Viele Wirte sind gegen Betriebs­schlie­ßun­gen versi­chert, bekom­men von ihren Versi­che­run­gen aber kein Geld für Corona-Verlus­te. Manche gaben sich mit einer Teilent­schä­di­gung zufrie­den, doch auch das wird nun angefoch­ten — ein neuer Aspekt einer bundes­wei­ten Klagewelle.

Die Allianz hat in der Corona-Pande­mie neuen juris­ti­schen Ärger mit ihren Betriebs­schlie­ßungs­ver­si­che­run­gen. Die Geschäfts­füh­rung des über die Münch­ner Stadt­gren­zen hinaus bekann­ten Wirts­hau­ses Donisl am Marien­platz hat gegen die Verein­ba­rung Klage einge­reicht, die der größte deutsche Versi­che­rer im Frühjahr mit vielen seiner Kunden aus der Gastro­no­mie abgeschlos­sen hatte. Das teilte die vom Donisl beauf­trag­te Anwalts­kanz­lei Beiten Burkhardt am Mittwoch mit.

Im Rahmen der Verein­ba­rung hatte die Allianz den Wirten 15 Prozent ihrer Kosten ersetzt, aber Rechts­an­sprü­che aus den Betriebs­schlie­ßungs­po­li­cen nicht anerkannt. Die Anwalts­kanz­lei wirft dem Unter­neh­men vor, diese Verein­ba­rung sei ungül­tig und sitten­wid­rig. Die Allianz wies das zurück. Bislang ist die Klage noch nicht zugestellt.

Seit Monaten läuft bundes­weit vor den Zivil­kam­mern eine Prozess­wel­le von Gastro­no­men gegen Versi­che­run­gen, die nicht für die coronabe­ding­ten Schlie­ßun­gen zahlen wollen. Bislang kamen die Klagen aber von Wirten, die die Verein­ba­rung nicht unter­schrie­ben hatten. Der Donisl ist nun das erste Wirts­haus, das eine Klage gegen diese Verein­ba­rung öffent­lich macht, die neben der Allianz noch weite­re Versi­che­rer ihren Gastro­no­mie- und Hotel­kun­den angebo­ten hatten.

Grund­la­ge der Klage ist unter anderem, dass das Münch­ner Landge­richt die Versi­che­rungs­be­din­gun­gen der Allianz bei mehre­ren der bishe­ri­gen Zivil­pro­zes­se als intrans­pa­rent kriti­siert hat. Bei den strit­ti­gen Policen sind ausdrück­lich Schlie­ßun­gen auf Grund­la­ge des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes versi­chert. Die Allianz hat in den Bedin­gun­gen eine Reihe von Krank­hei­ten und Erregern aufge­zählt, zu denen Covid-19 als neue Krank­heit nicht zählt. Ausdrück­lich ausge­schlos­sen sind in den Policen aber nur Prionen­er­kran­kun­gen, also die Rinder­seu­che BSE und verwand­te Formen.

Die Donisl-Anwäl­te argumen­tie­ren nun auf dieser Grund­la­ge, dass die 15-Prozent-Verein­ba­rung von vornher­ein ungül­tig sei, weil die Rechts­an­sprü­che gedeckt seien. Zudem wirft die Kanzlei der Allianz vor, die Gastro­no­men unter Druck gesetzt zu haben. «Diese Verein­ba­rung ist insbe­son­de­re sitten­wid­rig», sagte Anwalt Maximi­li­an Degen­hart. «Die Beklag­te» — also die Allianz — «hat der Kläge­rin nach dem Prinzip «do or die» bildlich gespro­chen die Pisto­le an die Brust gesetzt, das «kulan­te» Angebot an eine kurze, dreiwö­chi­ge Frist gebun­den und die Kläge­rin so in sitten­wid­ri­ger Art und Weise unter Druck gesetzt, eine Versi­che­rungs­leis­tung in Höhe von nur 15 Prozent anzunehmen.»

Die Allianz wehrt sich: «Unser Angebot erfolg­te ohne Anerkennt­nis einer Rechts­pflicht und dem expli­zi­ten Hinweis, dass bei Annah­me unseres Angebots keine weite­ren Ansprü­che erhoben werden können», erklär­te ein Sprecher. Der Konzern will demnach auch für den Fall, dass die Allianz schluss­end­lich vor den Gerich­ten gewinnt, kein Geld von Wirten zurück­for­dern, die die Verein­ba­rung unter­schrie­ben haben.

Bislang gibt es laut Allianz auch kein Urteil, bei dem der Konzern zu Zahlun­gen aus der Betriebs­schlie­ßungs­ver­si­che­rung in Verbin­dung mit Corona verur­teilt worden wäre. Die bisher abgeschlos­se­nen Fälle sind laut Unter­neh­men alle zu Gunsten der Allianz ausge­gan­gen. Aller­dings stehen in vielen Fällen die Entschei­dun­gen noch aus.

Anwalt Degen­hart verweist darauf, dass der Allianz die Gefahr einer Pande­mie durch­aus bekannt war. So gab es 2006 eine gemein­sa­me Studie von Allianz und dem Rheinisch-Westfä­li­schen Insti­tut für Wirtschafts­for­schung, in der der auf die Risiken hinge­wie­sen wurde. «Die Frage ist daher nicht, ob eine Pande­mie kommt, sondern wann sie kommt», sagte der damali­ge Präsi­dent des Robert-Koch-Insti­tuts, Reinhard Kurth, in einem Inter­view mit den Studienautoren.