OSLO (dpa) — Der russi­sche Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne bestimmt in diesem Jahr die Schlag­zei­len. Folgt daraus nun ein Friedens­no­bel­preis? Das entschei­det sich heute in Oslo.

Es könnte ein wichti­ges Signal in unsiche­ren Zeiten werden: Heute wird in Oslo verkün­det, wer in diesem Jahr mit dem Friedens­no­bel­preis ausge­zeich­net wird. Das norwe­gi­sche Nobel­ko­mi­tee wird um 11.00 Uhr das Geheim­nis lüften, wen es diesmal mit dem wichtigs­ten Friedens­preis der Erde ehren wird. 343 Kandi­da­ten — 251 Persön­lich­kei­ten und 92 Organi­sa­tio­nen — sind diesmal nominiert worden. Die Namen werden tradi­tio­nell 50 Jahre lang geheim gehalten.

Vergan­ge­nes Jahr waren die Philip­pi­ne­rin Maria Ressa und der Russe Dmitri Muratow mit dem Preis geehrt worden. Die beiden Journa­lis­ten erhiel­ten ihn für ihren mutigen Kampf für die Meinungsfreiheit.

Selen­skyj, «Kyiv Indepen­dent» und ukrai­ni­sches Volk im Gespräch

Seit ihrer Auszeich­nung hat sich die Weltla­ge nicht zum Besse­ren gewan­delt: Zu Corona-Pande­mie, Klima­kri­se und militä­ri­schen Konflik­ten in verschie­de­nen Weltre­gio­nen kam im Febru­ar dieses Jahres hinzu, dass Russland in die Ukrai­ne einmarschierte.

Mit Blick auf den andau­ern­den Krieg tippen manche Beobach­ter darauf, dass das Nobel­ko­mi­tee den Preis an ukrai­ni­sche Akteu­re oder an andere Wider­sa­cher des russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin verge­ben könnte. Die Wettbü­ros zählen unter anderem den ukrai­ni­schen Präsi­den­ten Wolodym­yr Selen­skyj, das Online-Medium «The Kyiv Indepen­dent» und das ukrai­ni­sche Volk an sich zu ihren Favoriten.

Exper­ten favori­sie­ren auch den inhaf­tier­ten russi­schen Kreml-Kriti­ker Alexej Nawal­ny und die belarus­si­sche Opposi­ti­ons­füh­re­rin Swetla­na Tichanows­ka­ja — eine Auszeich­nung der beiden wäre ein klares Signal gegen das Vorge­hen von Putin bezie­hungs­wei­se dem mit ihm verbün­de­ten Präsi­den­ten von Belarus, Alexan­der Lukaschen­ko. Mit Muratow, dem Chefre­dak­teur der kreml­kri­ti­schen Zeitung «Nowaja Gaseta», war bereits 2021 ein Putin-Gegner unter den Preis­trä­gern gewesen.

Auch humani­tä­re Akteu­re möglich

Der Direk­tor des Stock­hol­mer Friedens­for­schungs­in­sti­tuts Sipri, Dan Smith, glaub­te vorab eher nicht, dass die diesjäh­ri­ge Auszeich­nung an jeman­den aus der gerade mitten im Krieg stecken­den Ukrai­ne verge­ben wird. Der Preis könnte jedoch ganz vielleicht an humani­tä­re Akteu­re in dem Land gehen, so Smith.

Er könne sich etwa vorstel­len, dass er zum zweiten Mal nach 2005 an die Inter­na­tio­na­le Atomener­gie­be­hör­de (IAEA) gehen könnte, die sich unter anderem rund um das schwer umkämpf­te, russisch besetz­te Atomkraft­werk Saporischschja in der Ukrai­ne engagiert. Auch einen Preis für Klima­schutz­be­we­gun­gen oder ‑aktivis­ten hielt Smith für angemessen.

Der Friedens­no­bel­preis wird als einzi­ger der Nobel­prei­se nicht im schwe­di­schen Stock­holm, sondern in der norwe­gi­schen Haupt­stadt Oslo verlie­hen. Dotiert sind alle Nobel­prei­se in diesem Jahr erneut mit zehn Millio­nen schwe­di­schen Kronen (knapp 920 000 Euro) pro Katego­rie. Überreicht werden sie tradi­tio­nell am 10. Dezem­ber, dem Todes­tag von Preis­stif­ter und Dynamit-Erfin­der Alfred Nobel (1833–1896).

Deutsche wurden vorab nicht zu den Favori­ten gerech­net. Letzter deutscher Preis­trä­ger ist vor über 50 Jahren Ex-Kanzler Willy Brandt gewesen: Er war 1971 für seine Ostpo­li­tik ausge­zeich­net worden, die zur Entspan­nung im Kalten Krieg beigetra­gen hatte.