mitteln, um ihren Willen durch­zu­set­zen. Das führt längst nicht immer zum Erfolg. Als Merz Anfang des Jahres das Rennen um den CDU-Vorsitz gegen NRW-Minis­ter­prä­si­dent Laschet verlor, war das auch eine Pleite für die Südwest-Partei, die ihren Liebling mit großer Mehrheit unter­stützt hatte — und das unmit­tel­bar vor der Landtags­wahl im Südwesten.

Diese ging zum dritten Mal hinter­ein­an­der gegen Kretsch­manns Grüne verlo­ren, diesmal krachend. CSU-Chef Markus Söder hatte das schon voraus­ge­se­hen: Ausge­rech­net beim CDU-Landes­par­tei­tag vor der Wahl verglich er Kretsch­mann mit dem Serien­meis­ter Bayern München. Die Basis hat ihm das nicht übel genom­men, sie konnte ihre eigene Spitzen­kan­di­da­tin Susan­ne Eisen­mann auch kaum mehr ertra­gen. Als der Macht­kampf zwischen Söder und Laschet um die Kanzler­kan­di­da­tur ausbrach, war die Landes-CDU größten­teils wieder gegen Laschet und für Söder. Und wieder setzte der zweit­größ­te Landes­ver­band auf das falsche Pferd.

Doch weil die Umfra­gen für die Union nach der Kür des Kanzler­kan­di­da­ten so mies sind, muss Laschet dringend für Geschlos­sen­heit in der Partei sorgen und auch kriti­sche Landes­ver­bän­de auf seine Seite ziehen. Und so nahm er sich am Diens­tag­abend zwei Stunden Zeit für eine Video­kon­fe­renz mit der Südwest-CDU, etwa 100 Abgeord­ne­te aus Land, Bund und Europa­par­la­ment und Oberbür­ger­meis­ter waren dabei. Schnell rückte er mit seiner zentra­len Botschaft an die Merz-Fans heraus: «Fried­rich Merz gehört für mich fest in den Mannschafts­ka­der der Union für die Bundes­tags­wahl», sagte er nach Angaben aus Teilneh­mer­krei­sen. Das kam dem Verneh­men nach bei vielen gut an. CDU-Landes­chef und Bundes­vi­ze Thomas Strobl sagte den Angaben zufol­ge: «Armin Laschet und Fried­rich Merz bilden eine Union.»

Und trotz­dem musste sich Laschet einiges anhören. Vor allem wurde von einigen Teilneh­me­rin­nen und Teilneh­mern beklagt, wie die Entschei­dung über die Kanzler­kan­di­da­tur abgelau­fen ist. Einmal ist von «totalem Führungs­ver­sa­gen» die Rede, heißt es. Eine Teilneh­me­rin habe festge­stellt, es komme nicht nur auf Inhal­te sondern auch auf die Verpa­ckung an — ein dezen­ter Hinweis darauf, dass Markus Söder aus ihrer Sicht der besse­re Verkäu­fer gewesen wäre. Mehre­re Kreis­vor­sit­zen­de berich­ten demnach, es habe eine Reihe von Austrit­ten gegeben nach Laschets Kür.

Der NRW-Minis­ter­prä­si­dent gibt sich nach Angaben aus Teilneh­mer­krei­sen unbeirrt und wirbt für sich und seinen Kurs. Es nütze nichts, wegen der sinken­den Umfra­ge­wer­te den Grünen hinter­her­zu­lau­fen. «Wir dürfen nicht prophy­lak­tisch grün sein», sagt er einmal. Wenn es im Herbst nach dem Ende der Corona-Krise wieder um den Aufbau der Wirtschaft und den Erhalt der Arbeits­plät­ze gehe, könne der grüne «Hype» wieder vorbei sein. «Dann haben wir eine Chance, diese Bundes­tags­wahl zu gewin­nen», sagte Laschet. Ein paar Spitzen gegen Söder kann er sich demnach nicht verknei­fen: Es sei noch nicht lange her, dass die CSU etwa in der Migra­ti­ons­fra­ge als auch beim CO2-Preis alles andere als modern gewesen sei. «Jetzt sind sie plötz­lich an der Spitze der Ökologiebewegung.»

In der Südwest-CDU überwiegt am Ende der Wille zur Geschlos­sen­heit. So ist etwa Agrar­mi­nis­ter Peter Hauk froh, dass es Söder nicht gewor­den ist. «Populis­mus ist uns noch nie gut zu Gesicht gestan­den», sagt er den Angaben nach über die Kommu­ni­ka­ti­on des bayeri­schen Regie­rungs­chefs. Und Landtags­frak­ti­ons­chef Wolfgang Reinhart appel­liert demnach an die eigenen Reihen, die CDU müsse wieder mehr Begeis­te­rung ausstrah­len, sonst könne man die Wähle­rin­nen und Wähler nicht von sich begeis­tern. «Wir müssen raus aus Oberjammergau.»

Jammern gilt nicht, ist auch Laschets Botschaft zum Schluss. Er verste­he zwar, dass die Südwest-CDU es weiter als Schmerz empfin­de nur Junior­part­ner der Grünen zu sein, erklär­te er nach Angaben aus Teilneh­mer­krei­sen. Er rate aber dringend dazu, dies nun inner­lich zu akzep­tie­ren. Es sei keine gute Idee so zu tun, als sei man der Besse­re. Denn: Er sei froh darüber, dass Grün-Schwarz im Ländle dann doch geklappt hat. Wenn es in Baden-Württem­berg eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP gegeben hätte, wäre das bis zur Bundes­tags­wahl eine Thema gewesen.

Von Henning Otte, dpa