BERLIN (dpa) — Die gestie­ge­nen Flücht­lings­zah­len sind eine Belas­tung für die Kommu­nen, die Unter­brin­gung der Menschen ist eine Heraus­for­de­rung. Auch die Bundes­re­gie­rung steht deshalb unter Druck.

Nach wieder­hol­ten Warnun­gen vor einer Überlas­tung der Kommu­nen durch steigen­de Flücht­lings­zah­len hat Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser ein neues Spitzen­tref­fen angekündigt.

Sie sehe, «dass nach wie vor Handlungs­be­darf besteht, und deswe­gen werde ich jetzt wieder alle Betei­lig­ten zu einem erneu­ten Flücht­lings­gip­fel zu mir ins Haus einla­den», sagte die SPD-Politi­ke­rin am Sonntag­abend in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». Sie werde die Einla­dun­gen noch in dieser Woche verschi­cken, «weil ich glaube, wir müssen in einer gemein­sa­men Kraft­an­stren­gung alles dafür tun, die Kommu­nen zu entlasten».

Einen Termin für das Treffen nannte sie nicht. Im Oktober hatte es bereits einen Flücht­lings­gip­fel von Innen­mi­nis­te­rin Faeser mit Vertre­tern von Ländern und Kommu­nen gegeben.

«Der Druck ist enorm»

Die Spitze der Unions­frak­ti­on hatte zuletzt angesichts der zuneh­men­den Schwie­rig­kei­ten bei der Flücht­lings-Unter­brin­gung sogar einen Gipfel von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Bundes­län­dern gefor­dert. Auch Hessens Minis­ter­prä­si­dent Boris Rhein (CDU) sagte in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin»: «Der Bundes­kanz­ler muss das jetzt zur Chefsa­che machen. Der Druck ist enorm.» Sein Eindruck sei, dass es überhaupt nicht angekom­men sei beim Bund, in welch schwie­ri­ger Lage die Länder und Kommu­nen seien.

Rhein forder­te in dem Inter­view, das vor Faesers Ankün­di­gung geführt wurde, bei einem solchen Gipfel auch über Geld zu reden. Man müsse aber auch über die Möglich­kei­ten der Bundes­re­gie­rung sprechen, die Migra­ti­on zu steuern und zu begrenzen.

Faeser sagte im ZDF, ihr Haus stehe im steti­gen Austausch mit den kommu­na­len Spitzen­ver­bän­den, und beton­te: «Wir haben schon einiges getan.» So habe der Bund «weit über 300» Bundes­lie­gen­schaf­ten zur Verfü­gung gestellt und helfe finan­zi­ell sehr stark. «Wir haben für das letzte Jahr allein 3,25 Milli­ar­den für die Kommu­nen gegeben. Wir haben jetzt für das neue Jahr schon 2,7 Milli­ar­den zur Verfü­gung gestellt. Aber wir drängen auch darauf, dass die Länder diese Gelder eins zu eins weiter­zu­ge­ben, das ist nicht in jedem Bundes­land der Fall.» Sie setze sich zudem auf europäi­scher Ebene für eine «solida­ri­sche­re Vertei­lung» von Geflüch­te­ten ein.

47 Prozent mehr Asylbe­an­tra­gun­gen als 2021

In Deutsch­land hatten im vergan­ge­nen Jahr so viele Menschen Asyl beantragt wie seit 2016 nicht mehr. Knapp 218.000 Menschen stell­ten laut Jahres­sta­tis­tik des Bundes­am­tes für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge erstma­lig in Deutsch­land ein solches Schutz­er­su­chen. Das waren knapp 47 Prozent mehr als 2021. Die rund eine Milli­on Kriegs­flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne, die im vergan­ge­nen Jahr in Deutsch­land Aufnah­me fanden, mussten keinen Asylan­trag stellen. Sie erhal­ten auf Basis einer EU-Richt­li­nie unmit­tel­bar vorüber­ge­hen­den Schutz.

Filiz Polat, Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­re­rin der Grünen-Bundes­tags­frak­ti­on, forder­te zusätz­li­che Maßnah­men zur Integra­ti­on der Menschen. «Wir wollen endlich, dass Geflüch­te­te nicht mehr verpflich­tet werden, in Erstauf­nah­me­ein­rich­tun­gen zu wohnen, obwohl sie bei Verwand­ten unter­kom­men könnten», sagte sie der «Welt». Damit würden zügig freie Kapazi­tä­ten geschaf­fen, die Integra­ti­on erleich­tert und die Unter­brin­gung in Turnhal­len vermie­den. «Wir wollen, dass Arbeits­ver­bo­te für Geflüch­te­te – gerade in Zeiten des Arbeits­kräf­te­man­gels – endlich der Vergan­gen­heit angehö­ren», fügte Polat hinzu. «Die entspre­chen­de Gesetz­re­form muss die Innen­mi­nis­te­rin nun zügig auf den Weg bringen.»