HANNOVER (dpa) — SPD und Grüne können jubeln, großer Verlie­rer ist die FDP — sie schafft es nicht in den nieder­säch­si­schen Landtag. Deswe­gen dürfte der Ton in der Bundes­re­gie­rung rauer werden.

Klarer Sieg für die SPD, Rekord­ergeb­nis für die Grünen, aber für den dritten der Berli­ner Ampel-Partner geht die Wahl in Nieder­sach­sen bitter aus: Die FDP fliegt dort heraus aus dem Landtag, und in Berlin gerät nun der Koali­ti­ons­frie­den in Gefahr.

«Meine Partei hat nach wie vor große Proble­me mit dieser Koali­ti­on», sagte FDP-General­se­kre­tär Bijan Djir-Sarai in der ARD. Konkret nannte er den Streit um die Schul­den­brem­se. «Und darüber müssen wir reden — morgen in den Gremi­en der FDP und darüber hinaus auch in der Ampel-Koali­ti­on. Wir müssen darüber reden, dass das so nicht funktioniert.»

Die Ampel-Partner SPD und Grüne können hinge­gen zufrie­den sein: Die Sozial­de­mo­kra­ten von Regie­rungs­chef Stephan Weil gehen nach dem vorläu­fi­gen amtli­chen Endergeb­nis trotz Verlus­ten als Sieger aus der Wahl hervor; die Grünen legten deutlich zu — die Zeichen stehen auf Rot-Grün.

Der Grünen-Vorsit­zen­de Omid Nouri­pour appel­lier­te an die Ampel-Koali­tio­nä­re, nach außen Geschlos­sen­heit zu zeigen: «Unterm Strich ist die Zusam­men­ar­beit gut — bei allen Diffe­ren­zen, die wir haben. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Verant­wor­tung, die die Ampel-Koali­ti­on übernom­men hat, die in diesen Zeiten wirklich gewal­tig ist, jetzt auch weiter­hin von allen angenom­men wird — von allen Seiten nach bestem Wissen und Gewissen.»

Die AfD legte bei der Landtags­wahl ebenfalls stark zu und schafft ein zweistel­li­ges Ergeb­nis. Die Linke schei­ter­te erneut an der Fünf-Prozent-Hürde.

Das Endergeb­nis

Laut dem vorläu­fi­gen Endergeb­nis kommt die SPD auf 33,4 Prozent der Stimmen (2017: 36,9). Die CDU verbucht mit 28,1 Prozent ihr schlech­tes­tes Landes­er­geb­nis seit mehr als 60 Jahren (2017: 33,6). Die Grünen legen dagegen deutlich zu und landen mit 14,5 Prozent auf Platz drei (2017: 8,7). Auch die AfD gewinnt stark hinzu und erreicht 10,9 Prozent (2017: 6,2). Die FDP schei­tert nach einigem Zittern mit 4,7 Prozent, an der Fünf-Prozent-Hürde und schafft es nicht in den Landtag (2017: 7,5), ebenso erneut die Linke mit 2,7 Prozent (2017: 4,6).

Damit kommen die SPD mit 57 und die Grünen mit 24 Sitzen gemein­sam auf eine absolu­te Mehrheit. Die CDU erreicht 47 Sitze, dahin­ter liegt die AfD mit 18 Sitzen.

Die Wahlbe­tei­li­gung lag bei 60,3 Prozent. 2017 betrug sie noch 63,1 Prozent, nach 59,4 Prozent im Jahr 2013.

Absturz der FDP

Nach dem Wahlde­sas­ter der FDP wurde der Ton bei den Bundes­li­be­ra­len noch am Abend rauer. Eine Koali­ti­on werde nicht funktio­nie­ren, «wenn zwei Partner perma­nent Ideen entwi­ckeln, wie man noch mehr Geld und noch mehr Geld ausge­ben kann und andere sich perma­nent mit der Frage beschäf­ti­gen müssen, wie man das Ganze organi­siert und finan­ziert», sagte General­se­kre­tär Djir-Sarai.

Partei­vi­ze Wolfgang Kubicki forder­te, dass die FDP ihre Positio­nen in der Ampel «deutli­cher markie­ren» müsse als bisher. Auf zentra­le Heraus­for­de­run­gen in der Krise gebe es keine vernünf­ti­gen Antwor­ten. «Daran werden wir arbei­ten müssen, oder diese Ampel wird in schwe­res Fahrwas­ser kommen.»

Für die Freide­mo­kra­ten ist es bereits die dritte Landtags­wahl in diesem Jahr mit deutli­chen Verlus­ten. In Nordrhein-Westfa­len und Schles­wig-Holstein reich­te es für die Partei jedoch zumin­dest für den Einzug in den Landtag. Bei der Saarland-Wahl im Frühjahr kam die Partei auf etwas mehr Zustim­mung, verpass­te den Einzug in das Landes­par­la­ment aber knapp.

Rot-Grün in Sicht

Minis­ter­prä­si­dent Weil stell­te noch am Abend eine Rückkehr zu einer rot-grünen Koali­ti­on in Nieder­sach­sen in Aussicht. «Wenn ich die Chance habe, möchte ich gerne eine rot-grüne Landes­re­gie­rung bilden», sagte der SPD-Spitzen­kan­di­dat dem Fernseh­sen­der Phoenix. Der 63-Jähri­ge, seit fast zehn Jahren Regie­rungs­chef, würde damit seine dritte Amtszeit angehen.

Grünen-Chefin Ricar­da Lang erwar­tet nach den Gewin­nen ihrer Partei nun eine Regie­rungs­be­tei­li­gung. «Es ist aus meiner Sicht ein Auftrag, dass wir auch in Nieder­sach­sen Verant­wor­tung überneh­men», sagte sie.

CDU und AFD in der Opposition

CDU-Chef Fried­rich Merz wollte den Erfolg in Nieder­sach­sen unbedingt. Ein gutes Dutzend Wahlkampf­auf­trit­te absol­vier­te er dort allein in der letzten Woche vor der Wahl. Doch die CDU fuhr ihr schlech­tes­te Nieder­sach­sen-Ergeb­nis seit Jahrzehn­ten ein. Landes­chef Bernd Althus­mann kündig­te noch am Sonntag­abend an, sein Amt abzugeben.

Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, kriti­sier­te inhalt­li­che Schwä­chen auch bei der CDU auf Bundes­ebe­ne. «Wir können nicht immer nur von den Grünen einfor­dern, Atomkraft­wer­ke länger laufen zu lassen», sagte er dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND).

Die AfD hat nach drei Landtags­wah­len mit Verlus­ten erstmals wieder hinzu­ge­won­nen. Das dürfte Wasser auf die Mühlen der Protest­be­we­gung sein, die die rechte Partei in diesem Herbst auf die Beine stellen will. Einen Vorge­schmack gab es am Samstag in Berlin, als mehre­re Tausend Menschen vor dem Reichs­tags­ge­bäu­de gegen die Krisen­po­li­tik der Bundes­re­gie­rung demons­trier­ten, viele davon mit AfD-Fahnen. «Wir sind wieder da», sagte der AfD-Vorsit­zen­de Tino Chrupalla.

Für die Linke endet ein desas­trö­ses Wahljahr mit einem weite­ren Desas­ter. Wie bei den anderen drei Wahlen zuvor bleibt sie deutlich unter der Fünf-Prozent-Marke. Die ohnehin schon existen­zi­el­le Krise der Partei dürfte das noch etwas weiter verschärfen.