BERLIN (dpa) — Die Kommunen fordern mehr Geld vom Bund für die Unterbringung von Flüchtlingen. Innenministerin Faeser verweist auf bereits geleistete Milliarden. Eine Obergrenze der Flüchtlingszahl lehnt sie ab.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser kann Forderungen der Kommunen nach mehr Geld vom Bund für die Unterbringung von Flüchtlingen und Migranten nicht nachvollziehen. «Ich finde es seltsam, wenn jetzt schon — Anfang April dieses Jahres — gesagt wird, das Geld für dieses Jahr reiche nicht aus», sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
«Der Bund hat schon im vergangenen Jahr sehr viel Geld zur Verfügung gestellt — 4,4 Milliarden Euro. Außerdem haben wir die Sozialleistungen für die Flüchtlinge aus der Ukraine übernommen.» Für dieses Jahr habe der Bund den Ländern und Kommunen frühzeitig 2,75 Milliarden Euro an zusätzlicher Unterstützung zugesagt.
Faeser verwies auf einen Bund-Länder-Gipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), bei dem am 10. Mai über die Flüchtlingskosten beraten werden soll.
Kommunen fordern mehr Steuerung und Finanzmittel
Vertreter der Kommunen reagieren enttäuscht auf Faesers Äußerungen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund beklagt das Fehlen einer langfristigen Strategie. Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, warf Faeser Arbeitsverweigerung bei der Begrenzung der Zuwanderung von Asylbewerbern ohne Bleibeperpektive vor.
Die von Faeser genannten Zahlen seien korrekt, das Geld gehe jedoch nicht direkt an die Kommunen, sondern an die Länder, so der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Auch sei der Aufwand für über 200.000 Kita- und Schulplätze für geflüchtete Kinder aus der Ukraine nicht ausreichend berücksichtigt. «Hinzu kommt, dass bisher vollkommen unklar bleibt, welche Mittel im Jahr 2024 bereitgestellt werden», kritisierte Landsberg.
Bayern wirft Faeser «Realitätsverweigerung» vor
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann wirft Faeser deshalb Realitätsverweigerung vor. «Es ist offensichtlich, dass die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen für dieses Jahr nicht reicht. Da sind sich die Bundesländer und Kommunen vollkommen einig», sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Faesers jüngste Aussagen zur Migrationspolitik zeugten «von einer neuen Dimension von Realitätsverweigerung».
«Die Vogel-Strauß-Manier der Bundesinnenministerin ist atemberaubend. Entweder hat sie völlig den Überblick über die Kosten verloren oder es ist schlichte Realitätsverweigerung», kritisierte Herrmann. Das sei keine solide Art des Wirtschaftens und keine vorausschauende Haushaltspolitik. Besonders ärgere ihn, dass sich Faeser klar gegen eine Begrenzung der Migration ausspreche und gleichzeitig eine bessere Unterstützung der Kommunen ablehne. Sie dämpfe «schon jetzt die Erwartungen zum kommenden Flüchtlingsgipfel im Mai. Das ist nicht nur unverschämt, sondern auch absolut unlogisch.»
Faeser: «Keine Höchstgrenzen für Menschlichkeit»
Faeser hatte zuvor eingeräumt, dass die Situation der Kommunen sehr schwer sei. Die Lage müsse gemeinsam bewältigt werden. Die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen, lehnte sie ab. «Wir erleben einen furchtbaren Krieg mitten in Europa. Acht von zehn Geflüchteten kommen aus der Ukraine. Da kann es keine Höchstgrenzen für Menschlichkeit geben.»
Auch aus der Opposition kam harte Kritik. «Diese Äußerungen der Innenministerin sind schlichte Realitätsverweigerung», sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), der Deutschen Presse-Agentur. Dass die Kommunen an der Belastungsgrenze seien und Großartiges bei der Hilfe für die Flüchtlinge aus der Ukraine leisteten, lasse die Ministerin offenbar kalt. Die Kommunen forderten von der Ampel-Regierung zu Recht, dass diese etwas gegen die zunehmende irreguläre Migration unternimmt. Denn das sei eine Aufgabe, für die allein der Bund die Verantwortung trage.
Kinder und Jugendliche unter den Kriegsflüchtlingen müssten «bestmöglich» betreut werden, auch, damit sie nicht straffällig würden, mahnte Faeser. «Menschen, die aus dem Krieg geflüchtet sind, bringen furchtbare Erfahrungen mit. Solche Gewalterfahrungen können nachwirken.»
Ein Drittel der mehr als eine Million geflüchteten Ukrainer in Deutschland sei unter 18 Jahre alt. Das werde auch in der Kriminalstatistik sichtbar. «Im letzten Jahr hatten wir über 3700 tatverdächtige Kinder und Jugendliche aus der Ukraine. 2021, vor Putins Krieg, waren es wenige hundert», sagte die Ministerin.