RUHSTORF (dpa) — Sonnen­schein, der Duft von Kiefern­holz, Tau auf den Gräsern — doch es ist stiller im Wald gewor­den. Dafür piept es aus einem Koffer­raum kurz hinter der deutsch-öster­rei­chi­schen Grenze. In Bayern ist ein Tierschmug­gel der beson­de­ren Art aufgeflogen.

Immer wieder werden wildle­ben­de Singvö­gel gefan­gen, um mit ihren Fähig­kei­ten viel Geld zu verdie­nen. Ein Polizei­fund lässt einen Blick auf ein absur­des wie illega­les Phäno­men zu.

Mitte Oktober entdeck­te die Polizei bei Ruhstorf an der öster­rei­chi­schen Grenze 248 leben­di­ge Finken im Auto eines Mannes. Der 25-Jähri­ge hatte ausge­sagt, die Singvö­gel in den Nieder­lan­den dem Kind eines Bekann­ten schen­ken zu wollen. Laut Polizei waren die Vögel nicht ordnungs­ge­mäß trans­por­tiert worden, einige waren verletzt. Deshalb ergin­gen Anzei­gen wegen Verstö­ßen gegen das Tierschutz­ge­setz und das Binnen­markt-Tierseu­chen­ge­setz. Doch was hatte der Mann mit all den Finken wohl wirklich vor?

Als «nahelie­gend» bezeich­net Eric Neuling, Referent für Vogel­schutz des Natur­schutz­bun­des Deutsch­land, einen Tierschmug­gel, bei dem wildge­fan­ge­ne Vögel mit gezüch­te­ten gekreuzt werden sollten.

«Finken sind Singvö­gel und es gibt Liebha­ber, die Finken züchten, um deren Gesangs­ta­lent gegen­ein­an­der in Positi­on zu bringen. Also die Finken treten gegen­ein­an­der an und wer am schöns­ten singt, bekommt einen Preis», erklärt Neuling. Bei den sogenann­ten «Finken­wett­be­wer­ben», erläu­tert Axel Hirsch­feld, Presse­spre­cher des Komitees gegen den Vogel­mord, handelt es sich um ein lokales Phäno­men. «Das ist vor allem in diesen alten Bergbau­ge­bie­ten eine Tradition.»

Mehre­re Hundert Euro für einen Vogel

Früher sollten Vögel die Bergar­bei­ter vor einer Kohlen­stoff­mon­oxid-Vergif­tung warnen, heute zwitschern Singvö­gel an der Oberflä­che, aber dennoch oftmals im Verbor­ge­nen bei Gesangs­wett­be­wer­ben. Denn manche Züchter bleiben nach Angaben der Exper­ten nicht bei legalen Züchtun­gen für ihre kleinen Künstler.

Um bei den Wettbe­wer­ben zu gewin­nen, müssen die Vögel eine möglichst breite Stimm­va­ri­anz haben, wie Neuling vom Nabu erklärt. «Je varia­ti­ons­rei­cher der Gesang ist, desto größer sind die Gewinn­chan­cen für die Vogel­hal­ter.» Wie auch Menschen haben Vögel regio­na­le Dialek­te. Werden wildle­ben­de Vögel aus anderen Regio­nen einge­züch­tet, erwei­tert sich das Gesangs­re­per­toire. Ein illega­les wie auch profi­ta­bles Geschäft.

Beson­ders «gute» Vögel können laut Hirsch­feld bis zu 300 Euro auf dem Markt bringen — «im Schnitt so zwischen 50 und 100 Euro». Wer diese in Masse vertreibt, kann schnell viel Gewinn machen. Hirsch­feld erinnert sich an Zeiten in Görlitz, unmit­tel­bar an der polni­schen Grenze: «Da sind immer wieder teilwei­se richti­ge Vans mit ausge­höhl­ten Rückbän­ken oder Reser­ve­rä­dern vorge­fah­ren, wo dann Gimpel oder Zeisi­ge reinge­steckt waren.» Das Ganze sei «wie im Drogen­han­del gewesen».

Auch in den USA erfreu­en sich Gesangs­wett­be­wer­be für Vögel einer gewis­sen Beliebt­heit. 2019 entdeck­te man fast drei Dutzend in Locken­wick­lern versteck­te Singvö­gel, die aus Guyana in die USA geschmug­gelt werden sollten.

Funde sind meist zufällig

In der Tat erinnern solche Bilder an Szenen wie aus Filmen über den kolum­bia­ni­schen Drogen­ba­ron Pablo Escobar. Und wie auch dort geht man beim Wildtier­han­del von einem «Millio­nen­ge­schäft» aus, wie Hirsch­feld vom «Komitee gegen den Vogel­mord» schätzt. Durch offene Länder­gren­zen sind derar­ti­ge Funde mittler­wei­le meist zufäl­li­ger Natur. Doch das Fangen frei leben­der Vögel für derar­ti­ge Zwecke ist verboten.

«Nichts­des­to­trotz sind die Leute natür­lich sehr motiviert und engagiert, im Ausland wilde Vögel zu fangen und damit ihren Ruhm und ihren Ruf zu verbes­sern», sagt Vogel­ex­per­te Neuling vom Nabu. Axel Hirsch­feld vom «Komitee gegen den Vogel­mord» schätzt «eine Indivi­du­en-Anzahl im hohen fünfstel­li­gen Bereich», die durch Deutsch­land geschmug­gelt werden oder hier auf den Markt kommen.

Im bayeri­schen Ruhstorf durfte der Fahrer nach der Kontrol­le weiter gen Norden ziehen, die Vögel wurden an ein Veteri­när­amt überge­ben. Sie haben eine Übergangs-Heimat in einem Vogel­park gefun­den, bevor sie eventu­ell im Wald wieder mit ihrem Gesang für Stimmung sorgen.

Von Jann Philip Gronen­berg, dpa