BERLIN (dpa) — «Schnell impfen»: Der Virolo­ge Drosten fürch­tet spätes­tens im Herbst wieder steigen­de Infek­ti­ons­zah­len. Erneu­te Kontakt­be­schrän­kun­gen wie in England müsse es aber nicht zwangs­läu­fig geben.

Trotz insge­samt sinken­der Corona-Zahlen ist die als anste­cken­der gelten­de Delta-Varian­te des Virus auch in Deutsch­land auf dem Vormarsch.

Nachdem bereits mehre­re Bundes­län­der gemel­det haben, dass der Anteil der Varian­te an den Neuin­fek­tio­nen zuletzt spürbar gestie­gen ist, werden am Mittwoch neue Daten des Robert Koch-Insti­tuts (RKI) erwar­tet. Es ist damit zu rechnen, dass sich die zunächst in Indien entdeck­te Mutan­te in vielen Teilen Deutsch­lands weiter ausge­brei­tet hat — wenn auch auf insge­samt niedri­gem Niveau.

Der Virolo­ge Chris­ti­an Drosten plädiert angesichts der Entwick­lung dafür, das Bewusst­sein für die Bedeu­tung der Impfung zu stärken. «Das ist wirklich das, was wir jetzt machen müssen», sagte der Exper­te der Berli­ner Chari­té im Podcast «Corona­vi­rus-Update» (NDR-Info).

Drosten sieht andere Ausgangs­la­ge als in England

Er legte sich nicht fest, ob es wegen der Ausbrei­tung der Delta-Varian­te bereits im Sommer oder erst im Herbst zu einer Trend­um­kehr kommen könnte. Im Herbst werde die Inzidenz auf jeden Fall wieder steigen, sagte Drosten und beton­te die Wichtig­keit der Impfung bei Eltern von Schulkindern.

«Wir müssen einfach schnell impfen», lautet der Appell des Virolo­gen. Reiche dies nicht, müsse man erneut mit Kontakt­be­schrän­kun­gen gegen­steu­ern. «Aber es gibt auch gute Gründe zu denken, dass das in Deutsch­land nicht notwen­dig wird.» In England, wo sich die Corona-Lage wegen der Delta-Varian­te wieder verschlech­tert hat, sei die Sieben-Tage-Inzidenz ausge­hend von einem Niveau von 25 wieder angestie­gen. «Man hatte nicht so weit runter­ge­bremst, wie wir das jetzt in Deutsch­land schon gemacht haben.»

Hierzu­lan­de lag der Wert zuletzt bei 7,2 Infek­tio­nen pro Woche und 100.000 Einwoh­ner, wie aus Daten des Robert Koch-Insti­tuts vom Mittwoch­mor­gen hervor­geht (Vortag: 8,0; Vorwo­che: 13,2). Die Gesund­heits­äm­ter melde­ten dem RKI binnen eines Tages 1016 neue Infek­tio­nen (Vorwo­che: 1455).

Delta-Varian­te zuletzt bei 6 Prozent

In Deutsch­land hatte der Anteil der Delta-Varian­te in einer Zufalls­stich­pro­be nach Daten des RKI zuletzt bei gut 6 Prozent (Woche vom 31. Mai bis 6. Juni) gelegen. Das war eine Zunah­me im Vergleich zu den Wochen davor, der Trend bei der absolu­ten Zahl der Nachwei­se ist jedoch rückläufig.

Am Mittwoch­abend wird der neue Virus­va­ri­an­ten­be­richt des Robert Koch-Insti­tuts erwar­tet. In Großbri­tan­ni­en ist Delta bereits die dominie­ren­de Variante.

Am Diens­tag melde­ten mehre­re Bundes­län­der, dass der Anteil der Varian­te auch bei ihnen gestie­gen sei. In Hessen macht sie nach Angaben von Gesund­heits­mi­nis­ter Kai Klose (Grüne) bereits mehr als ein Fünftel der Neuan­ste­ckun­gen aus. «Wir haben doch deutli­che Anzei­chen, dass Delta auch in Hessen mittler­wei­le schon über 20 Prozent der Fälle dominiert», sagte er.

In Bayern hat sich die Zahl der bestä­tig­ten Infek­tio­nen mit der Delta-Varian­te im Verlauf einer Woche fast verdop­pelt — von 132 auf 229 Fälle, wie Staats­kanz­lei­chef Flori­an Herrmann (CSU) mitteil­te. In einzel­nen Laboren betra­ge der Anteil inzwi­schen fast ein Viertel. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt erklärt, es sei nicht die Frage, ob, sondern wann Delta das Infek­ti­ons­ge­sche­hen in Deutsch­land bestim­men werde.

Ärzte­bund: Auf «Impfskep­ti­ker und Impfleug­ner» zugehen

Der Vorsit­zen­de des Weltärz­te­bun­des, Frank Ulrich Montgo­me­ry, forder­te, stärker auf «Impfskep­ti­ker und Impfleug­ner» zuzuge­hen. «Wenn wir nicht auch einen Teil dieser Gruppe vom Sinn der Impfung überzeu­gen, werden wir die Herden­im­mu­ni­tät nicht errei­chen», sagte Montgo­me­ry dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land. Mit Blick auf die Delta-Varian­te erklär­te er: «Wer sich nicht impfen lässt, wird sich früher oder später mit dem Corona­vi­rus infizieren.»

Aus eigenen Labor­da­ten gebe es erste Hinwei­se, dass Menschen, die mit der Delta-Varian­te infiziert sind, eine noch höhere Virus­last haben als Infizier­te mit der Alpha-Varian­te (B.1.1.7), berich­te­te Drosten. Bishe­ri­ge Daten geben für ihn Signa­le, dass Delta etwas schwe­re­re Verläu­fe verursache.

Der Schutz vor einem schwe­ren Krank­heits­ver­lauf für vollstän­dig Geimpf­te sei im Vergleich zur noch in Deutsch­land dominie­ren­den Varian­te Alpha aber gleich­wer­tig. Der Schutz nur durch die Erstimp­fung gilt jedoch als schwä­cher vergli­chen mit der Wirkung gegen frühe­ren Virusformen.