STUTTGART (dpa/lsw) — In mehre­ren Kommu­nen im Südwes­ten eskaliert das Infek­ti­ons­ge­sche­hen. Das Land schränkt das öffent­li­che Leben in diesen Regio­nen nun drastisch ein. Aber es gibt Wider­stand gegen Ausgangs­be­schrän­kun­gen.

Wegen ausufern­der Infek­ti­ons­zah­len gelten in Corona-Hotspots bald schär­fe­re Kontakt­be­schrän­kun­gen und nächt­li­che Ausgangs­be­schrän­kun­gen. Das Land schick­te am Freitag einen entspre­chen­den Erlass an die Kommu­nen, der harte Maßnah­men anord­net für alle beson­ders von der Pande­mie betrof­fe­nen Kreise. Derzeit sind den Infek­ti­ons­zah­len zufol­ge Mannheim, Pforz­heim und Calw betrof­fen. Das Land geht davon aus, dass die neuen Regeln inner­halb der nächs­ten Woche umgesetzt werden. Zuvor hatten einzel­ne Kommu­nen bereits auf eigene Faust schär­fe­re Corona-Regeln beschlossen.

DIE HOTSPOT-REGELN — Öffent­lich und privat darf sich in Hotspots nur noch ein Haushalt mit einer weite­ren Person treffen, maximal aber fünf Perso­nen. Kinder bis 14 werden nicht gezählt. Veran­stal­tun­gen werden allge­mein verbo­ten — mit wenigen Ausnah­men wie religiö­sen Veran­stal­tun­gen, Gerichts­ter­mi­nen oder Gemein­de­rats­sit­zun­gen. Kranken­häu­ser und Pflege­hei­me dürfen nur noch nach Antigen­test oder mit FFP2-Maske besucht werden. Friseur­be­trie­be sowie Barber­shops und Sonnen­stu­di­os werden geschlos­sen. Sport­stät­ten und Schwimm­bä­der werden auch für den Schul- und Freizeit­sport geschlos­sen. Beson­de­re Aktio­nen im Einzel­han­del wie Räumungs- oder Schluss­ver­käu­fe werden verbo­ten. Auch Floh- und Jahrmärk­te sind nicht erlaubt.

DIE GÜLTIGKEIT — Betrof­fen von den Regeln sind Kreise, in denen die sogenann­te Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage lang über der kriti­schen Marke von 200 liegt. Das bedeu­tet mehr als 200 Neuin­fek­tio­nen pro 100 000 Einwoh­ner binnen einer Woche. Gleich­zei­tig wird ein diffu­ses Infek­ti­ons­ge­sche­hen als Bedin­gung genannt. Dann müssen die Kommu­nen die neuen Hotspot-Regeln per Allge­mein­ver­fü­gung umset­zen. Sobald der Sieben-Tage-Inzidenz­wert fünf Tage in Folge unter der 200er-Marke liegt, kann die Allge­mein­ver­fü­gung wieder aufge­ho­ben werden. Nur aus wichti­gen Gründen können Kommu­nen im Einzel­fall von dem Erlass abwei­chen, falls das Sozial­mi­nis­te­ri­um grünes Licht gibt.

DIE AUSGANGSBESCHRÄNKUNGEN — Teil der Hotspot-Strate­gie des Landes sind auch allge­mei­ne nächt­li­che Ausgangs­be­schrän­kun­gen. Das Verlas­sen der Wohnung ist in den betrof­fe­nen Kreisen zwischen 21.00 Uhr und 5.00 Uhr nur noch aus trifti­gen Gründen erlaubt. Dazu gehören beruf­li­che Tätig­kei­ten und der Besuch beim Arzt und Thera­peu­ten. Ausnah­men gelten auch für Menschen, die Minder­jäh­ri­ge beglei­ten, Sterben­de betreu­en und Tiere versor­gen müssen.

