HANNOVER (dpa) — Der Blick auf die Straßen zeigt: Die moder­nen Autos sehen sich alle ziemlich ähnlich. Bei den Farben wird es dann vollends eintö­nig. Eine jungen Frau setzt sich ab mit der Färbung ihres Wagens.

Sage keiner, dass man mit einem Auto heute nicht mehr auffällt. Aber muss es unbedingt ein Ferra­ri oder Porsche sein? Keine Spur, dafür reicht ein schlich­tes Kompakt­mo­dell wie das von Svenja Geertz aus Hanno­ver. Aller­dings nicht ganz schlicht: Der Wagen der 25-Jähri­gen sieht aus wie ein Strei­fen­wa­gen der Polizei, ist in den Farben Blau, Gelb und Silber foliert. Auf der Motor­hau­be und an den Seiten prangt der Schrift­zug «Police» — nicht «Polizei». Ein wichti­ger Unter­schied, erklärt Micha­el Bertram, Sprecher der Polizei­di­rek­ti­on Hanno­ver. Trotz­dem: Macht man sich mit so einem Auto bei der Polizei nicht unbeliebt? Oder gar strafbar?

Nicht unbedingt: Mit dem Folie­rer und auch der Tüv-Gesell­schaft habe sie abgeklärt, ob die Farben in Ordnung seien, sagt die 25-Jähri­ge. Nur reflek­tie­ren­de Folien durften es nicht sein, auch Hoheits­zei­chen und vor allem das Blaulicht sind tabu. Und so ist das «Police»-Auto auch kein Problem, wie Polizei­spre­cher Bertram meint. Denn: Das Design sei nicht urheber­recht­lich geschützt. Nicht erlaubt sei dagegen außer reflek­tie­ren­der Folie ein «Polizei»-Schriftzug. Der sei geschützt, betont er.

Eine Frage allein der Optik

Auch darf die Tunerin nicht beanspru­chen, «hoheits­recht­li­che Aufga­ben wahrzu­neh­men» oder Wegerech­te einzu­for­dern, also etwa durch eine Rettungs­gas­se auf der Autobahn fahren. Aber: «Ihr geht es nur um die Optik. Die Einschrän­kun­gen werden einge­hal­ten — da ist nichts zu beanstan­den», meint Bertram.

Dennoch: Zu Beginn sei sie von der Polizei «sehr oft» angehal­ten worden, erzählt Svenja Geertz. Aber dann sei ein «Vorgang angelegt» worden und über das Kennzei­chen könnten die Beamten nun leicht feststel­len: alles legal. Zumin­dest in der Region Hanno­ver. Denn in manche Länder darf sie mit ihrem Wagen nicht fahren, etwa nach Öster­reich, in die Schweiz oder nach Großbri­tan­ni­en — oder auch nur nach Baden-Württemberg.

So eindeu­tig ist es nicht immer: Mitte vergan­ge­nen Jahres hatte das Oberlan­des­ge­richt Hamm/NRW die Revisi­on eines damals 43-Jähri­gen verwor­fen, der eine Warn- und Schutz­ja­cke getra­gen hatte, die der Uniform der nordrhein-westfä­li­schen Polizei zum Verwech­seln ähnlich sah. Für Verwechs­lungs­ge­fahr hatte zusätz­lich der Schrift­zug «Pozilei» gesorgt — und obendrein hatte der Mann aus Borchen bei Pader­born eine Autofah­re­rin wegen ihrer Fahrwei­se kriti­siert. Das Ergeb­nis: Er musste eine Geldstra­fe bezahlen.

Handschel­len am Innenspiegel

Die 25-Jähri­ge Geertz aus Hanno­ver will dagegen nieman­den diszi­pli­nie­ren. Ein Blaulicht und eine Spiel­zeug-Kelle habe sie zwar — aber nur für Tuning-Treffen. Und am Innen­spie­gel baumeln Handschel­len. Wie zur Beruhi­gung steht auf dem Duftbaum im Innen­raum des Wagens die Auffor­de­rung: «Zitter nicht».

Ist das nur etwas stache­li­ger Humor? Für die Sozial­as­sis­ten­tin, die in einem Kinder­gar­ten arbei­tet, ist es mehr. Ihr Auto bedeu­te für sie Freiheit, darin könne sie alles verges­sen — und daran ihre Kreati­vi­tät ausle­ben. Dabei dürfte den Autobos­sen nicht nur in Deutsch­land das Herz aufge­hen. Schon vorher hatte der Wagen eine Folie­rung, die aber «gefühlt jeder Zweite hatte». Sie habe sich gefragt: «Was kann ich machen, dass mein Auto ganz anders aussieht?» Dann die Idee — ein Polizei­wa­gen muss es sein. Denn das «traut sich nicht jeder nachzu­ma­chen». Schon wegen der Kosten — 2300 Euro.

Eine ähnli­che Idee hatte auch ihr Freund Dennis Klöcker — der 28 Jahre alte Versi­che­rungs­kauf­mann fand seinen Ford Mustang im schwar­zen Lack langwei­lig. Also ließ er ihn bekle­ben wie einen Strei­fen­wa­gen der New Yorker Polizei. Ein kleiner Gag: Bei den NYPD-Fahrzeu­gen steht über dem Radlauf norma­ler­wei­se die Fahrzeug­num­mer — bei dem 28-Jähri­gen ist es seine Postleit­zahl. Und die Reaktio­nen: «Ich kriege fast nur Daumen», sagt er.

Das erlebt auch Svenja Geertz — aber nicht immer. Ein Passant habe ihr einmal zugeru­fen: «Herr Scholz, ich bitte Sie, verbie­ten Sie so was!» Vor allem die ältere Genera­ti­on habe Proble­me mit dem nur schein­bar echten Strei­fen­wa­gen. Einmal seien ihr sogar Schlä­ge angedroht worden. Als sie den Wagen auf einem Super­markt­park­platz abstell­te, ging in der Schlan­ge an der Kasse das Getuschel los: «Was macht denn die Polizei hier?»

Anderer­seits: Wenn die auffal­len­de Optik des Wagens andere Autofah­rer davor zurück­schre­cken lasse, zum Raser zu werden, dann sei das ein «positi­ver Neben­ef­fekt», urteilt Polizei­spre­cher Bertram.

Lenkrad mit Strasssteinchen

Und genau das sei der Fall, erzählt die 25-Jähri­ge. In ihrer Nähe hielten sich alle an die Verkehrs­re­geln, an jeder Ampel, die gelb leuch­te, werde gehal­ten und auf der Autobahn Platz gemacht. «Die linke Spur gehört mir», sagt sie. Dabei sind bei näherer Betrach­tung schon Unter­schie­de zum norma­len Strei­fen­wa­gen zu erken­nen — die Rückleuch­ten sind abgedun­kelt, was im Netz oft zu Nachfra­gen führe, und das Lenkrad ist mit Strass bezogen. Die Tunerin sagt: Ein bisschen «ladyli­ke» eben.

Und dass sie so oft wegen ihres Wagens und seiner unkon­ven­tio­nel­len Farbge­bung angehal­ten wird? Das sei schon Routi­ne, meint Geertz. Nur auf dem Weg zur Arbeit, da «nervt das schon».

Von Thomas Strünkelnberg