MOSKAU (dpa) — Seit 2014 kämpfen in der Ostukrai­ne Regie­rungs­trup­pen gegen Separa­tis­ten. Nun ordnet Russland die Entsen­dung von Truppen an — und beklagt eine ausste­hen­de Antwort auf seine Sicherheitsbedenken.

Angesichts der Spannun­gen in der Ostukrai­ne hat das Oberhaus des russi­schen Parla­ments einem Truppen­ein­satz zugestimmt. Der Födera­ti­ons­rat votier­te einstim­mig für eine entspre­chen­de Anord­nung von Präsi­dent Wladi­mir Putin.

Unter­des­sen warf Putin dem Westen Ignoranz gegen­über russi­schen Sicher­heits­in­ter­es­sen vor. «Unser Land ist immer offen für einen direk­ten und offenen Dialog, für eine Suche nach diplo­ma­ti­schen Lösun­gen für die schwie­rigs­ten Proble­me», sagte Putin am Mittwoch in einer Video­bot­schaft zum Tag des Vater­lands­ver­tei­di­gers. «Aber ich wieder­ho­le: Die Inter­es­sen Russlands und die Sicher­heit unserer Bürger sind für uns bedin­gungs­los», beton­te er.

Die Aufru­fe Moskaus nach Garan­tien dafür, dass die Sicher­heit eines Landes nicht auf Kosten eines anderen geht, seien bislang unbeant­wor­tet geblie­ben, kriti­sier­te Putin. Russland fordert unter anderem ein Ende der Nato-Osterwei­te­rung und insbe­son­de­re einen Verzicht auf die Aufnah­me des Nachbar­lands Ukrai­ne in das Militärbündnis.

Einsatz von Solda­ten «im Ausland»

Der Kreml­chef bestim­me die Zahl der Solda­ten und die Dauer der Statio­nie­rung «im Ausland», hieß es. Zuvor hatte sich Putin an den Födera­ti­ons­rat mit einem Antrag gewandt, «über den Einsatz russi­scher Streit­kräf­te außer­halb des Gebie­tes der Russi­schen Födera­ti­on» zu beraten, wie die Vorsit­zen­de Valen­ti­na Matwi­jen­ko sagte.

Mit Blick auf die nun von Moskau anerkann­ten «Volks­re­pu­bli­ken» Donezk und Luhansk sagte Russlands Vize-Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Nikolai Pankow während der Sitzung: «Wir müssen die Bürger dieser jungen Staaten beschüt­zen.» Zudem warf er der Ukrai­ne vor, rund 60.000 Solda­ten an der Kontakt­li­nie zu den Separa­tis­ten­ge­bie­ten zusam­men­ge­zo­gen zu haben.

Das Unter­haus des Parla­ments, die Staats­du­ma, hatte zuvor die Anerken­nung der selbst ernann­ten Volks­re­pu­bli­ken Donezk und Luhansk in der Ostukrai­ne als unabhän­gi­ge Staaten ratifi­ziert. Russland nimmt zudem diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen mit den Regio­nen auf.

Terri­to­ri­al­an­spruch der Separatisten

Dabei erkennt Putin die Separa­tis­ten­re­gio­nen in ihren deutlich größe­ren ursprüng­li­chen ukrai­ni­schen Grenzen an. Das bedeu­tet, dass der Terri­to­ri­al­an­spruch der Separa­tis­ten, die bislang nur etwa 32 Prozent der Gebie­te kontrol­lie­ren, deutlich über ihr bisher verwal­te­tes Gebiet hinaus­geht. Das birgt die Gefahr neuer Kämpfe mit den ukrai­ni­schen Regie­rungs­trup­pen, die den übrigen Teil kontrollieren.

Bei einer Presse­kon­fe­renz erklär­te Putin auch den Minsker Friedens­plan für die Ostukrai­ne für erledigt. Die Verein­ba­run­gen hätten sich mit der Anerken­nung der souve­rä­nen Staaten erübrigt. Er sagte auch, die Ukrai­ne-Krise könne gelöst werden, wenn das Nachbar­land entmi­li­ta­ri­siert werde und nicht der Nato beitre­te. Die Ukrai­ne besteht auf Aufnah­me in dem westli­chen Bündnis, weil sie sich von Russland bedroht sieht. Die Nato betont das Prinzip der freien Bündnis­wahl der Länder.

Stolten­berg: Alles deutet auf russi­schen Großan­griff hin

Nato-General­se­kre­tär Jens Stolten­berg rechnet nach der jüngs­ten Eskala­ti­on weiter mit einem vollstän­di­gen Einmarsch Russlands. «Alles deutet darauf hin, dass Russland weiter­hin einen Großan­griff auf die Ukrai­ne plant», sagte der Norwe­ger nach einem Sonder­tref­fen der Nato-Ukrai­ne-Kommis­si­on in Brüssel.

Russland habe verspro­chen, sich von der Grenze zur Ukrai­ne zurück­zu­zie­hen, doch der Aufmarsch werde fortge­setzt. Man sehe, dass immer mehr Streit­kräf­te zum Angriff bereit seien. Außer­dem gebe es die andau­ern­den Provo­ka­tio­nen im Donbass sowie verschie­de­ne Opera­tio­nen unter falscher Flagge, mit denen versucht werde, einen Vorwand für einen Angriff zu schaffen.

Man habe zudem gesehen, dass weite­re russi­sche Truppen in den Donbass vorge­rückt seien. Außer­dem verwies Stolten­berg auf die drohen­de Rheto­rik Russlands, die am Montag­abend von Präsi­dent Wladi­mir Putin bestä­tigt worden sei. Zugleich rief er Moskau zur Deeska­la­ti­on auf: «Es ist nie zu spät, nicht anzugreifen.»

Zuspruch aus Lateinamerika

Mehre­re latein­ame­ri­ka­ni­sche Staaten stellen sich derweil im Konflikt hinter Russland. In einem Bericht hieß es bei Granma, der Zeitung der Kommu­nis­ti­schen Partei Kubas: «Der Kreml agiert sehr zurück­hal­tend und ruft zu einer fried­li­chen Lösung auf, während Europa die Flammen anfacht und das Feuer schürt.»

Der autori­tä­re venezo­la­ni­sche Präsi­dent Nicolás Maduro sagte in einer im Fernse­hen übertra­ge­nen Rede: «Venezue­la sagt Präsi­dent Wladi­mir Putin seine volle Unter­stüt­zung bei der Vertei­di­gung des Friedens in Russland, bei der Vertei­di­gung des Friedens in der Region und bei der mutigen Vertei­di­gung seines Volkes zu.»

Und auch der Präsi­dent Nicara­gu­as, Daniel Ortega, äußer­te Wohlwol­len über das Vorge­hen des russi­schen Präsi­den­ten Putin. Dem frühe­ren linken Revolu­tio­när werfen viele in dem mittel­ame­ri­ka­ni­schen Land vor, sich zum Dikta­tor gewan­delt zu haben.