FORBACH (dpa/lsw) — Braucht es Tempo­li­mits, Fahrver­bo­te, Strafen? Anwoh­ner haben es satt und machen Front gegen Motor­rad­lärm. Biker fühlen sich gegän­gelt. Dabei müsste die harte Tour gar nicht sein.

Der Frühling ist da — und mit ihm die Motor­rä­der, die zuhauf den Schwarz­wald hochkur­ven. Doch was den einen ein schönes Hobby, ist den anderen zuneh­mend eine Plage. Anwoh­ner an beson­ders belieb­ten Strecken im Land machen Front gegen Motor­rad­lärm. Rund 160 Orte und Kreise umfasst inzwi­schen die «Initia­ti­ve Motor­rad­lärm» der Landes­re­gie­rung. Sie sind sich einig: So kann es nicht weiter­ge­hen. Sie fordern Rücksicht — und notfalls auch Verbote.

Wo sind die Brennpunkte?

Motor­rad­fah­ren macht auf landschaft­lich reizvol­len, bergi­gen und kurven­rei­chen Strecken Spaß. Als Lärm-Hotspots in Baden-Württem­berg gelten der Schwarz­wald, die Schwä­bi­sche Alb, der Odenwald sowie die Löwen­stei­ner Berge und die Bergstra­ße. Besond­res betrof­fen sind dem ADAC zufol­ge die Schwarz­wald­hoch­stra­ße (B500) zwischen Baden-Baden und Ruhestein und die Verbin­dungs­stre­cke ins Murgtal (L83), der Albauf­stieg (L360), das Lauter­tal im Zollern­alb­kreis und die Löwen­stei­ner Berge (B39).

Warum gibt es Zoff?

Vor allem die Masse macht’s. Es gibt immer mehr Motor­rä­der: Seit 2011 stieg die Zahl der Neuzu­las­sun­gen in Baden-Württem­berg laut Statis­ti­schem Landes­amt um 22 Prozent auf fast 700 000 im vergan­ge­nen Jahr. Ein neuer Höchst­stand. In den letzten 50 Jahren hat sich der Bestand fast verzwan­zig­facht, so der ADAC. Allein im nördli­chen Schwarz­wald sind nach ADAC-Schät­zun­gen an Sommer­ta­gen zwischen 3000 und 6000 Biker unter­wegs. Wenn die noch aufdre­hen, den Auspuff für den richti­gen Sound manipu­lie­ren und im Pulk fahren, ist es aus mit der Erholung anderer. Der Lärmschutz­be­auf­trag­te der Landes­re­gie­rung, Thomas Marwein, beobach­tet zudem immer laute­re Maschi­nen vom Werk her. Teils verstärkt Topogra­phie den Sound: Bei einer Talla­ge mit Steil­wän­den herum schallt er direkt in den Ort zurück.

Ab wann wird Lärm gefährlich?

Laut Umwelt­bun­des­amt sollte ein Lärmpe­gel von 65 Dezibel am Tag und 55 Dezibel in der Nacht nicht überschrit­ten werden. Bei einer Messung an der Bundes­stra­ße 39 bei Löwen­stein (Kreis Heilbronn) war laut Verkehrs­mi­nis­te­ri­um jedes zweite Motor­rad mit 87 Dezibel oder lauter unter­wegs. Wer nahe einer Biker-Strecke wohnt, leidet nach Angaben des Lärmschutz­be­auf­trag­ten nicht selten unter Lärm von bis zu 100 Dezibel. «Das entspricht einem Presslufthammer.»

Was wird dagegen getan?

Die Polizei kontrol­liert verstärkt und geht gegen Raser vor. Es wird auf techni­sche Manipu­la­tio­nen an Auspuff­an­la­gen geach­tet. Im Rahmen des ersten Aktions­wo­chen­en­des der Polizei zum Saison­auf­takt nehmen landes­weit 600 Polizis­ten auffäl­li­ge Motor­rä­der unter die Lupe. Und sie klären auf. Das Ziel hat auch die ADAC-Schil­der-Kampa­gne («Leiser fahren»). Rund 160 Orte und Kreise wehren sich inzwi­schen mit der «Initia­ti­ve Motor­rad­lärm». Verkehrs­mi­nis­ter Winfried Hermann (Grüne) fordert: «Motor­rä­der müssen leiser werden.»

Und wenn alles nichts nutzt?

Dann kommt die harte Tour. «Rücksichts­lo­ses Fahren muss deutli­che Folgen haben», sagt Hermann. Den Bundes­rat hat er schon auf seiner Seite; die Bundes­re­gie­rung soll recht­li­che Änderun­gen auf den Weg bringen. Nötig sei etwa eine Lärmober­gren­ze, die ein Motor­rad in keinem Fahrzu­stand überschrei­ten darf. «Wer sich nicht an die Regeln hält, wird konse­quent kontrol­liert und angezeigt», sagt Innen­mi­nis­ter Thomas Strobl (CDU). Safti­ge Bußgel­der inklu­si­ve. Disku­tiert wird auch über Fahrver­bo­te nach dem «Tiroler Modell». Dort sind für laute Maschi­nen einige Bergstra­ßen von Juni bis Oktober gesperrt.

Was sagen Motorradfahrer?

Der Bundes­ver­band der Motor­rad­fah­rer unter­streicht, dass sich die überwie­gen­de Mehrzahl der Motor­rad­fah­rer an Regeln halte. Bernd Obrecht, Motor­rad­fah­rer aus Freiburg und Vertre­ter des Motor­rad­clubs «Kuhle Wampe», sagte neulich bei einer Online-Diskus­si­on, mit Strecken­sper­run­gen nur für Motor­rä­der sei sein Verein nicht einver­stan­den. Damit würden alle für einige «schwar­ze Schafe» bestraft. Die meisten Motor­rad­fah­rer sind ordnungs­ge­mäß unter­wegs, meint auch der ADAC. Sie sollten nicht wegen einzel­ner Ausrei­ßer benach­tei­ligt werden. Schließ­lich sorgen auch Auto-Poser für Frust bei Anwohnern.

Was ist ohne Weite­res möglich?

Rücksicht. Wer sich an Tempo­li­mits hält, einen höheren Gang wählt und voraus­schau­end fährt, ist leiser unter­wegs. «Jeder kann durch seinen Fahrstil erheb­lich auf die Geräusch­ent­wick­lung seines Fahrzeugs einwir­ken», sagt Karin Buhrke, Bürger­meis­te­rin in Forbach. Bei Motor­rad­fah­rern müsse dafür noch ein stärke­res Problem­be­wusst­sein geschaf­fen werden.

Von Susan­ne Kupke, dpa