BERLIN (dpa) — 500 Millionen Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente bekommen die Bundesbürger jedes Jahr auf Papier. Im Digitalzeitalter wirkt das ziemlich antiquiert. Mit dem E‑Rezept soll die Zettelwirtschaft eingedämmt werden.
Um die schleppende Einführung des E‑Rezepts zu beschleunigen, setzt die halbstaatliche Firma Gematik auf etwas mehr Verbindlichkeit. Nach einem einstimmigen Beschluss ihrer Gesellschafter — neben dem Bundesgesundheitsministerium auch Kassen‑, Ärzte- und Klinikorganisationen — stellte das Unternehmen nun ein regionales Stufenmodell vor.
In Westfalen-Lippe und in Schleswig-Holstein sollen am 1. September Pilotverfahren starten, bei denen Schritt für Schritt immer mehr Praxen und Kliniken mitmachen und schließlich eine flächendeckende Nutzung erreicht werden soll.
Ursprünglich sollte das E‑Rezept schon im Januar 2022 bundesweit zur Pflicht werden. Davon ist das jetzige Ambitionslevel zwar noch weit entfernt. Dennoch ist der Beschluss ein Schritt nach vorn. Denn es wird deutlich, dass Ärzte und Krankenhäuser allmählich in die Puschen kommen sollten.
Rezept als Code auf dem Smartphone
Beim E‑Rezept bekommen gesetzlich Versicherte kein rosa Zettelchen mehr, sondern einen Code auf ihr Smartphone, mit dem sie das gewünschte Medikament von der Apotheke erhalten. Wer die dafür nötige App nicht hat oder kein Smartphone benutzt, bekommt den Code ausgedruckt auf einem Zettel.
An dem dreimonatigen Pilotverfahren in den beiden Regionen müssen die Ärzte und Klinken zwar nicht unbedingt teilnehmen. Sollten die Gematik-Gesellschafter die regionale Einführung aber als Erfolg werten, würde die Nutzung von E‑Rezepten ab Dezember verbindlich vorgeschrieben — eine Blockadehaltung könnte sich dann also rächen.
Das papierlose Rezept ist ein Mammutvorhaben bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Lange Zeit ging es — wenn überhaupt — im Schneckentempo voran. Eine Testphase in Berlin-Brandenburg im vergangenen Jahr war ein Flopp. Der Start einer bundesweiten Testphase, an der Praxen freiwillig mitmachen können, verzögerte sich und lief danach schleppend nur an. Aus der Ärzteschaft kam scharfe Kritik an dem Vorhaben, sie fürchtete Umsetzungsprobleme im Alltag. Auch unter den Krankenkassen und Apothekern gab es Vorbehalte. Zudem mangelte es zeitweise an Software-Updates. Im Dezember wurde der für den Jahreswechsel vorgesehene Pflichtstart abgeblasen.
Bisher nur wenige E‑Rezepte eingelöst
In der bislang laufenden bundesweiten Erprobungsphase wurden in sechs Monaten nur gut 24.000 E‑Rezepte eingelöst. Gemessen an den jährlich etwa 500 Millionen Rezepten, die in Deutschland auf Papier ausgestellt werden, ist das ein verschwindend geringer Anteil. Immerhin zeigt die Kurve der Digitalverschreibungen nach oben. Die nun beschlossenen Vorgaben sollen zu mehr Tempo führen.
Bundesgesundhe