BERLIN (dpa) — Union und SPD haben nach Kritik Änderun­gen an der Bundes-Notbrem­se vorge­nom­men: Spazier­gän­ge und Joggen bleiben bis Mitter­nacht erlaubt. Auch bei Einzel­han­del und Schulen wurde nachjustiert.

Die bundes­wei­ten Regeln zur Eindäm­mung der Corona-Pande­mie sollen nun doch etwas weniger streng ausfal­len als ursprüng­lich geplant.

Das teilten Abgeord­ne­te von SPD und Union nach Beratun­gen über das neue Gesetz zum Schutz der Bevöl­ke­rung bei einer epide­mi­schen Lage von natio­na­ler Tragwei­te mit. Nächt­li­che Ausgangs­be­schrän­kun­gen soll es demnach zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr geben. Joggen und Spazier­gän­ge sollen bis Mitter­nacht erlaubt sein.

Im Einzel­han­del soll das Abholen bestell­ter Waren (Click & Collect) auch bei hohen Infek­ti­ons­zah­len weiter­hin möglich sein. Für Schulen wäre, wenn das Gesetz so vom Bundes­tag beschlos­sen wird, Distanz­un­ter­richt ab einem Inzidenz­wert von 165 verpflich­tend. Im ursprüng­li­chen Entwurf war hier ein Schwel­len­wert von 200 genannt worden.

Für Kinder im Alter bis 14 Jahren soll Sport in Gruppen weiter möglich sein. Arbeit­ge­ber müssen zwei Corona-Tests pro Woche bereit­stel­len. Alle Regelun­gen sind erst einmal befris­tet — bis zum 30. Juni. Ziel des Geset­zes­vor­ha­bens ist es, Einschrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens bundes­weit einheit­lich zu regeln — mit der sogenann­ten Notbrem­se: Falls die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Stadt oder einem Landkreis drei Tage hinter­ein­an­der über 100 Fällen pro 100.000 Einwoh­ner liegt, sollen dort jeweils die gleichen Regeln gelten.

Der Bundes­tag will am Mittwoch über die Änderun­gen im Bevöl­ke­rungs­schutz abstim­men. Dann muss das Gesetz noch den Bundes­rat passie­ren. In einem frühe­ren Entwurf waren nächt­li­che Ausgangs­be­schrän­kun­gen ab 21.00 Uhr vorge­se­hen. Vor allem dieser Punkt hatte in der Opposi­ti­on für massi­ve Kritik gesorgt.

Neu ist zudem, dass die Bundes­re­gie­rung keine Verord­nun­gen zur Eindäm­mung der Pande­mie am Bundes­tag vorbei erlas­sen kann. Die alte Fassung des Gesetz­ent­wurfs sah vor, dass die Bundes­re­gie­rung ermäch­tigt wird, «zur einheit­li­chen Festset­zung von Corona-Maßnah­men Rechts­ver­ord­nun­gen mit Zustim­mung des Bundes­ra­tes zu erlassen».

«Der Bundes­tag muss zustim­men. Ohne jedwe­de Vorbe­hal­te oder Bedin­gun­gen», sagte der stell­ver­tre­ten­de SPD-Frakti­ons­vor­sit­zen­de Dirk Wiese. Das sei für seine Frakti­on in den Verhand­lun­gen mit der Union der entschei­den­de Punkt gewesen.

SPD-Frakti­ons­chef Rolf Mützenich geht davon aus, dass Klagen gegen die Bundes-Notbrem­se durch die entschärf­ten Pläne zu Ausgangs­be­schrän­kun­gen kaum Chancen haben. «Wir sind der festen Überzeu­gung, dass das ein tragba­rer Bereich ist, der auch der Überprü­fung aufsei­ten der Gerich­te stand­hal­ten kann», sagte Mützenich nach einer Sitzung der SPD-Fraktion.

Die Bundes­re­gie­rung dringt indes auf ein stärke­res Gegen­steu­ern zur Eindäm­mung der Corona-Infek­tio­nen. «Die dritte Welle hat Deutsch­land fest im Griff», sagte die stell­ver­tre­ten­de Regie­rungs­spre­che­rin Ulrike Demmer in Berlin. Die Appel­le aus der Wissen­schaft müssten mittler­wei­le jeden aufge­rüt­telt haben. Ohne deutli­che Gegen­maß­nah­men, um die dritte Welle zu brechen, werde das Gesund­heits­sys­tem an die Belas­tungs­gren­ze kommen.

Die Zahl der gemel­de­ten Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner binnen sieben Tagen stieg nach Angaben des Robert Koch-Insti­tuts (RKI) von Montag bundes­weit auf 165,3. Demmer verwies darauf, dass dieser Wert vor vier Wochen unter 100 lag.