BERLIN (dpa) — Für rund 330.000 Beschäf­tig­te im kommu­na­len Sozial- und Erzie­hungs­dienst soll es künftig mehr Geld und Entlas­tung geben. Nach zähen Tarif­ver­hand­lun­gen erziel­ten Gewerk­schaf­ten und Arbeit­ge­ber eine Einigung.

Kommu­na­le Kita-Erzie­hungs­kräf­te und andere Beschäf­tig­te in sozia­len Berufen dürfen sich auf mehr Geld und Freizeit freuen.

Im Tarif­streit der kommu­na­len Sozial- und Erzie­hungs­diens­te kam es am späten Mittwoch­abend zu einer Einigung: Die Gewerk­schaft Verdi und der Beamten­bund dbb verstän­dig­ten sich nach rund zwölf­stün­di­gen Verhand­lun­gen mit den kommu­na­len Arbeit­ge­bern auf zusätz­li­che Entlas­tungs­ta­ge und monat­li­che Zulagen für die rund 330.000 Beschäftigten.

Mit dem Durch­bruch, der zunächst als unwahr­schein­lich galt, wurden weite­re Warnstreiks im kommu­na­len öffent­li­chen Sozial- und Erzie­hungs­dienst vorerst abgewen­det. Verdi will seine Mitglie­der in den kommen­den Wochen noch über die Tarif­ei­ni­gung entschei­den lassen. Den Angaben zufol­ge gilt es als sehr wahrschein­lich, dass der Vertrag angenom­men wird.

Gehalt in Entlas­tungs­ta­ge umwandeln

Die Verein­ba­rung sieht vor, dass die Beschäf­tig­ten zunächst pro Jahr pauschal zwei zusätz­li­che freie Tage erhal­ten. Sie sollen künftig außer­dem die Option haben, Teile ihres Gehalts in maximal zwei weite­re Entlas­tungs­ta­ge umzuwan­deln. Damit wären jährlich bis zu vier zusätz­li­che Erholungs­ta­ge für die Beschäf­tig­ten drin.

Die Option, Geld in freie Tage umzuwan­deln, bezieht sich konkret auf eine neue Zulage, die die Beschäf­tig­ten ab Juli erhal­ten sollen: Neben den zusätz­li­chen freien Tagen bekom­men Erzie­he­rin­nen und Erzie­her im kommu­na­len öffent­li­chen Dienst dann monat­lich 130 Euro mehr. Für Sozial­ar­bei­te­rin­nen und Sozial­ar­bei­ter gibt es ebenfalls ab Juli 180 Euro zusätzlich.

Berufs­er­fah­rung wird honoriert

Darüber hinaus sieht die Verein­ba­rung vor, dass die Berufs­er­fah­rung im Sozial- und Erzie­hungs­dienst künftig genau­so honoriert werden soll wie bei den übrigen Beschäf­tig­ten im öffent­li­chen Dienst. Die Zeit, die die Beschäf­tig­ten in einer Gehalts­stu­fe bleiben, bevor sie in die nächs­te aufstei­gen, soll zum 1. Oktober 2024 an die allge­mei­nen Stufen im öffent­li­chen Dienst angepasst werden. Damit steigen die Gehäl­ter künftig schnel­ler als bisher. Das Tarif­er­geb­nis hat eine Laufzeit von fünf Jahren bis zum 31. Dezem­ber 2026.

Von der neuen Verein­ba­rung profi­tie­ren Beschäf­tig­te in allen Bundes­län­dern — außer in Berlin. In der Haupt­stadt haben nach Verdi-Angaben andere Tarif­re­ge­lun­gen Vorrang. Die Gewerk­schaf­ten gehen aber davon aus, dass die Ergeb­nis­se auch auf Beschäf­tig­te anderer Berei­che «ausstrah­len» dürften.

Einigung «gegen erheb­li­che Wider­stän­de der Arbeitgeber»

«Das ist den Kolle­gin­nen und Kolle­gen in den Sozial- und Erzie­hungs­diens­ten zu verdan­ken, die in den vergan­ge­nen Tagen und Wochen gekämpft und gestreikt haben», sagte der Verdi-Vorsit­zen­de Frank Werne­ke. Die Einigung sei «gegen die erheb­li­chen Wider­stän­de der kommu­na­len Arbeit­ge­ber gelun­gen». Sie sei «ein weite­rer maßgeb­li­cher Schritt, um die Berufe im Sozial- und Erzie­hungs­we­sen attrak­ti­ver zu machen und wirksam gegen Fachkräf­te­man­gel vorzugehen».

Auch dbb-Verhand­lungs­füh­rer Andre­as Hemsing äußer­te sich zufrie­den über das Ergeb­nis: «Mit diesem Abschluss haben wir das Berufs­feld aufge­wer­tet, das werden die Kolle­gin­nen und Kolle­gen direkt im Geldbeu­tel spüren.»

Die Präsi­den­tin der Verei­ni­gung der kommu­na­len Arbeit­ge­ber­ver­bän­de (VKA), Karin Welge, sprach von einem «guten und gelun­ge­nen Kompro­miss», bezeich­ne­te das Ergeb­nis aber auch als «Heraus­for­de­rung für die kommu­na­len Arbeit­ge­ber». Die VKA geht davon aus, dass sich allein durch die neuen Zulagen die Perso­nal­kos­ten der kommu­na­len Arbeit­ge­ber um jährlich rund 3,7 Prozent erhöhen werden. Dennoch äußer­te sich Welge erleich­tert über den Abschluss. Er sei «ein eindeu­ti­ges Zeichen dafür, dass wir die oft heraus­ra­gen­de Leistung unserer Beschäf­tig­ten im Sozial- und Erzie­hungs­dienst durch eine faire und wertschät­zen­de Vergü­tung würdi­gen», sagte Welge.

Gesprächs­be­darf bis zum letzten Tag

Auf die nun erziel­te Einigung hatten die Gewerk­schaf­ten wochen­lang hinge­ar­bei­tet. Nach zwei ergeb­nis­lo­sen Verhand­lungs­run­den im Febru­ar und März hatten sich die Tarif­part­ner am Montag erneut an einen Tisch gesetzt. Am Diens­tag­nach­mit­tag waren die Gesprä­che aus logis­ti­schen Gründen von Potsdam nach Berlin verlegt worden. Sie sollten eigent­lich schon am Mittwoch­nach­mit­tag enden — zogen sich aber noch bis in den späten Abend. Aus Teilneh­mer­krei­sen hieß es, es habe auch am letzten Tag noch viel Gesprächs­be­darf gegeben.

Die nächs­ten regulä­ren Tarif­ver­hand­lun­gen im öffent­li­chen Dienst stehen im Januar 2023 an. Die kommu­na­len Beschäf­tig­ten im Sozial- und Erzie­hungs­dienst können dann auf weite­re Verbes­se­run­gen hoffen.