LONDON (dpa) — In einem emotio­na­len und hochklas­si­gen Finale gewinnt Novak Djoko­vic zum siebten Mal den Klassi­ker in Wimble­don. Nick Kyrgi­os fängt brillant an, unter­mau­ert dann aber wieder sein negati­ves Image.

Novak Djoko­vic breite­te die Arme aus, nahm ein Stück Rasen in den Mund und legte sich überglück­lich auf den Boden. Aus den Händen von Herzo­gin Kate erhielt der Tennis-Super­star die golde­ne Trophäe für seinen vierten Wimble­don-Titel in Serie.

Djoko­vic krönte sich das siebte Mal zum König beim Rasen-Klassi­ker und feier­te seinen insge­samt 21. Titel bei einem Grand-Slam-Turnier. In einem emotio­na­len und hochklas­si­gen Finale bezwang der 35 Jahre alte Serbe den ungesetz­ten Heraus­for­de­rer Nick Kyrgi­os mit 4:6, 6:3, 6:4, 7:6 (7:3).

«Ich habe keine Worte mehr, was dieses Turnier und diese Trophäe für mich bedeu­tet. Jedes einzel­ne Mal wird es immer bedeu­ten­der und spezi­el­ler», schwärm­te Djoko­vic und gratu­lier­te auch dem Austra­li­er. «Du hast gezeigt, warum du einer der besten Spieler der Welt bist.» Dabei spiel­te er auch auf die lange Zeit schwie­ri­ge Bezie­hung zu Kyrgi­os an, die sich erst dieses Jahr gebes­sert hatte, als dieser ihn bei seiner verwei­ger­ten Einrei­se zu den Austra­li­an Open unter­stützt hatte. «Ich habe nie gedacht, dass ich so viele nette Sachen über dich sage. Jetzt ist es offizi­ell eine Bromance. Hoffent­lich ist es der Beginn einer wunder­ba­ren Beziehung.»

Der Austra­li­er mit dem Bad-Boy-Image brach­te sich nach starkem Start durch Debat­ten mit dem Schieds­rich­ter, Zuschau­ern und seinem eigenen Anhang auch selbst aus dem Rhyth­mus. Nach der Nieder­la­ge saß er mit leerem Blick und roter Kappe auf dem Kopf regungs­los auf seiner Bank.

Kyrgi­os über Djoko­vic: «Er ist eine Art Gott»

«Er ist eine Art Gott. Ich denke, ich habe ganz gut gespielt», sagte der 27-Jähri­ge und bedank­te sich sogar bei den Unpar­tei­ischen: «Ihr wisst, ihr und ich habt eine schwie­ri­ge Beziehung.»

Nach 3:01 Stunden verwan­del­te Djoko­vic seinen dritten Match­ball. Für ihn war es der vierte Titel beim Rasen-Klassi­ker in Serie. In der ewigen Besten­lis­te bei Grand-Slam-Erfol­gen liegt er nur noch einen Titel hinter dem 22-maligen Sieger Rafael Nadal. Der Spani­er hatte verletzt auf sein Halbfi­na­le gegen Kyrgi­os verzich­ten müssen.

Djoko­vic gewann durch den Final­erfolg sein 28. Wimble­don-Spiel in Serie, nur Roger Federer hat mit acht Titeln öfter an der Church Roard trium­phiert. Kyrgi­os verpass­te hinge­gen den Coup als erst dritter ungesetz­ter Spieler nach Boris Becker 1985 und Goran Ivanis­e­vic, Djoko­vic’ heuti­gem Trainer, 2001.

Kyrgi­os fordert Rauswurf von Zuschauerin

Mit Showein­la­gen wie Schlä­gen durch die Beine und seinem Aufschlag mit bis zu 218 Stunden­ki­lo­me­tern begeis­ter­te Kyrgi­os seine Fans. Doch durch eine Privat­feh­de mit einer angeb­lich betrun­ke­nen Zuschaue­rin, dessen Rauswurf er forder­te, und Vorwür­fen an seine Box unter­mau­er­te der 27-Jähri­ge auch sein negati­ves Bild in der Öffentlichkeit.

