An diesem Mittwoch wird in Bundes­tag und Bundes­rat über weite­re Änderun­gen am Infek­ti­ons­schutz­ge­setz abgestimmt. Es geht dabei um die recht­li­chen Grund­la­gen für die Corona-Maßnah­men. Von der Opposi­ti­on kommt Kritik, außer­dem haben Corona-Gegner Protes­te angekündigt.

BERLIN (dpa) — Vor der Abstim­mung über die geplan­ten Neure­ge­lun­gen des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes an diesem Mittwoch berei­tet sich die Polizei auf Demons­tra­tio­nen und womög­lich gewalt­tä­ti­ge Protes­te von Gegnern vor.

Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te wurden zudem mit Tausen­den kriti­schen Spam-Emails bombar­diert. Vertre­ter der Regie­rungs­par­tei­en wiesen Verglei­che des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes mit dem sogenann­ten Ermäch­ti­gungs­ge­setz von 1933 scharf zurück. Damals hatte sich der Reichs­tag selbst entmach­tet und die Gesetz­ge­bung auf Reichs­kanz­ler Adolf Hitler übertragen.

Bundes­au­ßen­mi­nis­ter Heiko Maas (SPD) twitter­te am Diens­tag: «Völlig unabhän­gig davon, ob man sie für richtig hält: Die Corona­maß­nah­men, die wir beschlie­ßen, haben nichts mit dem Ermäch­ti­gungs­ge­setz zu tun. Wer so infame Verglei­che anstellt, verhöhnt die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus und zeigt, dass er aus der Geschich­te nichts lernt.» SPD-General­se­kre­tär Lars Kling­beil schrieb: «Ermäch­ti­gungs­ge­setz? Leute, das ist nicht euer Ernst!!!»

CSU-Landes­grup­pen­chef Alexan­der Dobrindt sprach vor einer Sitzung der Unions­frak­ti­on von einer böswil­li­gen Lüge, wenn von den Kriti­kern von einem «Ermäch­ti­gungs­ge­setz» gespro­chen werde. Es gehe nicht darum, dass die Rechte des Parla­men­tes aufge­he­belt, sondern gestärkt werden sollten. Auch Vorwür­fe, es gebe keine zeitli­che Befris­tung, seien falsch — ausdrück­lich seien Befris­tungs­re­ge­lun­gen in das Gesetz einge­ar­bei­tet worden. Auch eine Impfpflicht sei nicht geplant.

Viele Abgeord­ne­te wurden vor der Abstim­mung mit einer Flut von kriti­schen Spam-E-Mails gegen das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz überschwemmt. Allein sein Büro habe bis zum Diens­tag­vor­mit­tag etwa 37 000 solche Mails erhal­ten, berich­te­te Dobrindt. Die überwie­gen­de Mehrzahl habe identi­sche Textstel­len. Wer dahin­ter stehe, könne man nicht klären. Auch Grüne berich­te­ten Ähnliches.

Unions­frak­ti­ons­chef Ralph Brink­haus sagte: «Ja, wir habe viele Mails gekriegt. Da waren natür­lich Spam-Mails dabei. Da waren aber auch Bürge­rin­nen und Bürger dabei, die besorgt waren, und insofern gehört das zum ganz norma­len parla­men­ta­ri­schen Geschäft.» Es sei die Heraus­for­de­rung, «Kampa­gnen zu diffe­ren­zie­ren von den Bürge­rin­nen und Bürgern, die Fragen haben, die besorgt sind». Er vertei­dig­te die geplan­ten Änderun­gen des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes. Man habe eine Grund­la­ge dafür geschaf­fen, dass in der Pande­mie angemes­sen, verhält­nis­mä­ßig und aber auch flexi­bel reagiert werden könne.

Für Mittwoch sind in Berlin mehre­re Demons­tra­tio­nen angemel­det — von Gegnern der Corona-Einschrän­kun­gen wie den sogenann­ten Querden­kern sowie von Gegen­de­mons­tran­ten. Mehre­re geplan­te Kundge­bun­gen vor dem Bundes­tag dürfen dort aller­dings nicht statt­fin­den. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, lehnte das Bundes­in­nen­mi­nis­te­ri­um am Diens­tag zwölf Anträ­ge auf Zulas­sung von Versamm­lun­gen in der Umgebung von Bundes­tag und Bundes­rat ab. Der Sicher­heits­be­auf­trag­te des Bundes­tags hatte zuvor an die Abgeord­ne­ten geschrie­ben, dass das Berli­ner Landes­kri­mi­nal­amt Anlass zur Sorge sehe, «dass der Parla­ments­be­trieb beein­träch­tigt wird, weil sowohl mit Angrif­fen auf die Gebäu­de des Deutschen Bundes­ta­ges und auch auf Perso­nen» zu rechnen sei.

Bei den Änderun­gen des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes, die am Mittwoch beschlos­sen werden soll, geht es um prakti­sche Fragen, wie eine Auswei­tung von Entschä­di­gungs­re­geln bei Verdienst­aus­fall für Eltern, die wegen Corona-Maßnah­men keine Kinder­be­treu­ung haben. Viel disku­tiert wird aber vor allem über die Passa­gen im Gesetz, die das Verfah­ren bei der Verord­nung von Corona-Maßnah­men regeln.

Das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz war im Zuge der Corona-Pande­mie schon mehrfach refor­miert worden. Unter anderem wurde einge­führt, dass der Bundes­tag eine epide­mi­sche Lage von natio­na­ler Tragwei­te feststel­len und wieder aufhe­ben kann. Wird eine solche Lage festge­stellt, was der Bundes­tag im Frühjahr getan hat, bekommt das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um Sonder­be­fug­nis­se, um Rechts­ver­ord­nun­gen zu erlas­sen, ohne dass der Bundes­rat zustim­men muss. Norma­ler­wei­se ist bei Verord­nun­gen der Regie­rung ein Ja der Länder­kam­mer notwendig.

Mit der erneu­ten Reform des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes werden nun weite­re Details geregelt. Unter anderem soll ein neuer Paragraf 28a ins Gesetz einge­fügt werden, der im Detail auflis­tet, welche Schutz­maß­nah­men, von Landes­re­gie­run­gen und zustän­di­gen Behör­den gegen das Corona­vi­rus verord­net werden können. Das sind etwa Kontakt­be­schrän­kun­gen, Abstands­ge­bo­te, eine Masken­pflicht im öffent­li­chen Raum oder auch Beschrän­kun­gen oder Schlie­ßun­gen von Geschäf­ten und Veran­stal­tun­gen — also Vorga­ben, die in der Corona-Pande­mie auch bereits gemacht wurden.

Opposi­ti­on, Wirtschafts­ver­bän­de und Juris­ten kriti­sie­ren das Vorha­ben. Sie sehen zu starke Eingrif­fe in die Grund­rech­te und fordern mehr Mitspra­che der Parla­men­te bei den Corona-Maßnah­men. Der Gesetz­ent­wurf der Regie­rung schrei­be die Konzen­tra­ti­on der Entschei­dungs­macht im Hause von Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) fort, sagte Linke-Chefin Katja Kipping am Diens­tag. Die Linke will dem Entwurf nach Angaben von Frakti­ons­chef Dietmar Bartsch nicht zustim­men. Auch die FDP lehnt ihn ab: «Für uns ist der Handlungs­spiel­raum der Regie­rung beim Eingriff in Grund­rech­te unver­än­dert zu groß», sagte Frakti­ons­chef Chris­ti­an Lindner.