Die Nasa will ihren Hubschrau­ber «Ingenui­ty» erstmals über dem Roten Plane­ten aufstei­gen lassen. Eine Missi­on mit vielen Schwierigkeiten.

WASHINGTON (dpa) — Eine ganz beson­de­re Präsen­ta­ti­on hat die US-Weltraum­be­hör­de Nasa angekün­digt und dabei einen histo­ri­schen Vergleich gezogen.

Am 17. Dezem­ber 1903 hoben die Brüder Wright in North Caroli­na nachein­an­der mit einem Motor­flie­ger ab. Zwölf Sekun­den war die Maschi­ne beim weltweit ersten motori­sier­ten Flug in der Luft — 36 Meter, die in die Geschich­te eingin­gen. Nun soll der Erstflug auf dem Mars folgen — und Stunden später die Veröf­fent­li­chung der dabei gemach­ten Videos. Aller­dings müssen alle Inter­es­sier­ten noch etwas länger auf diese Bilder warten als geplant.

Wegen techni­scher Proble­me musste die Nasa den ersten Hubschrau­ber­flug über einem anderen Plane­ten verschie­ben. Der kleine Hubschrau­ber «Ingenui­ty», der an Bord des Rovers «Perse­ver­ance» im Febru­ar auf dem Mars gelan­det war, werde nun frühes­tens am 14. April starten, twitter­te die Nasa am Samstag (Ortszeit). Zuvor war als frühest­mög­li­cher Start­ter­min der 11. April genannt worden. Der Heliko­pter soll das Flugzeit­al­ter auf dem Roten Plane­ten eröffnen.

Zum Hinter­grund: «Ingenui­ty» war Ende Febru­ar im Bauch des Rovers «Perse­ver­ance» nach 203 Flugta­gen in dem ausge­trock­ne­ten See «Jezero Crater» auf dem Mars aufge­setzt. Diesen See soll «Perse­ver­ance» in den kommen­den zwei Jahren unter­su­chen. Entwick­lung und Bau hatten rund 2,5 Milli­ar­den Dollar (etwa 2,2 Milli­ar­den Euro) gekos­tet und acht Jahre gedau­ert. Das Fahrzeug soll auf dem Mars nach Spuren frühe­ren mikro­biel­len Lebens fahnden sowie das Klima und die Geolo­gie des Plane­ten erforschen.

Dem ersten Flug für den 1,8 Kilogramm leich­ten Mini-Hubschrau­ber an Bord gehen ebenfalls Jahre akribi­scher Arbeit voraus. Die Heraus­for­de­run­gen für «Ingenui­ty»:

DIE KÄLTE: Bis vor wenigen Tagen wurde «Ingenui­ty» durch den Rover «Perse­ver­ance» auf dem Mars geschützt. Einge­bau­te Heizun­gen verhin­der­ten bei Nächten mit minus 90 Grad, das Elektro­nik an Bord zerstört wird. «Während es eine große Heraus­for­de­rung sein wird, auf der Marsober­flä­che ausge­setzt zu werden, wird es eine noch größe­re Heraus­for­de­rung sein, die erste Nacht auf dem Mars allein zu überle­ben, ohne dass der Rover ihn schützt und mit Strom versorgt», sagte Chefinge­nieur Bob Balaram. Diese Hürde hat die kleine Maschi­ne bereits gemeistert.

DIE RICHTIGE POSITION: Weil der nächs­te Mensch, der «Ingenui­ty» in der Mitte seines zehn-mal-zehn Meter Start­plat­zes aufstel­len könnte, derzeit rund 250 Millio­nen Kilome­ter weit weg ist, musste der Mini-Hubschrau­ber sich aufwen­dig selbst in Stellung bringen. Nachdem er vom Rover abgesetzt wurde, begann ein Prozess über mehre­re Tage, bei dem «Ingenui­ty» vom Fahrzeug abgedockt und mit dessen Greif­arm auf seine vier Beide gestellt wurde.

DÜNNE ATMOSPHÄRE: Bei guten Wetter­be­din­gun­gen wollte das Nasa-Team die Erlaub­nis zum Start geben. Die Rotoren sollten dann auf 2537 Umdre­hun­gen pro Minute beschleu­ni­gen und «Ingenui­ty» planmä­ßig zu seinem histo­ri­schen Jungfern­flug abheben. Der Plan: Er steigt dabei drei Meter in die Höhe, bleibt dort für 30 Sekun­den in der Luft stehen und landet nach insge­samt etwa 40 Sekun­den wieder. Weite­re, waghal­si­ge­re Flüge sollen folgen.

Die Rotor­blät­ter müssen bei Mars-Flügen um ein Vielfa­ches schnel­ler kreisen als auf der Erde. Denn obwohl die Anzie­hungs­kraft des Mars nur etwa ein Drittel so stark ist wie die der Erde, beträgt die Dichte der Atmosphä­re auf der Oberflä­che im Vergleich nur ein Prozent. Die Energie für diese Kraft­an­stren­gung zieht «Ingenui­ty» aus seiner über Solar­zel­len gefüt­ter­ten Batterie.

Eigent­lich waren die letzten Tests «Ingenuity»-Projektmanagerin MiMi Aung zufol­ge auch zur Zufrie­den­heit der Nasa verlau­fen: «Wir haben das Energie­pro­fil von ‘Ingenui­ty’ überprüft: sehr gesund, sehr gut.» Die Senso­ren und Compu­ter des Helis seien einge­schal­tet und liefen einwand­frei, die Rotor­blät­ter seien auch ausge­fah­ren und sogar schon in Betrieb gegan­gen: «Wir haben einen Rotor­test mit niedri­ger Drehzahl bei 50 Umdre­hun­gen pro Minute abgeschlossen.»

HISTORISCHER GLÜCKSBRINGER

Unter den Solar­zel­len des Hubschrau­bers haben die Ingenieu­re dabei noch etwas Beson­de­res versteckt: An einem Kabel ist ein kleines Stück Stoff aus dem Flugzeug der Brüder Wright befes­tigt. Die beiden Männer waren also nicht nur am ersten motori­sier­ten Flug auf der Erde betei­ligt. Sie werden auch indirekt am Jungfern­flug auf dem Mars dabei sein. 

Von Benno Schwing­ham­mer, dpa