Nach dem Fiasko mit den Beher­ber­gungs­ver­bo­ten fragten sich viele: Halten die Novem­ber-Schlie­ßun­gen vor Gericht stand? Jetzt liefert eine Entschei­dung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts Anhaltspunkte.

Die Karls­ru­her Richter wiesen den Eilan­trag eines bayeri­schen Filmthea­ters mit Restau­rant zurück. In ihrer am Donners­tag veröf­fent­lich­ten Entschei­dung vom Vortag sprechen sie zwar von einem schwer­wie­gen­den Grund­rechts­ein­griff, der genau­er geprüft werden müsse. Sie machen aber auch klar: Momen­tan hat im Zweifel der Lebens- und Gesund­heits­schutz Vorrang. (Az. 1 BvR 2530/20)

Die Gefah­ren der Corona-Pande­mie seien «weiter­hin sehr ernst zu nehmen». Es könne nicht ausge­schlos­sen werden, dass auch Gastro­no­mie­be­trie­be zum Infek­ti­ons­ge­sche­hen beitrü­gen. Die Richter verwei­sen außer­dem darauf, dass die Schlie­ßun­gen Teil eines größe­ren Gesamt­kon­zepts seien und der Staat zum Gesund­heits- und Lebens­schutz grund­ge­setz­lich verpflich­tet sei. Diese Beurtei­lung dürfte auch für weite­re Eilent­schei­dun­gen zum Teil-Lockdown maßgeb­lich sein.

Geklagt hatte die Geschäfts­füh­re­rin eines Kinos mit sieben Sälen, zu dem auch ein Restau­rant gehört. Wegen der zwangs­wei­sen Schlie­ßung habe sie derzeit nur noch Einnah­men aus Mieterträ­gen, die die Unter­halts­kos­ten nicht deckten. Ein Liefer­dienst für Essen, wie er noch erlaubt wäre, lohne aufgrund der Konkur­renz­si­tua­ti­on nicht.

Die drei mit der Entschei­dung befass­ten Richter halten die nur hinsicht­lich des Gastro­no­mie­be­triebs zuläs­si­ge Verfas­sungs­be­schwer­de nicht für «offen­sicht­lich unbegrün­det». Der Frau werde die Berufs­aus­übungs­frei­heit im Wesent­li­chen unter­sagt. «Dies wird insbe­son­de­re nach Maßga­be der Verhält­nis­mä­ßig­keit zu recht­fer­ti­gen sein müssen.» Angesichts der Gefah­ren durch ein ungehin­der­tes Infek­ti­ons­ge­sche­hen gebe es dafür zwar «gute Gründe», heißt es in dem Beschluss. «Ob diese letzt­lich genügen, um den verfas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen stand­zu­hal­ten, bedarf jedoch einge­hen­der Prüfung.»

Im Eilver­fah­ren klärt das Gericht nur: Was hätte schlim­me­re Folgen — wenn wir die Maßnah­me jetzt irrtüm­li­cher­wei­se kippen oder wenn sie in Kraft bleibt und sich später als rechts­wid­rig herausstellt?

Hier überwiegt für die Richter klar «das Inter­es­se am Schutz von Leben und Gesund­heit». Die Ursachen für den bundes­wei­ten Anstieg der Infek­tio­nen seien diffus, auch das Freizeit­ver­hal­ten spiele eine Rolle. Würden einzel­ne Maßnah­men des Teil-Lockdowns außer Kraft gesetzt, bestehe die Gefahr, die Ausbrei­tung des Virus nicht eindäm­men zu können. Der Staat sei «nicht gehal­ten, eine solche Entwick­lung hinzu­neh­men». Bei der Entschei­dung spiel­ten auch die Befris­tung bis Ende Novem­ber und die in Aussicht gestell­ten Wirtschafts­hil­fen für betrof­fe­ne Betrie­be eine Rolle.

Wegen des unter­sag­ten Kinobe­triebs hätte die Frau zunächst beim Bayeri­schen Verwal­tungs­ge­richts­hof (VGH) klagen müssen. Das ist der ordnungs­ge­mä­ße Rechts­weg. Zur Gastro­no­mie gibt es bereits eine VGH-Entschei­dung in einem anderen Fall. Deshalb durfte die Kläge­rin sich in diesem Punkt direkt an das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt wenden.