BERLIN (dpa) – Ob Tofuwürst­chen oder Sojabur­ger — für fleisch­frei­en Grill­ge­nuss gibt es viele Möglich­kei­ten. Oft muss man dafür tiefer in die Tasche greifen als für Nacken­steak und Co. Das hat Folgen für die Umwelt.

Die Grill­sai­son läuft auf Hochtou­ren – und Spar- und Rabatt­an­ge­bo­te auf Grill­pro­duk­te locken viele Menschen in den Supermarkt.

Eine Analy­se der Umwelt­or­ga­ni­sa­ti­on WWF zeigt jetzt, dass der Großteil des Grill­flei­sches in deutschen Super­märk­ten wesent­lich billi­ger ist als Fleischer­satz­pro­duk­te. Exper­ten mahnen die ökolo­gi­schen Folgen dieses preis­li­chen Ungleich­ge­wichts an.

Für die Analy­se hatte der WWF zwischen Ende April und Ende Mai 922 Grill­fleisch-Angebo­te in den Werbe­pro­spek­ten von acht deutschen Super­markt­ket­ten erfasst. Konkret wirbt der Einzel­han­del demnach mit rabat­tier­ten Steaks oder Grill­würst­chen vom Schwein mit einem Kilopreis von durch­schnitt­lich 6,36 Euro oder mit rabat­tier­tem Geflü­gel­fleisch für 5,67 Euro pro Kilo. Tofuwurst und Sojabur­ger sind mit 13,79 Euro pro Kilo selbst im Angebot mehr als doppelt so teuer.

Im Schnitt waren 85 Prozent des rabat­tier­ten Grill­flei­sches billi­ger als pflanz­li­che Alter­na­ti­ven. Außer­dem werden Grill­fleisch­pro­duk­te demnach fast 30 Mal häufi­ger bewor­ben als Fleischer­satz­pro­duk­te. Zudem kommen laut der Analy­se nur die wenigs­ten Produk­te aus höheren Haltungs­for­men. Nur zwei Prozent der Rabatt-Produk­te wiesen Bioqua­li­tät auf, bei vielen war die Herkunft gar nicht ausgewiesen.

Tanja Dräger de Teran, Ernäh­rungs­re­fe­ren­tin beim WWF, kriti­siert, dass die Massen an Billig­fleisch zu Lasten der Umwelt gingen. Damit Fleisch so billig verkauft werden könne, müsse massen­haft Vieh gehal­ten und Futter­mit­tel wie Soja etwa aus Südame­ri­ka impor­tiert werden. Das heize das Klima an und zerstö­re wertvol­le Lebens­räu­me. «Mit Billig­fleisch wird der Amazo­nas verramscht», kriti­siert sie. So würden etwa 96 Prozent der Soja-Anbau­flä­che für Tierfut­ter benötigt – und nur vier Prozent für pflanz­li­che Lebensmittel.

Das Umwelt­bun­des­amt (UBA) betont ebenfalls, die Nutztier­hal­tung und der hohe Konsum tieri­scher Produk­te in Deutsch­land wirkten sich negativ auf Umwelt und Klima aus. So trage das hohe Maß der Inten­siv­tier­hal­tung maßgeb­lich zur Emissi­on klima­schäd­li­cher Gase wie Methan bei, das Wieder­käu­er bei der Verdau­ung freiset­zen. Auch Lachgas-Emissio­nen und Nährstoff­über­schüs­se als Folge von Güllela­ge­rung und –ausbrin­gung seien schädlich.

«Wir haben massi­ve Emissio­nen in die Luft und in den Boden. Deshalb wäre es neben verfah­rens­tech­ni­schen Maßnah­men wichtig, den Konsum von Fleisch und tieri­schen Produk­ten stark zu reduzie­ren», sagt Almut Jering vom UBA. Zu diesen Maßnah­men könnten etwa Filter an den Stall­an­la­gen oder die energe­ti­sche Nutzung von Wirtschafts­dün­ger gehören. Zudem gerie­ten in der Inten­siv­tier­hal­tung genutz­te Antibio­ti­ka in die Umwelt, kriti­siert sie.

