CDU-Kandidat Frank Nopper setzt sich im Kampf ums Stuttgarter Rathaus überraschend deutlich von der Konkurrenz ab. In drei Wochen geht es dann ums Ganze. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen ist nicht in Sicht.
STUTTGART (dpa/lsw) — Bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl hat der CDU-Kandidat deutlich besser abgeschnitten als die restlichen Kandidaten. Nach Angaben der Stadt kam Frank Nopper im ersten Wahlgang auf 31,8 Prozent der Stimmen. Damit lag er deutlich vor seiner stärksten Konkurrentin, der Grünen-Politikerin Veronika Kienzle, die 17,2 der Stimmen für sich verbuchen konnte. Da keiner der Kandidaten mehr als die Hälfte der Stimmen erreichte, kommt es zu einem zweiten Wahlgang — am 29. November reicht dann die einfache Mehrheit der gültigen Stimmen für eine Entscheidung. Noppers Führung ist überraschend, weil Umfragen vor der Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Kienzle erwarten ließen.
Der als unabhängige Bewerber angetretene Sozialdemokrat Marian Schreier belegte den dritten Platz (15 Prozent) vor Stuttgarts Stadtrat Hannes Rockenbauch vom Fraktionsbündnis SÖS/Linke (14,0) und dem offiziellen SPD-Kandidaten Martin Körner (9,8). Insgesamt konnten 450 000 Wahlberechtigte abstimmen, 14 Bewerberinnen und Kandidaten standen zu Wahl. Der amtierende Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) trat nach acht Jahren an der Rathausspitze nicht wieder zur Wahl an.
Nopper zeigte sich zufrieden mit dem ersten Wahlgang. «Ich bin hochzufrieden und glücklich mit diesem Ergebnis, das mich bis zum zweiten Wahlgang bis in die Zehenspitzen motiviert», teilte er am Sonntagabend mit. Nun starte man aus der Pole-Position in die zweite Runde. «Mit diesem Ergebnis im Rücken werden wir mit ganzer Kraft aber auch mit Demut in die nächsten drei Wochen gehen.»
Die Grünen-Politikerin Veronika Kienzle rief indes andere Kandidaten auf, sich ihrer Wahlkampagne anzuschließen. «Ich finde das Ergebnis nicht ganz so, wie wir es uns gewünscht haben, aber es ist gar nicht so schlecht», sagte sie im Livestream ihrer Partei. Sie sehe ihr Resultat und die Ergebnisse der vor allem linksgerichteten Kandidaten als klaren Auftrag, auf die anderen Bewerber zuzugehen und beim zweiten Wahlgang in drei Wochen wieder anzutreten. «Ich möchte der Stadt ein anderes Gesicht geben», sagte Kienzle.
Wenn sich die linksgerichteten Kandidaten gegen Nopper verbünden, könnte es Ende November eng werden für den CDU-Kandidaten. Der unabhängige Kandidat Schreier ließ es am Abend offen, ob er sich in drei Wochen erneut zur Wahl stellt oder einen anderen Bewerber unterstützt. Er wolle nun das Ergebnis in Ruhe auswerten und über die nächste Schritte entscheiden, sagte Schreier der Deutschen Presse-Agentur. Es sei sensationell, dass eine unabhängige Kandidatur erfolgsfähig sei. Man befinde sich in «Schlagdistanz zu den Platzhirschen».
SPD-Kandidat Körner will nicht mehr am zweiten Wahlgang teilnehmen. Das teilte er der «Stuttgarter Zeitung» mit. Der Chef der SPD-Gemeinderatsfraktion räumte aber auch ein, es sei «sicher nicht optimal gewesen», dass mit dem Tengener Bürgermeister Schreier ein weiterer Bewerber aus den Reihen der SPD auf dem Stimmzettel gestanden habe.
Die Wahlbeteiligung am Sonntag lag nach Angaben der Stadt bei rund 49 Prozent, das ist deutlich mehr als beim ersten Wahlgang vor acht Jahren (46,7 Prozent). Neben den direkt in den Wahllokalen abgegebenen Stimmen hatten für die Wahl auch etwa 100 000 Briefwähler ihr Kreuzchen gemacht.
Stuttgart gilt als Stadt mit einer starken grünen Wählerschaft, im Gemeinderat stellen die Grünen die größte Fraktion, der Regierungspräsident gehört der Partei an und alle vier Direktmandate für den Landtag gingen in der Stadt an die Grünen. Deshalb war mit einem stärkeren Abschneiden Kienzles gerechnet worden. Bei der OB-Wahl ist der Druck auf die Partei nicht nur deshalb groß: Denn sollten die Grünen den Posten an der Rathausspitze in der Landeshauptstadt verlieren, könnte das auch als schlechtes Vorzeichen für die Landtagswahl im März 2021 interpretiert werden.
In der Südwest-CDU freute man sich über das Abschneiden Noppers. «Das sieht richtig gut aus», kommentierte der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl das Ergebnis. «Erfahrung, Kompetenz und Auftreten haben Frank Nopper ganz deutlich und absolut verdient auf den ersten Platz gebracht», betonte Strobl. «Es war zu erwarten, dass es heute noch keine Entscheidung gibt — ein so großer, deutlicher Abstand von Frank Nopper auf die Kandidatinnen und Kandidaten hinter ihm, das hatte freilich kaum jemand vorausgesagt.»
Die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021, Susanne Eisenmann, sprach von einem starken Ergebnis für Nopper. «Allerdings gibt es keinen Grund zum Übermut, das Rennen ist — wie erwartet — noch nicht entschieden.» Jetzt gelte es, die nächsten drei Wochen dafür zu kämpfen, dass Nopper auch am 29. November die Nase vorne habe.
Nach Einschätzung von Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) ist das Rennen für Kienzle aber weiter offen. Im zweiten Wahlgang sei es für Nopper schwierig, noch mehr Wählerpotenzial auszuschöpfen. «Ich glaube nicht, dass es ein Signal gegen grüne Politik ist», sagte sie. Anfang des Jahres war spekuliert worden, dass Aras für das OB-Amt kandidieren könnte, doch sie verneinte damals.
Die Oberbürgermeisterwahl stand auch unter dem Vorzeichen der Corona- Pandemie. Zuletzt war vor Gericht bestätigt worden, dass die Wahl unter starken Auflagen stattfinden kann.