BERLIN (dpa) — Offen spricht es niemand aus. Doch selbst einsti­ge Wegge­fähr­ten rücken von Armin Laschet ab. Das Problem: Wer soll die CDU führen, wenn er abtritt? Der Ruf nach einer Basis­be­tei­li­gung wird lauter.

Der Druck auf CDU-Chef Armin Laschet steigt. In der Partei wird immer offener über eine inhalt­li­che und perso­nel­le Neuauf­stel­lung disku­tiert. «Dafür muss es einen Bundes­par­tei­tag geben, spätes­tens im Januar», sagte Partei­vi­ze Jens Spahn der «Welt am Sonntag».

«Dass im Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzen­kan­di­dat nicht richtig gezogen hat, kann niemand leugnen. Allein das hat viele Prozen­te gekos­tet.» Unabhän­gig vom Ausgang der Sondie­run­gen müsse klar sein: «Jetzt geht es um die Aufstel­lung für die Zukunft, einfach so weiter­ma­chen ist keine Option.»

Trotz ihres Wahlde­ba­kels will die Union an diesem Sonntag zunächst mit der FDP und am Diens­tag dann mit den Grünen die Chancen einer gemein­sa­men Regie­rungs­bil­dung auslo­ten. Laschet beriet sich am Samstag etwa zwei Stunden in der Berli­ner Partei­zen­tra­le mit Spitzen­po­li­ti­kern der CDU, um die Gesprä­che vorzu­be­rei­ten. In der CDU hieß es, es sei Vertrau­lich­keit verein­bart worden. Nach Infor­ma­tio­nen der Deutschen Presse-Agentur glichen die Teilneh­mer unter anderem die program­ma­ti­schen Positio­nen der CDU mit jenen von FDP und Grünen ab. Es gehe etwa darum, wo es weitge­hen­de oder schnel­le Überein­stim­mung geben könne und wo es Spiel­räu­me für Kompro­mis­se gebe.

Ruf nach Basisbeteiligung

Ein unions­ge­führ­tes Bündnis mit Grünen und FDP gilt als einzi­ge Chance für Laschet, doch noch Kanzler zu werden. Der Bildung einer solchen Jamai­ka-Koali­ti­on werden aber nur dann Chancen einge­räumt, falls die Gesprä­che über eine SPD-geführ­te Ampel mit Grünen und FDP schei­tern sollten, die paral­lel dazu weiter­lau­fen. CSU-Chef Markus Söder hatte bereits am vergan­ge­nen Diens­tag erklärt: «Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz — eindeutig.»

Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schul­ze forder­te für die Zukunft mehr Mitbe­stim­mung der Basis. «Es kann doch nicht für eine Volks­par­tei der richti­ge Weg sein, dass man nachts um 0.30 Uhr in einer relativ kleinen Gruppe entschei­det, wer Spitzen­kan­di­dat der CDU/CSU für den Bundes­tags­wahl­kampf wird», sagte Schul­ze am Samstag bei einem Landes­par­tei­tag in Leuna. Eine breite­re Basis hätte für mehr Vertrau­en gesorgt, und das sei die Währung der Politik.

Mehre­re CDU-Politi­ker dringen auf ein Mitglie­der­vo­tum über eine perso­nel­le Neuauf­stel­lung, wenn die Jamai­ka-Sondie­run­gen schei­tern sollten. Zu ihnen gehören die Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten Carsten Linne­mann und Chris­ti­an von Stetten vom Wirtschafts­flü­gel, die sich immer wieder für Fried­rich Merz als Partei­chef einge­setzt hatten. Die «Bild» hatte am Freitag­abend berich­tet, Merz wolle sich wieder um den Partei­vor­sitz bewer­ben, sollte es eine Mitglie­der­be­fra­gung oder Basis­wahl geben.

«Um die Einbin­dung der Mitglie­der werden wir bei der nächs­ten Entschei­dung über den Vorsitz nicht herum­kom­men», sagte Linne­mann der «Bild». Der «Frank­fur­ter Allge­mei­nen Sonntags­zei­tung» (FAS) sagte er, falls Jamai­ka nicht zustan­de komme und Laschet sein Amt verlie­re, solle die CDU bei der Wahl ihrer künfti­gen Führung die Basis einbin­den. Von Stetten sagte dem Blatt, sollte keine Regie­rungs­be­tei­li­gung gelin­gen, «wäre die Zeit der Basis gekommen».

Spahn: Aufstel­lung für die Zukunft

Spahn übte deutli­che Kritik am Zustand der Partei — und am Umgang zwischen CDU und CSU unter­ein­an­der. Die CDU habe seit vielen Jahren keine großen program­ma­ti­schen Debat­ten mehr geführt. Seit Oktober 2018 habe sie um die Führungs­fra­ge gerun­gen. «So sind viele offene Fragen vertagt worden, statt sie profil­bil­dend zu entschei­den», beklag­te er. Das Offen­sicht­li­che dürfe nicht den Blick auf die struk­tu­rel­len Proble­me verstel­len. «CDU und CSU können nur erfolg­reich sein, wenn sie zusam­men­ste­hen. Daran hat es nicht nur in den letzten Monaten, sondern in den letzten Jahren zu oft gefehlt.»

Für die Zukunft sei ein neues Verfah­ren zur Aufstel­lung des Kanzler­kan­di­da­ten und zur Ausar­bei­tung des Wahlpro­gramms nötig. «Die Logik, dass nur die beiden Vorsit­zen­den solch wichti­gen Entschei­dun­gen zusam­men treffen können, ist überholt», so Spahn. Nach diesem Wahler­geb­nis gehe es um die Aufstel­lung für die Zukunft. «Das Projekt 2025 beginnt heute. Die nächs­te Genera­ti­on nach Angela Merkel muss jetzt stärker sicht­bar werden, in Positio­nen und in Verant­wor­tung kommen».

Außen­ex­per­te Norbert Röttgen sagte dem «Tages­spie­gel»: «Wir sollten lernen, dass man wichti­ge Perso­nal­fra­gen wie eine Kanzler­kan­di­da­tur nicht mit einer Gremi­en­mehr­heit durch­drü­cken kann — gegen die Mehrheit der Abgeord­ne­ten, der Mitglie­der, der Öffent­lich­keit.» In bestimm­ten Situa­tio­nen halte er daher Mitglie­der­ent­schei­dun­gen für sinnvoll.

Das sieht Hamburgs CDU-Chef Chris­toph Ploß ähnlich: «Die nächs­ten Perso­nal­ent­schei­dun­gen müssen unbedingt unter stärke­rer Einbe­zie­hung der CDU-Mitglie­der erfol­gen», sagte er der «Bild». Diese Ansicht vertrat auch der Thürin­ger CDU-Vorsit­zen­de Chris­ti­an Hirte in der «FAS»: «In der Breite unserer Partei haben viele den Eindruck, dass unsere Führungs­gre­mi­en Perso­nal­fra­gen nicht immer im Einklang mit dem Mehrheits­wil­len der Mitglie­der entschie­den haben.» Es sei «notwen­dig, die Basis der CDU stärker an Perso­nal­ent­schei­dun­gen zu beteiligen».