Wieso aber ist Fleischer­satz oft teurer als Fleisch? Antje Risius, die an der Univer­si­tät Göttin­gen zu nachhal­ti­gen Ernäh­rungs­sti­len forscht, erklärt die markan­ten Preis­un­ter­schie­de dadurch, dass Fleisch ein am Markt etablier­tes Produkt, Ersatz­pro­duk­te aber noch «Newco­mer» seien. «Der Fleisch­markt hat einen unglaub­li­chen Wettbe­werbs­vor­teil, weil da die Struk­tu­ren schon etabliert sind. Da kann auf ganz anderem Niveau produ­ziert werden, effizi­ent und struk­tu­rell zu sehr günsti­gen Preisen.»

Weil sie zumeist noch in der Entwick­lungs­pha­se steck­ten, hätten Ersatz­pro­duk­te noch relativ hohe Inves­ti­ti­ons­kos­ten. Zudem seien sie häufig sehr stark verar­bei­tet – und die vielen zwischen­ge­schal­te­ten Verar­bei­tungs­schrit­te seien ebenfalls teuer, sagt Risius.

Dass unver­ar­bei­te­tes Gemüse je nach Produk­ti­ons­pro­zess und Saison auch mal teurer sei als Fleisch, lasse sich ebenfalls mit den Produk­ti­ons­struk­tu­ren erklä­ren. Bei der Obst- und Gemüse­pro­duk­ti­on sei Deutsch­land stark von Impor­ten abhängig.

«In Deutsch­land errei­chen wir bei Gemüse einen Selbst­ver­sor­gungs­grad von gerade mal etwas über 30 Prozent», sagt auch Dräger de Teran. Außer­dem sei hier oft mehr Handar­beit gefragt und Gemüse brauche in der Regel länger, bis es beim Konsu­men­ten auf dem Teller lande. So betra­ge die Mastzeit für ein Grill­hähn­chen etwa 30 Tage, dagegen vergin­gen beim Brokko­li von der Aussaat bis zur Ernte etwa 90 Tage.

Der WWF mahnt an, der Preis­un­gleich­ge­wicht zwischen Fleisch- und Fleischer­satz­pro­duk­ten führe dazu, dass viele Menschen aus Kosten­grün­den auf Fleisch zurück­grif­fen. Nachhal­ti­ge Ernäh­rung dürfe aber keine sozia­le Frage bleiben, fordert Dräger de Teran. «Wir müssen dahin kommen, dass die einfa­che Wahl die gute, gesun­de und nachhal­ti­ge Wahl ist. Und davon sind wir noch weit entfernt.»

Ein wachsen­des Angebot von Fleisch- und Milch­er­satz­pro­duk­ten in den Super­märk­ten stoße trotz des oft höheren Preises bei immer mehr Menschen auf Inter­es­se, befin­det Jering vom UBA. Zuletzt habe die Zahl der Menschen, die sich vegeta­risch oder vegan ernähr­ten, deutlich zugenom­men. «Ich glaube, dass da ein gewis­ser gesell­schaft­li­cher Fortschritt im Gange ist.»

Der WWF sieht derweil Politik und Wirtschaft stärker in der Pflicht. Von der nächs­ten Bundes­re­gie­rung fordert die Organi­sa­ti­on eine an Nachhal­tig­keits­kri­te­ri­en orien­tier­te Lenkungs­steu­er auf tieri­sche Lebens­mit­tel, die Produk­te aus ökolo­gi­scher Landwirt­schaft weniger belas­tet. Vom Handel brauche es einen Wandel in der Preis­po­li­tik: So sollten beispiels­wei­se keine Rabat­te mehr auf Fleisch- und Wurst­wa­ren ausge­ge­ben werden, außer kurz vor Ablauf des Verbrauchsdatums.

Von Josefi­ne Kauke­mül­ler, dpa