DIE VORPRESCHER — Mehre­re Kommu­nen wollten nicht auf den Erlass des Landes warten und haben per Verfü­gung bereits eigene stren­ge­re Corona-Regeln beschlos­sen. In der Stadt Mannheim gilt bereits ab Freitag­abend eine Ausgangs­be­schrän­kung, laut Verfü­gung zunächst bis zum 14. Dezem­ber. Die Polizei kündig­te stren­ge Kontrol­len an. Im Kreis Tuttlin­gen und im Schwarz­wald-Baar-Kreis treten ab Samstag schar­fe Kontakt­be­schrän­kun­gen in Kraft, die zum großen Teil mit den Hotspot-Regeln des Landes überein­stim­men — aller­dings sind dort keine Ausgangs­be­schrän­kun­gen geplant. Auch die Landkrei­se Calw und Lörrach beschlos­sen am Freitag ein Verbot von Veran­stal­tun­gen und weite­re stren­ge­re Maßnahmen.

VERWIRRUNG — Die Landrä­te aus dem Kreis Tuttlin­gen und dem Schwarz­wald-Baar-Kreis zeigten sich am Freitag skeptisch mit Blick auf Ausgangs­be­schrän­kun­gen. Landrat Sven Hinter­seh (CDU) kündig­te an, dass es vorerst keine Ausgangs­be­schrän­kun­gen im Schwarz­wald-Baar-Kreis geben werde. Der Kreis wolle selbst entschei­den, sagte auch der Tuttlin­ger Landrat Stefan Bär (Freie Wähler). «Einen Automa­tis­mus sehen wir nicht.» Wenn das Land solche weitge­hen­den Maßnah­men vorge­be, sei das auch eine Frage der Kontrol­le und Überwa­chung. Ausgangs­be­schrän­kun­gen würden nur funktio­nie­ren, wenn zusätz­li­che Polizei­kräf­te abgestellt würden, sagte Bär. Beide Kommu­nen ärger­ten sich generell über die Corona-Politik der Landes­re­gie­rung. «Maßnah­men, die sich alle drei Tage ändern — das hätte man auch anders machen können», kriti­sier­te Bär. In beiden Kreisen lag der Inzidenz­wert am Donners­tag erstmals wieder leicht unter der 200er-Grenze — im Kreis Tuttlin­gen bei 192,5, im Schwarz­wald-Baar-Kreis bei 195,3.

Droht also ein Flicken­tep­pich? Im Staats­mi­nis­te­ri­um zeigte man sich verwun­dert angesichts der Kritik der Kommu­nen. In Verwal­tungs­an­ge­le­gen­hei­ten seien die Landkrei­se weisungs­ge­bun­den, hieß es. Außer­dem habe man das Vorge­hen mit den Kommu­nal­ver­bän­den abgestimmt. Die Kommu­nal­ver­bän­de vertei­dig­ten denn auch die neuen Einschrän­kun­gen. Ihm sei bewusst, dass Ausgangs­be­schrän­kun­gen ein hefti­ges Mittel seien, sagte der Präsi­dent des Gemein­de­tags, Roger Kehle, der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe aber keine andere Möglich­keit. Die Kommu­nen stünden nun aber hinter dem gefun­de­nen Kompro­miss. Es sei richtig, dass lange und inten­siv um solche Maßnah­men gerun­gen werde, da es sich um große Einschnit­te für die Menschen im Land handele.

Auch der Landkreis­tag will die Ausgangs­be­schrän­kun­gen mittra­gen. «Die im Hotspot-Erlass vorge­se­he­nen Instru­men­te sind geeig­net, das Infek­ti­ons­ge­sche­hen einzu­däm­men», beton­te Präsi­dent Joachim Walter. «Wichtig bei alldem ist, dass der Erlass eine Öffnungs­klau­sel enthält, um im Einver­neh­men mit dem Sozial­mi­nis­te­ri­um auf die Vor-Ort-Situa­ti­on reagie­ren zu können.»