Weniger spekta­ku­lär waren die Reaktio­nen nach dem überra­schen­den Final­sieg der Kasachin Jelena Rybaki­na über die Weltrang­lis­ten-Zweite Ons Jabeur aus Tunesi­en. Die gebür­ti­ge Russin feier­te ihr 3:6, 6:2, 6:2 fast emoti­ons­los, erst beim Gedan­ken an ihre Eltern flossen am Samstag­abend die Tränen.

Ein «emotio­na­les Feuer­werk» von beiden Spielern hatte Djoko­vic vorab verspro­chen — und die Stimmung auf dem komplett gefüll­ten Centre Court war von Beginn an bei ähnlich verteil­ten Sympa­thien präch­tig. In seinem ersten Aufschlag­spiel servier­te Kyrgi­os unter dem Raunen der Zuschau­er direkt von unten, Djoko­vic konter­te nach dem Return eiskalt per Stopp am Netz.

Djoko­vic lässt sich nicht aus dem Konzept bringen

In der royalen Box nahm erstmals der acht Jahre alte Prinz George im dunklen Anzug mit Krawat­te zwischen seinen Eltern Herzo­gin Kate und Prinz William Platz. Und die Familie sah einen furcht­lo­sen Auftritt von Kyrgi­os, den seine drei Tage Pause nicht aus dem Tritt gebracht hatten. Statt­des­sen hatte erneut Djoko­vic wie in den vorigen beiden Runden im ersten Satz Proble­me, ein Doppel­feh­ler des Serben brach­te Kyrgi­os das Break zum 3:2 aus Sicht des Austra­li­ers. Per Ass sicher­te er sich nach nur 31 Minuten den ersten Durchgang.

Bei zwei seiner sechs bishe­ri­gen Wimble­don-Titel hatte Djoko­vic ebenfalls den Auftakt­satz verlo­ren und geriet erneut nicht aus dem Konzept. Mit einem Netzrol­ler nutzte der 35-Jähri­ge seinen ersten Break­ball zum 3:1, Kyrgi­os zeigte erste negati­ve Emotio­nen, deute­te ironisch mit dem Daumen nach oben in Richtung Tribü­ne. Als der Austra­li­er einen Stopp erlief und Djoko­vic vergeb­lich auf den Rasen hechte­te, stand erstmals fast das komplet­te Publi­kum jubelnd auf. Djoko­vic wehrte vier Break­bäl­le ab und glich nach Sätzen aus.

Kyrgi­os zwischen Genie und Wahnsinn

Genie und Wahnsinn bei Kyrgi­os wechsel­ten sich in immer kürze­ren Abstän­den ab, Traum­schlä­ge folgten auf leich­te Fehler. Immer öfter debat­tier­te der umstrit­te­ne Austra­li­er mit Schieds­rich­ter Renaud Lichten­stein, beschul­dig­te eine Zuschaue­rin «700 Drinks» gehabt zu haben, erhielt eine Verwar­nung. Beim Stand von 4:4 führte Kyrgi­os bereits 40:0, verlor fünf Punkte in Serie und seinen Aufschlag. Inzwi­schen zeter­te der Austra­li­er nur noch und verlor den Satz.

Der vierte Satz wurde zum Nerven-Krimi. Kyrgi­os stabi­li­sier­te sich wieder, beide Spieler blieben lange bei eigenem Aufschlag konstant. Bei 5:6 und 30:30 musste Djoko­vic zittern. Er schaff­te es in den Tie-Break und behielt die Nerven. Nachdem er wegen verwei­ger­ter Einrei­se die Austra­li­an Open verpasst hatte, wird es nach aktuel­lem Stand der einzi­ge Grand-Slam-Triumph dieses Jahres für Djoko­vic bleiben, da er ungeimpft auch nicht zu den US Open reisen darf.